Bowers & Wilkins – Klang rein, Noise raus
Bowers & Wilkins überarbeitet seine Kopfhörer-Familie und kürt ein neues Spitzenmodell: Der PX7 ist neuer Chef der mobilen Ohrhörer-Flottille – ohne Strippen, dafür aber mit berauschend effizienter Geräuschunterdrückung.
Rund 17 Jahre ist es grob geschätzt her, dass ich erstmals mit aktiver Noise-Cancellation (NC) konfrontiert wurde. Das war auf einem Flug in die Vereinigten Staaten. Der Hersteller, der damals zum Presse-Event geladen hatte, wusste, wie man neue Technologien effektvoll kredenzt: Ohne Kommentar bekam ich einen kompakten Hörer nebst externer Elektronik in die Hand. Ich setzte ihn auf und sah mir den langatmigen Bordfilm an. Kaum war der vorüber, nahm ich die Lauscher ab – und war heillos irritiert. Ohne den Ohrwärmer kamen mir der Fluglärm und das Plaudern der übrigen Passagiere schier unerträglich vor. Seither habe ich nie wieder einen Flug ohne Geräuschunterdrückung gemacht.
Was ich Ihnen damit sagen möchte? Suchtgefahr! Wer die Technik einmal erleben konnte, der wird NC nicht mehr missen wollen.
Was genau ist Noise Cancellation?
Ehe wir uns mit dem PX7 beschäftigen, möchte ich Ihnen erklären, wie NC funktioniert. Schall resultiert aus schnellen Luftdruckschwankungen. Hochduck, Niederdruck, Hochdruck – und immer so weiter … Die Geschwindigkeit dieser Druckwechsel ergibt die Frequenz (bzw. Tonhöhe) eines Signals. Die Höhe der Differenz bzw. die Stärke der Druckschwankungen nennen wir Pegel, Amplitude oder Lautstärke – was auch immer Sie bevorzugen. Eine Lautsprechermembran kann durch ihre Vor-und-Rück-Bewegung genau solche Druckschwankungen erzeugen.
Noise Cancellation wirkt dem entgegen: Jeder NC-Hörer besitzt wenigsten ein Mikrofon, das den Umgebungsschall aufzeichnet. Die „Phase“ des Lärms wird von der integrierten Elektronik um 180 Grad gedreht. Wo das Original ein Druck-Hoch aufweist, generiert der Kopfhörer ein proportional passendes Tief. Im Gehörgang gleichen sich die Drücke aus, Umgebungsgeräusche und die invertierten Signale des Kopfhörers heben sich im Idealfall vollständig auf. Wahrnehmen kann man anschließend nur noch das Musik-, Filmton- oder Telefonsignal, das ungehindert an die Ohren des Hörers gelangt.
Ältere NC-Kopfhörer waren genau darauf beschränkt. Aktuelle Modelle rechnen mit ihren DSPs bestimmte Schallanteile aus den Abläufen heraus. So gibt es Hörer, die den Straßenlärm filtern, aber Stimmen durchlassen. Das nennt man ANC – „Adaptive Noise Cancellation“. Geschmackssache: Wenn ich Ruhe haben möchte, dann meistens richtig. Sie merken schon, ich bin eher ANC-Muffel. Bei Bowers&Wilkins ist das egal – der PX7 bietet beide Möglichkeiten.
Und nun zum Bowers & Wilkins PX7
Bowers & Wilkins setzt die NC-Technologie erstmals ein. Und das umfassend: Neben dem PX7 (um 400 Euro) ist auch der kleinere PX5 (um 300 Euro) sowie der In-Ear-Kopfhörer PI4 (um 300 Euro) damit ausgestattet. Nur der PI3 (um 200 Euro) bietet kein adaptives Lärmausklammern. Beim PX7 dürfte das (A)NC jedoch am effektivsten gelingen: Aus dem oben Beschriebenen erschließt sich, dass man dafür möglichst isolierte Bedingungen benötigt. Und die herrschen am ehesten bei einem großen, ohrumschließenden Hörer.
Und tatsächlich klappt die Geräuschunterdrückung vorzüglich. Während ich den Test in der Redaktion schreibe, herrscht um mich herum ein unaufhörliches Gewimmel und Getöse. Kollegen eilen von A nach B oder kommunizieren über meinen Kopf hinweg. Von alledem bekomme ich „unter“ dem PX7 nichts mit. Der Hörer schirmt mich beinahe vollständig von der Außenwelt ab. Und das hat einen weiteren positiven Effekt: Da ich keinen Umgebungslärm übertönen muss, höre ich mit dem großen Bowers&Wilkins vergleichsweise leise und gehörschonend Musik.
Und die tönt crisp und transparent aus den Hörermuscheln. Die Briten verwenden einen eigens entwickelten 4,4-Zentimeter-Breitbänder. Der ist für einen Hörer dieser Bauform durchaus stattlich und erklärt die enorme Bandbreite des PX7: Von den tiefsten Bässen bis in die höchsten Sphären reiht der Mobilhörer alle Frequenzen gleichberechtigt nebeneinander.
Ich komme mir fast komisch vor, das überhaupt zu betonen, aber es muss trotzdem sein: Eine derart effiziente NC ist im Zug, im Flieger oder auf der grünen Wiese einfach großartig. Im Straßenverkehr, egal ob auf dem Fahrrad, im Auto oder zu Fuß unterwegs, sollte man sie aber unbedingt deaktivieren!
Kompakt und federleicht
Tatsächlich ist der Bowers & Wilkins PX7 für einen umschließenden Hörer verflixt kompakt. Seine weich gepolsterten, mit Stoff bezogenen Hörermuscheln liegen äußerst bequem am Kopf und verursachen – trotz nahezu perfekter Abdichtung – selbst bei längerem Tragen keinen unangenehmen Druck. Und das auch, ich kann es aus eigener Erfahrung berichten, bei Brillenträgern.
Dem hervorragenden haptischen Eindruck spielt das geringe Gewicht in die Hände. Der Hörer besteht aus durchweg hochwertigen Materialien. Wo immer möglich bediente sich Bowers&Wilkins bei Rennsport-Technologie. Das Carbongestell ist robust, fasst sich gut an und wiegt fast nichts. Beim Transport werden die Muscheln eingeklappt, der Hörer passt dann bequem ins mitgelieferte Stoff-Etui.
Intuitive Bedienung
Gesteuert werden die Bedienfunktionen über fünf Tasten. Vier davon liegen an der rechten Muschel: On/Off und Pairing teilen sich einen Schiebeschalter. Darunter liegt ein Trio, das je nach Verwendung (Musik/Freisprechen) unterschiedliche Aufgaben erfüllt. Eine beigelegte Karte erklärt alles. Ich brauchte ungefähr eine CD-Länge, dann waren die Befehle in Fleisch und Blut übergegangen. Und wo wir beim Freisprechen sind: Der PX7 besitzt eigens dafür zwei Mikrofone. Die (A)NC-Funktion läuft über vier weitere Mikros.
Die einsame Taste an der linken Muschel schaltet NC ein und aus oder aktiviert die Ambient-Stufe (ANC), die zumindest Teile der Umgebung durchlässt. Wer mag, kann sich die zugehörige kostenlose Smartphone-App installieren (Android/iOS). Sie ermöglicht diverse Grundeinstellungen, etwa das Abschalten der „Noise Cancellation On“-Ansage beim Aktivieren der Unterdrückung. Sollte Ihnen das egal sein, können Sie die App auch ignorieren. Sie wird in der Praxis nicht benötigt.
Ein weiterer Aspekt der Bedienung ist der Bewegungssensor des Hörers. Der Bowers & Wikins PX7 registriert, ob er auf dem Kopf sitzt oder ob man nur eine Muschel oder den gesamten Hörer abnimmt. Damit lässt sich ANC vollständig ersetzen: Steht man am Bahnhof und möchte eine Durchsage hören, lupft man einfach eine Muschel. Die Wiedergabe stoppt und man bekommt alles mit. Muschel wieder aufs Ohr – und schon läuft die Musik weiter. Sollte der Benutzer das „Stop-and-Go“ hingegen als nervig empfinden, kann er den Sensor über die App abschalten.
Leistungsfähige Technik
Natürlich ist der PX7 aufgrund seines Konzepts vollaktiv ausgelegt. Er besitzt eine eigene Energiequelle, einen internen Bluetooth-Empfänger, D/A-Wandler sowie Endverstärker. Um das (A)NC kümmert sich ein Signalprozessor, der gleich auch noch als digitale Pegelsteuerung respektive Vorstufe arbeitet.
Trotz all dieser Features und Inhaltsstoffe kann der PX7 im Alltagseinsatz bis zu 30 Stunden durchhalten. Diese Angabe sollte man wie üblich mit Vorsicht genießen. Je nach Abhörlautstärke, Anzahl der BT-Kopplungen, Ein- und Ausschaltprozesse etc. können es auch mal ein paar Stunden weniger sein. Ein Schnelllader ist er auch noch: Rund 15 Minuten am Stromspender reichen dem PX7 für ca. 5 Stunden Betrieb. Zur vollständigen Ladung sind also knapp 90 Minuten erforderlich.
Bowers & Wilkins kann Analog, USB und BT
Empfangsseitig hat man die Wahl: Neben BT besitzt der PX7 auch einen analogen Miniklinken-Eingang. Sie können den Hörer also auch daheim oder an ihrem 2001er MP3-Portable betreiben. Laptop-Musikanten dürfte derweil freuen, dass der USB-C-Stromanschluss auch Computern Zugang zu den DACs des PX7 verschafft. Während des Tests lief er vorwiegend via BT über einen Pioneer-Portable sowie über Apples iPhone XR. Vor allem bei Ersterem brillierte der Hörer klanglich.
Bowers & Wilkins verwendet den aktuellsten Bluetooth-Standard (5.0) und hat damit alle Klangfinessen an Bord: aptX inklusive HD, Adaptive etc. Damit reicht der Standard an den Klang einer verlustfreien CD heran. Apple-Smartphones nehmen mit dem Tonformat AAC vorlieb, und auch das klingt äußerst anständig.
Grundsätzlich hat der Hörer einen neutralen Charakter. Er arbeitet Stimmen und Instrumente hervorragend heraus und kreiert eine saubere Bühne, die freilich zwischen den Ohren und nicht vor dem Zuhörer steht. Dank der geschlossenen Bauweise besitzt der Hörer einen gehörigen Punch und macht bei höherem Pegel richtig Druck. Mit dieser Mischung aus Neutralität und (pegelbedingtem) Emotionshören ist er ein echter „Everybodys Darling“.
Wir meinen
Unglaublich, was die Briten da aus dem Zylinder zaubern: Der PX7 zählt zu den besten und – noch viel wichtiger – ausgereiftesten Hörern seiner Zunft: mobil, langatmig, geräuschunterdrückend, saubequem und eingangsseitig hinreichend flexibel. Angesichts dieser Leistung erscheint der Listenpreis von 400 Euro richtig verführerisch.
Technische Daten
Konzept: mobiler, ohrumschließender Bügelhörer mit adaptiver Geräuschunterdrückung
Noise Cancellation: 3 Modi (On/Ambient Pass-Through/Off)
Sonstige Features: Tragesensor, App (Android/iOS)
Eingänge: Bluetooth 5.0 (aptX HD und Adaptive, AAC, SBC), USB-C Audio-Interface, Aux-In 3,5 mm
Treiber: 2 x 43,6 mm Breitband, Bandbreite 10 Hz bis 30 kHz
Mikrofone: 4 x für ANC, 2 x für Freisprechen
Eingangsimpedanz (Aux-In): 20 kΩ
Verzerrung (THD): < 0,3 % (1 kHz/10 mW)
Batterie: max. 30 Stunden, Schnelladefunktion (15 min Laden für 5 Stunden Betrieb)
Zubehör: Klinkenkabel (1,2 m), USB-A auf USB-C (1,2 m), Hartschalen-Etui mit Stoffbezug
Gewicht: 310 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 400 €