Børresen X1
Nun gut, „zurück“ mag bei einer der innovativsten Firmen am Markt seltsam anmuten. Und doch werden mit der Børresen X1 durch einen großen Schritt in die Zukunft alte Werte belebt.
In aller KĂĽrze:
Die Børresen X1 ist nicht EveryÂbody’s Darling, aber auch keine Diva. Sie reicht unmissverständlich durch, was ihr präsentiert wird. Wenn also alles passt, steht mit ihr der Weg zum audioÂphilen Olymp offen.
Hand aufs Herz (1): Wann haben Sie das letzte Mal einen guten, einen wirklich richtig guten Lautsprecher gesehen und gehört, bei dem Ihnen nach dem Blick auf das Preisschild nicht schwindelig wurde? Eben, mir geht es genauso. Die Preise galoppieren, jeder neue Evolutionsschritt geht mit einer Erhöhung einher, die durch die Erfindung einer neuen Gerätegattung gerechtfertigt würde. Alter Wein in neuen Schläuchen, wobei auch die oft genug nur neu lackiert sind.
Hand aufs Herz (2): Wann wurden Sie von einer Komponente aufgrund ihres sorgfältigen und innovativen Designs so richtig überrascht? Welches Gerät hat von der Verpackung über den Aufbau bis zu Funktion verblüfft? Ein Gerät, bei dem Sie an jedem Detail merkten, dass hier nur fanatische Entwickler und nicht den Rotstift schwingende Controller am Werk waren, bei dem die besten und nicht die günstigsten Lösungen umgesetzt wurden und Einzelteile passend zum Design gefertigt werden, anstatt ins Regal der allseits bekannten B2B-Zulieferer zu greifen? Sicherlich auch nicht so viele, wobei es schon einige Komponenten gibt, bei denen so richtig nachgedacht wurde. Die Schnittmenge mit den günstigeren Vertretern ist dann allerdings verschwindend klein.
Hand aufs Herz (3): Wann haben Sie das letzte Mal einen Lautsprecher erlebt, der ohne eine Menge guter Ratschläge oder sogar Regeln im Gepäck daherkommt, wie man ihn betreiben, einspielen, versorgen müsse? Wollte man all das, was einem so oft mit auf den Weg gegeben wird, befolgen, müsste man konsequenterweise sowohl Anlage als auch Wohnzimmer vollständig umbauen, um auch nur in die Nähe eines audiophilen Glücks zu kommen. Wie oft passiert es wirklich, dass all diese Ratschläge befolgt werden? Eben! Und wie wahrscheinlich ist es, dass folglich die meisten der Lautsprecher da draußen weit unter Wert spielen? Wiederum: Eben! Denn meist tappt man im Nebel und muss ahnen, wie man reagieren soll. Die wenigsten Lautsprecher reden diesbezüglich Klartext.
Sie ahnen es bereits: Die neue und relativ kleine Børresen X1 hat bei der Aufzählung gerade eben dreimal „hier“ gerufen und verspricht auf diesem Wege, einer der spannendsten Lautsprecher der letzten Jahre zu sein – zumindest unter denen, mit denen mich genauer zu beschäftigen ich das Vergnügen hatte.
Ich könnte jetzt über die erstklassige Verpackung, die Logik der zueinander passenden Teile und den dementsprechend einfachen Aufbau reden, allerdings würde ich damit Platz verbrauchen, der besser genutzt ist, wenn ich mich ausschließlich mit der X1 beschäftige. Nur so viel: Die kleinen Børresen kommen in perfekt maßgeschneiderten Polstern daher, beim Ständer wurde das Prinzip „form follows function“ so auf die Spitze getrieben, dass man trotz mehrerer und durchaus extravagant geformter Teile keine Bedienungsanleitung benötigt, um den Job binnen kürzester Zeit erledigt zu haben. Die erfreuliche Nachricht für Menschen, die mit Kindern und/oder Haustieren leben, lautet übrigens, dass die Boxen mit dem Ständer verschraubt werden und beide Teile eine dermaßen schwere Einheit bilden, dass man sich nicht vor Unfällen sorgen muss.
Kaum steht die X1 an dem ihr zugedachten Platz, möchte ich natürlich meiner Neugierde nachgeben und Musik hören, was sich allerdings doch nicht so einfach gestaltet, wie ich es gerne gehabt hätte. Zum einen geben sich die steifen Materialien der Treiber noch etwas zugeknöpft und bestehen hörbar auf einem ausgedehnten Aufwärmtraining. Zum anderen, und das ist in dem Maße wirklich faszinierend, machen die Børresen unmissverständlich klar, dass ihnen der von mir gewählte Platz so gar nicht behagt. Der Klang klebt an den Boxen, die Bühne findet eigentlich nicht statt, und ab dem Grundton abwärts wummert es undifferenziert vor sich hin. Es beginnt also eine längere Suche nach dem idealen Platz, die sich als arbeitsreich und gleichzeitig überraschend einfach gestaltet, da zwischen Himmel und Hölle oft nur wenige Zentimeter liegen. Letztlich waren ein guter Meter nach hinten, eine Basisbreite von drei Metern und eine recht starke Einwinkelung die Mittel der Wahl.
Bei den Kabeln gibt sich die X1 ungleich gnädiger, sie informiert über Qualität und Passung, klingt aber bei schlechten Kabeln auch nicht kaputt. Sehr erfreulich auch, dass sie entsprechend mit Verstärkern umgeht. Natürlich hat sie hörbare Vorlieben, verweigert aber nie so wirklich den Dienst. Von einem kleinen Rega-Vollverstärker bis hin zu einer großen Accuphase-Endstufe wurde mit sehr vielen Geräten klaglos kooperiert. Hier gilt: Klasse vor Masse. Wenn der Verstärker gut arbeitet, sind die Muskeln zweitrangig. Diese Eigenheiten bedürfen nun doch einer Ursachenforschung, weshalb wir uns die Lautsprecher erst einmal gemeinsam, unterstützt vom Vertriebschef Morten Thyrrestrup, genauer ansehen.
Nach wenigen Minuten wird klar, dass der von mir gefundene Platz genau der Position entspricht, die Morten empfehlen würde. Allerdings geht er in der Regel noch ein paar Schritte weiter. Nach einer gehörmäßigen Position ist er noch nicht zufrieden, sondern rückt dem Raum mit Messtechnik zu Leibe, um sich von hier aus millimeterweise zum idealen Standort vorzuarbeiten.
Dass die Lautsprecher so klar über den korrekten Stellplatz informieren, ist für ihn kein großes Wunder. Diese Klarheit resultiert nach Meinung der Dänen aus dem kompromisslosen Design, das erst dann möglich wird, wenn man möglichst alle Bauteile selbst und zwar dem Design entsprechend fertigen kann und nicht die Entwicklung in vielen, teilweise sehr wichtigen Parametern an die Spezifikationen der Zuliefererware anpassen muss.
Besonders stolz ist man auf die neuen Tiefmitteltöner, deren dreischichtige Membran zwischen zwei Lagen besonders gewobenem Carbon eine Nomex-Wabenstruktur umschließt. Herausgekommen ist somit eine Membran mit nur 5,5 Gramm Masse und einer exakt gleichen Steifigkeit am Rand wie in der Mitte. Die Verluste sind also gering, der potente Antrieb hat leichtes Spiel und in der Summe agieren diese Treiber bei Impulsen vier- bis fünfmal schneller als zum Vergleich hinzugezogene Konkurrenzprodukte. Ebenso verhält es sich mit dem Bändchenhochtöner, der bis auf einen schwächeren Antrieb dem Chassis der Topmodelle entspricht. Bei einer Membranmasse von nur 0,01 Gramm findet nicht mehr viel Speicherung statt, der Tweeter kann unbeschwert loslegen und agiert noch bis 75 Kilohertz sauber – danach machten die Messmikrofone nicht mehr mit.
Auch beim Gehäuse geht man auf Nummer sicher und kombiniert ein mehrschichtiges Holzkomposit mit Carbon und einer sehr komplexen Form, die wiederum stehende Wellen unmöglich machen und Massespeicherung gering halten soll. Die drei Reflexöffnungen auf der Rückseite sind dem schmalen Rücken und dem benötigten Querschnitt geschuldet, die Vorderseite kam aus klanglichen Gründen nicht in Frage.
Wie klingt es denn nun? Es dürfte schon klar geworden sein, dass ich schwer begeistert bin. Denn die X1 enthalten sich bis auf einen leichten Hang zur Schlankheit (vielleicht doch nicht ganz den richtigen Platz gefunden?) eines jeden Kommentars und reichen klar wie ein reiner Bergsee durch, was ihnen zugespielt wird. Auch audiophil unverdächtige Aufnahmen wie die American Recordings von Johnny Cash stehen so authentisch im Raum, dass selbst meine Tochter, die diesen Musiker normalerweise weiträumig meidet, stundenlang den Sessel nicht mehr verließ.
Opernaufnahmen werden dank der immensen Durchhörbarkeit zu einem Fest – noch nie durfte ich in der Walküre mit Janowski und der Staatskapelle Dresden so viele Farben genießen („aus der Esche Stamm leuchtet ein Blitz“ in den Geigen!!!), den dargestellten Charakteren in die Kehle und Seele schauen (Zauberflöte unter René Jacobs). Und etwas lauter mit wüstem Pop und Rock der 80er Jahre die Puppen tanzen lassen? Ja, auch dafür sind sich die X1 nicht zu fein.
Hand aufs Herz (4): Das Versprechen der X1, einer der spannendsten Lautsprecher der letzten Jahre zu sein, hat sie erfüllt. Und nicht nur das, die kleinsten Børresen haben diese Ankündigung weit übertroffen. Zu einem noch einigermaßen übersichtlichen Preis bekommt man nicht nur die Gene, Ideen, das Know-how der großen und ungleich teureren Modelle, sondern einige fast identische Bauteile. Richtig platziert und mit kompetenten Spielpartnern im Bunde lässt die X1 eigentlich keine Fragen mehr offen. Wer zwingend mehr Bass benötigt, kann sich gerne der größeren Schwester X2 zuwenden, die bei einer Präsentation vor einigen Monaten bereits meinen Kollegen Carsten Barnbeck fast um den Verstand brachte, und immer noch diesseits der magischen Grenze von 10 000 Euro bleiben.
Also greift Børresen engagiert in die Zukunft und schafft damit einen phänomenalen Lautsprecher, der preislich noch in der guten alten Zeit lebt. Ganz im Ernst: Stünden 15 000 Euro auf dem Preisschild, würde man es auch glauben!
Info
Lautsprecher Børresen X1
Konzept: 2-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Bestückung: 11-cm-Tiefmitteltöner mit Carbon-Nomex-Sandwichmembran, Bändchenhochtöner
Ăśbergangsfrequenz: 2,5 kHz
Frequenzgang: 50 Hz bis 50 kHz
Empfindlichkeit: 86 dB
Wirkungsgrad: 90 dB
Empf. Verstärkerleistung: ab 50 W, > 6 Ω
AusfĂĽhrungen: Klavierlack schwarz oder weiĂź
Maße (B/H/T): 20/42/39 cm, inkl. Ständer 30/113/39 cm
Gewicht: je 26 kg, inkl. Ständer je 24 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: um 5000 €, inkl. Ständer um 6000 €
Kontakt
Audio Group Denmark
Rebslagervej 4
9000 Aalborg
Dänemark
info@audiogroupdenmark.com
Mitspieler
Plattenspieler: Transrotor Apollon TMD mit SME 5, SME 3012 u. a.
Tonabnehmer: Clearaudio Talisman und Stradivari V2, Ortofon Vienna und Jubilee, Denon DL-103
CD-Player: Mark Levinson No. 390S
DAC: Merging Technologies
Vorverstärker: Crane Song Avocet
Endverstärker: Digitalendstufe auf ICE Power basierend, Accuphase P-4200
Vollverstärker: Lavardin IT
Lautsprecher: Spendor Classic 3/5, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: u. a. Vovox