Sven Boenicke – Der Holzwurm
Die Schweizer Manufaktur von Sven Boenicke nähert sich dem Instrumentenklang mit Lautsprechern aus Massivholz
Mit Anfang 20 gründete der bald 40-jährige Sven Boenicke 1998 sein Unternehmen Boenicke Audio. So wie er es schildert, folgte er damit weniger einem vorgegebenen Plan, sondern vollzog vielmehr einen unausweichlichen Schritt in einem schleichenden Prozess, in dessen Verlauf sich immer mehr Menschen für seine selbstgebastelten Lautsprecher interessierten. Dabei war er, unverdorben durch elektrotechnische Vorkenntnisse, nicht unbedingt prädestiniert für eine HiFi-Karriere. Aber gerade das führte zu ungewöhnlichen Experimenten, wie sie nur jemand durchführt, der mit den als allgemein gültig anerkannten Grundlagen nicht vertraut ist. Sven Boenicke hatte nur seine Ohren, denen er glauben konnte. Und wenn die meldeten, dass Lautsprecher im Wandschrank besser klingen, müssen es entweder sehr schlechte Boxen oder ein verdammt gut klingender Wandschrank gewesen sein. Diese unkonventionelle Vorgehensweise sieht man seinen Produkten heute noch an. Boenicke verwendet aus Gründen des besseren Klangs Massivholz, um das die meisten seiner Kollegen einen großen Bogen machen, weil es so schwierig zu kontrollieren ist, und seine Lautsprecher sind gemessen an ihrem Klangbild alle viel zu klein.
Man betrachte beispielsweise den Kompaktmonitor W5, der nicht viel größer als ein Leitz-Ordner ist und dennoch satten und voluminösen Klang herbeizaubert. Ungeachtet seiner nur knapp drei Liter Hubraum liefert er Druck bis hinunter zu 50 Hertz. „Als wir den auf der High End in München vorgestellt haben, suchten die Leute überall den Subwoofer.“, erzählt Sven Boenicke verschmitzt. Dasselbe Spielchen könnte man auch mit dem Standlautsprecher W8 machen. Optisch nicht mehr als ein schmales Handtuch, akustisch geballte Wucht, die den unvorbereiteten Hörer mit offenem Mund staunend innehalten und überlegen lässt, wo diese Farbenpracht mit ehernem Fundament wohl herkommt. Ein schier unfassbarer Lautsprecher, der sich mühelos auch in größeren Räumen durchsetzen kann. Das erklärte Lieblingsprodukt Sven Boenickes, obwohl die W8 sein Firmenmotto „What you see is what you get“ ad absurdum führt: Den ersten Blick verglichen mit dem ersten Höreindruck, bekommt man viel mehr als man sehen kann. Schaut man genauer hin, wird man der edlen Handwerkskunst der in enger Kooperation von lokalen Schreinereien gefertigten Gehäuse zwar gewahr, aber die kunstvoll gefräste Schallführung im Inneren bleibt selbst dann noch verborgen. Sogar den neugierigen Nasen in einem Schnittmodell präsentiert Sven Boenicke nicht alles, denn die Serienmodelle enthalten außerdem integrierte, harmonisierende Tuning-Elemente – spezifischer will der Entwickler diesbezüglich nicht werden. Sven Boenicke bietet keine Lackierungen oder Furniere an, das würde den Klang verfälschen; Massivholz natur – damit müssen seine Kunden leben. Viel Zeit und Geld steckt der Unternehmenschef auch in Auswahl, Selektion und Paarung der zugekauften Treiber, bevor sie am Firmensitz in Basel mit den Gehäusen verheiratet werden. Natürlich stammen die Frequenzweichen dafür nicht von der Stange. Sven Boenicke assembliert sie eigenhändig in freier Verdrahtung und mit hochwertigen Bauteilen wie zum Beispiel Mundorf-Kondensatoren. Optional steht die W8 auf einer Swing-Base, einem von Boenicke entwickelten, schwingenden Ständer, der auch anderen Lautsprechern auf die Sprünge helfen kann.
Neben seiner ursprünglich naiven Herangehensweise verfügt Sven Boenicke über einen weiteren gewichtigen Vorteil. Er kennt Musik von allen Seiten: Als klassischer Musiker im Orchester, als Produzent hinter den Reglern und als Genießer vor der Stereoanlage. Wenn sich der bescheidene Schweizer etwas zugute hält, dann sein feines Gehör und exzellentes akustisches Gedächtnis. Und dass es ihm nicht nur darum geht, die produzierten Frequenzen eines Instruments wiederzugeben, sondern auch seine Natur, kann man seinen Kreationen anhören. Insbesondere sein Spitzenmodell, die derzeit einem Redesign unterworfene W20, setzt eine respektable Referenz für natürliche und lebendige Wiedergabe.
Mit lediglich drei Mitarbeitern hält Sven Boenicke, der sich selbst als „Allesmacher“ sieht, seinen Laden am Laufen und plant sogar zu expandieren. Sowohl über den deutschsprachigen Markt hinaus, am Liebsten bis nach Amerika, als auch über die Produktkategorie Lautsprecher hinweg zu vorgeschalteter Elektronik. Derzeit arbeitet er an einer kompakten Komplett-Lösung, die Streamer, Laufwerk, Wandler und Verstärker in einem Gehäuse vereinen soll. Sven Boenicke möchte eine gesamte, auf seine Lautsprecher abgestimmte Kette anbieten können, die deren Potential umfassend zur Geltung bringen kann. „Ehrlichkeit in Klang und Design“, verspricht der passionierte Musikliebhaber.