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Bob Dylan Blowin' in the Wind

Blowin’ in the wind

Blowin’ in the wind

Illustration: Ralf Wolff-Boenisch

Während ich hier vor dem Bildschirm sitze und über den ersten Satz sinniere und dabei mit Freude feststelle, dass er sich ja gerade wie von selbst materialisiert, ich bin schon in der dritten Zeile, vielleicht sogar schon weiter, wenn Grafiker Ralf das später in seinem Programm neu sortiert, so weit also, ohne genau zu wissen, wo dieser Wortewurm hinführen soll, inhaltlich gesehen, während ich also all dies vom Kopf in die Tastatur und in den Computer wandern lasse, formt sich parallel der Gedanke, dass man sich heute Abend gerne mal den Film I’m Not There anschauen würde, in dem unter anderem Cate Blanchett, Richard Gere und Heath Ledger Episoden aus dem Leben von Bob Dylan Revue passieren lassen, wobei sich gleichzeitig in mir ein mildes Erstaunen ausbreitet, denn obwohl ich die Musik von Bob Dylan sehr schätze, insbesondere die jüngeren Werke aus den 2000er Jahren wie Love And Theft und Modern Times, hatte ich bisher einen Bogen um den Film gemacht, weil ich, wenn ich Cate Blanchett sehe, immer auch Galadriel sehe, Herrin von Lothlórien, und ich habe Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass eine Elbenkönigin „Like A Rolling Stone“ singt, aber nun ploppte doch ganz plötzlich das Verlangen nach I’m Not There auf, und spontanen Impulsen darf man ruhig mal nachgeben, denn sie werden schon ihren Grund haben, und in diesem Fall ist mir dieser Grund sogar ziemlich klar, denn nicht nur habe ich gestern Abend im Radio „Blowin’ In The Wind“ gehört und seitdem einen schönen Ohrwurm im Kopf („The answer, my friend…“), nein, obendrein wehte gerade die Nachricht durch die Welt, dass Bob Dylan die Rechte an all seinen Songs für kolportierte 300 Millionen US-Dollar an die Universal Publishing Group verkauft hat, was schon ein recht unerwarteter Businessdeal ist, wo Bob Dylan doch seit Menschengedenken beim Plattenlabel Columbia unter Vertrag ist, das zum Sony-Konzern gehört, doch gerade das habe ich immer an dem wohl kantigsten und knurrigsten Künstler aller Zeiten geschätzt, denn ein Mann muss manchmal tun, was ein Mann tun muss, und in Bob Dylans Fall war das zum Beispiel, im Sommer 1965 beim Newport Folk Festival als geliebter Akustik-Folk-Barde zur E-Gitarre – oh Schande, oh Ungnade – zu greifen und seinen erstaunlich konservativen Hippiefans einfach mal eins zu geigen, oder später dann nicht zur Verleihung des an ihn gehenden Literaturpreises zu erscheinen, noch nicht einmal ans Telefon zu gehen, als Stockholm anrief, ja, Bob Dylan macht sein Ding, und dafür bewundere ich ihn, auch wenn ich mich frage, was er wohl mit 300 Millionen Dollar anfangen will auf seine alten Tage, doch das geht mich nichts an, ich bin eher ein bisschen neidisch, denn auch ich habe in meinem Leben ein paar nicht schlechte Texte produziert, denke ich, darf dafür aber vollkommen zu Recht nicht mit einem Anruf aus Stockholm rechnen, hätte außerdem wohl auch keinen großen Erfolg damit, die Rechte als Paket zu verkaufen, obwohl jetzt gerade ein neuer Text hinzugekommen ist, der zumindest in dieser Publikation ein Novum darstellen dürfte, denn er kommt tatsächlich nur mit einem einzigen Satzpunkt aus, was Schlussredakteurin Helene kurz aufstöhnen lassen wird, doch man wächst mit seinen Aufgaben (entschuldige das platte Bonmot, liebe Helene), aber schließlich hat auch niemand Bob Dylan gesagt, wie viele Kommata und Punkte er im Text von „Blowin’ In The Wind“ zu setzen habe, und man sieht ja, zu was künstlerische Eigenbrötlerei führen kann, zu 300 Millionen Dollar nämlich, in diesem Sinne mache ich jetzt doch mal einen: Punkt.

PS: Unnützes Wissen, Teil 16: Verkäufe mit dem Gütesiegel „Dylan“ lohnen sich. Die E-Gitarre vom Modell Fender Stratocaster, mit der Bob Dylan 1965 beim Newport Folk Festival einen historischen Moment der Rockgeschichte feierte, wurde 2013 für 965 000 Dollar versteigert. Der Erlös aber ging nicht an Dylan, sondern an die Familie eines Dawn Peterson. Der war seinerzeit Pilot des Privatjets gewesen, in dem Dylan nach seinem Newport-Auftritt die Gitarre hatte liegen lassen – und er wollte sie auch nie wiederhaben.

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