Bela B – Bingo
Dirk Felsenheimer hat ein Faible für das Dunkle, das Mystische – und vor allem auch für Horror. Das zeigt bereits der Ursprung des Künstlernamens „Bela B“ (mal mit, mal ohne Punkt dahinter).
Angelehnt ist der an den österreichisch-ungarischen Schauspieler Bela Lugosi, der 1931 im ersten offiziellen Dracula-Film den Vampirgrafen spielte. Als Schlagzeuger der Berliner Punkrockband Die Ärzte („Junge“) mauserte sich Bela B zu einem der bekanntesten Musiker Deutschlands. 2006 wagte er sich auf neues Terrain und veröffentlichte sein erstes Soloalbum: Bingo. Das Album hat mich damals sofort fasziniert: als Einblick in das Seelenleben von Bela B, mit Harmonien wie in einem Horror-Blockbuster, mit opulenter Klangtheatralik. Und alles gewürzt mit der mir so vertrauten Prise Ärzte-Humor.
Bereits die erste Singleauskopplung, Tag mit Schutzumschlag, haut mich bis heute vom Hocker. Insbesondere der Refrain erinnert an die Artrock-Hymne „Heroes“ von David Bowie. Bloß hier untermalt mit harten Gitarrenklängen. Deutlich härteren übrigens als jenen, die ich von den Ärzten kenne. Kein Zufall, weiß ich heute. Denn Bela B spielte Gitarre und Schlagzeug auf Bingo zwar selbst ein, holte sich aber auch renommierte Musiker an die Seite. Darunter einen mit mächtig Erfahrung im Umgang mit harten Gitarrenriffs: Olav Bruhn, Künstlername Olsen Involtini, Mischmeister in Diensten von deutschen Hiphop-Größen wie Peter Fox, arbeitete vor allem auch für das deutsche Schwergewicht Rammstein. Und: An der Seite von Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe haut Bruhn seit 2005 in Kruspes Soloprojekt Emigrate ebenfalls in die Saiten. Zum Einsatz kommen seine Künste bei „Tag mit Schutzumschlag“, „Gitarre runter“ und dem Rockabilly-Song „Traumfrau“.
Den „ausgebauten Kosmos“ der Ärzte, aus dem Bela B mit seinem Soloalbum ausbrechen wollte, wie er damals in einem Interview sagte, verlässt er mitunter wirklich weit. Das deutet sich bereits im Intro des Albums, der „B-Vertüre“ an. Einer ironisch-sarkastischen Operette, in der Bela B sich wie ein Musicalsänger voller Inbrunst singend, untermalt von Pauken und Trompeten, selbst ankündigt. Es spitzt sich aber zu im Song „Lee Hazlewood und das erste Lied des Tages“. Hier kombiniert Bela B Country- und Surfgitarren mit Orgelsounds – eine spannende Retro-Soundkulisse. Und zu der tatsächlich auch die US-amerikanische Country-Legende Lee Hazlewood beiträgt. Einst sang er im Duett mit Nancy Sinatra „Summer Vine“, nun also zusammen mit Bela B. Als „The First Song Of The Day“ ist das Stück auch auf Hazlewoods Platte Cake Or Death verewigt, der letzten vor dessen Tod im Jahr 2007. „Bela, genauso denk ich auch“, surrt er in dem anklagenden Stück über Einheitsbrei im Radio sogar auf Deutsch ins Mikrofon. Eigentlich sollte sogar Surfrock-Ikone Dick Dale die Gitarren für das Stück einspielen. Der sagte jedoch ab.
Eine weitere Portion Surfrock im Stile von Dale gibt es dennoch zu hören. Vor allem beim Stück „Der Vampir mit dem Colt“, das problemlos auch dem Soundtrack des Actionstreifens From Dusk Till Dawn entstammen könnte. Kirchenglocken läuten, Hunde heulen in der Ferne, eine crunchy Gitarre hallt durch die Boxen. Hier ist Horrorfan Bela B voll in seinem Element. „Er zieht schneller als der Wind, und danach trinkt er dein Blut“, singt Bela – um dann wenige Songs später selbst Opfer eines Vampirangriffs zu werden: Bei der melodramatischen, von atmosphärischen Streichern und einem Piano getragenen Duett-Ballade „Hab keine Angst“. Es klingt wie eine Art deutsches Remake von „Where The Wild Roses Grow“, der Ballade, mit der das Australien-Duo Nick Cave/Kylie Minogue Mitte der Neunzigerjahre schockierte. Bela B fühlt sich in diesem dunklen Klangraum einfach am wohlsten. Der Horror steht ihm gut.