Konsequent kompromisslos
Im Sommer hatten wir Gelegenheit, WestminsterLab, Lumin und Soulnote zu besuchen. Drei Hersteller, deren frische Ansätze und Technologien viel Aufmerksamkeit verdienen. Hier ist Teil drei unseres Asien-Reiseberichts.
Zum Musikhören hatten wir reichlich Gelegenheit in Japan. Die Herrschaften bei (und um) Soulnote sind Kenner und unverbesserliche Liebhaber. Auch generell beeindruckte mich die fernöstliche Einstellung zum klingenden Genuss: Wenn eine hochkarätige Anlage spielt, dann ist man zu 100 Prozent bei der Sache. Und wenn’s genug sein sollte, zieht man sich dezent zurück, um die anderen nicht zu stören. Das Gewusel hiesiger HiFi-Events wäre dort undenkbar.
Doch nirgends konnte ich tiefer ins stimmungsvolle Klangkonzept von Soulnote abtauchen als beim letzten Termin unseres finalen Reisetages. Nach einem spannenden Austausch in der Redaktion der altehrwürdigen Stereo Sound, Japans bekanntestem HiFi-Magazin, waren wir zu Gast bei HiFi-Kritiker Hiromi Wada. Er kuratierte uns in seinem Wohnzimmer durch ein knapp dreistündiges Medley aus Klassik, Jazz, Chansons, Weltmusik und – um den Kreislauf wieder auf Vordermann zu bringen – einer Prise Dance-Beats. Doch ehe er loslegen konnte, erklärte Hideki Kato in einem für ihn ungewohnt feierlichen Tonfall, wie es zu der Freundschaft mit Wada kam:
Ich dachte, ich hätte eh keine Chance
Fast 10 Jahre, so berichtet Kato, habe er vergleichsweise „marktabwesend“ an seinen Komponenten gefeilt. Wann immer möglich, verfeinerte er die Schaltungen der ersten Modelle und habe sie so stetig optimiert. Dann erschien Wada auf einer HiFi-Show in seiner Vorführung und war augenblicklich derart begeistert, dass er Kato noch während der Veranstaltung anstachelte, eine Komponente beim „Grand Prix“ der Stereo Sound einzureichen. Falls Ihnen das nichts sagt: Das Magazin verleiht jährlich einen hochgeschätzten Kritiker-Preis.
Nach etwas Hin und Her („Ich dachte, ich hätte eh keine Chance“) schickte Kato schließlich seinen D/A-Wandler D-2 in die Redaktion – und heimste den ersten von mittlerweile unzähligen Awards ein. Herr Wada steht für Soulnote in praktischer wie sinnbildlicher Hinsicht für den Übergang vom „Machen wir einfach mal“ hin zur Marktetablierung.
Lust auf mehr von Soulnote?
Hier finden Sie die bisherigen Soulnote-Tests auf FIDELITY-Online:
Soulnote DAC D-3 und Clock X-3
Bekommen Sie aber bitte nicht die falsche Idee, Kato sei vorher ziellos umhergeirrt. Eher im Gegenteil: Die sehr besonderen Konzepte und Lösungsansätze von Soulnote erklären sich vor allem daraus, dass er als Tüftler und Entwickler ohne Druck von Vertrieben und Händlern freie Hand hatte. Gleichzeitig konnte er auf die Mittel und Kapazitäten eines großen Unternehmens zurückgreifen. Dazu müssen wir unseren Reiseplan allerdings umdrehen und am Anfang beginnen …
Die IAD hatte uns nach Japan eingeladen, um uns (unter anderem) die Personen und Charaktere hinter den Philosophien von Soulnote vorzustellen. Das sorgte bie uns für ein wenig Verwunderung, da Hideki Kato zu den reisefreudigsten japanischen Entwicklern zählt. Er war schon mehrfach zu Gast in unserer Redaktion und ist hierzulande regelmäßig auf HiFi-Shows anzutreffen. Doch bei solchen Gelegenheiten dreht sich alles um seine neuesten Komponenten. Das Fundament und die durchaus komplexe Entstehungsgeschichte von Soulnote bleiben dahinter verborgen.
Alles Marantz hier?
Am Anfang stand ein Herr namens Takanashi Kazuyoshi, der den größten Teil seines Berufslebens bei Marantz verbrachte. Irgendwann reichte es ihm – Ende der Neunziger war das – und er gründete sein eigenes Unternehmen CSR. Das kümmert sich bis heute maßgeblich um Funktechnik. Man mag es kaum glauben, aber Walkie-Talkies sind auch im Smartphone-Zeitalter noch ein Ding (Stichwort: verschlüsselte Kommunikation). Um seine Firma mit einer „sicheren Bank“ zu unterfüttern, kam ihm die Idee, eine Karaoke-Maschine zu bauen. Allein, für diese spezielle Art von Audio/Video-Komponente hatte er keinen geeigneten Entwickler an der Hand. Und so erinnerte er sich an einen vielseitigen Tüftler aus Marantz-Zeiten: Hideki Kato.
Der machte sich an seinem neuen Arbeitsplatz umgehend ans Werk. Kato entwickelte einen Karaok-o-maten, der das gewünschte Ergebnis brachte und bis heute erfolgreich vermarktet wird. Ein eigens reservierter Raum im Firmenhauptquartier belegt, dass die Herrschaften ihr System nicht nur vertreiben, sondern bisweilen auch selbst den sprichwörtlichen Bären steppen lassen. Mit der Pflege und Hege (sprich: Fortentwicklung) des Karaoke-Systems war Kato freilich nicht näherungsweise ausgelastet.
Mal sehen, was geht …
Sie ahnen natürlich den Twist: Er begann mit Segen der Geschäftsleitung an HiFi-Komponenten zu feilen und vollzog einen Bruch mit seiner Marantz-Vergangenheit. Dort war Kato eher ein Mann fürs Brot-und-Butter-Geschäft. Er entwickelte komplexe AV-Receiver und zwang diese durch sorgfältige Rationalisierung der Schaltungen in bezahlbare Regionen. Seine CSR-Elektronik, für die er sich bald den Namen Soulnote einfallen ließ, rangiert am entgegengesetzten Ende der Fahnenstange.
In seiner knapp 10-jährigen „Findungsphase“ kann er aus dem Vollen schöpfen: CSR besitzt eine solide ausgestattete Werkstatt, eine Armada von Computer-Arbeitsplätzen für die Platinengestaltung sowie die Erstellung von CAD-gestützten Gehäusemodellen. Es gibt versierte ITler und eine Einkaufsabteilung, die ihm alle nötigen Bauteile beschaffen kann. Vor allem letztgenannte Kollegen dürften angesichts seiner Einkaufslisten nicht schlecht gestaunt haben: Wie ein kurzer Blick in unseren letzten Soulnote-Testkandidaten, den Streamer Z-3, belegt, macht er bei der Komponentenauswahl keine Gefangenen und geht, wenn es sein muss, die Extra-Meile.
Hier geht’s …
… zu den übrigen Teilen unseres Asien-Reiseberichts:
Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin (Teil 1)
Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin (Teil 2)
Zu Gast bei … Soulnote – diese Geschichte
Und der Z-3 zeigt noch etwas: Kato entwickelt seine Schaltungen zu 101 Prozent aus. Das mag verwirrend klingen, weil man annehmen möchte, dass das jeder Entwickler tut. Allerdings ist das nicht immer der Fall – eigentlich sogar eher selten. Häufig stoßen selbst größere Unternehmen auf unüberwindbare Barrieren. Die entstehen vor allem dort, wo komplexe Zulieferer-Elektronik integriert werden muss – etwa der Medienspieler eines Streamers. Oder wenn eine Schaltung im Verlauf ihrer Entwicklung derart komplex wird, dass eine Umsetzung an wirtschaftlichen Suizid grenzt. All das scheint Kato, der ohne lästige Überwachung durchs Produktmanagement werkeln konnte, nicht interessiert zu haben.
Neben seiner Kompromisslosigkeit ruht das einzigartige Konzept von Soulnote natürlich auf weiteren Säulen. Die erste ist Diskretion! Kato vertraut wo immer möglich auf hochintegrierte Baugruppen. Die lassen sich einfacher abgrenzen und halten die Signalwege kurz. Das Netzteil des großen Wandlers D-3 setzt statt auf wenige große Elkos auf eine Armada winziger Kondensatoren. Die erzeugten nur minimale Verzerrungen, wie uns der Entwickler erklärte: Lieber viele winzige Problemchen als ein, zwei richtig große.
Volle Konzentration bei Soulnote
Auch die Funktionsabgrenzung seiner Komponenten ist „diskret“. So sind Stereo-Receiver oder andere Hybriden für ihn tabu. Ein Streamer ist bei Soulnote in der Regel eine „Bridge“, also ein reiner Player ohne Wandler. Der zugehörige DAC der „Dreier-Linie“ besitzt derweil keine Clock. Der Taktgeber gehört schließlich ebenfalls in ein eigenes Gehäuse. Bei den kleineren Komponenten der Zweier- und Einser-Familien löst sich diese Starrheit in Details, grundsätzlich verfolgt Kato das Konzept jedoch stringent.
Und schließlich wäre da noch die „Entspanntheit“ der Bauteile und -gruppen. Soulnote-Komponenten wackeln und klappern, dass es die reinste Freude ist. Tatsächlich konstruiert Kato seine Geräte so, dass sie nicht nur elektrisch und hinsichtlich ihrer schieren Masse gegen Resonanzen immunisiert sind. Nahezu alle Bauteile sind so flexibel montiert, dass sie unerwünschte Schwingungen als Wärme an die Luft ableiten können. Das ist in dieser Weise und Konsequenz einzigartig. Mehr dazu erfahren Sie übrigens in den oben verlinkten Tests.
Reinraum statt Manufaktur
Angesichts der aufgerufenen Gerätepreise möchte man fast von allein damit beginnen, das Lied von der kompromissbefreiten HiFi-Manufaktur mit liebevoller Handarbeit zu singen. Das ist bei Soulnote aber nicht der Fall. Als gestandener Ex-Marantz-Mitarbeiter weiß Kato, dass Serienkonstanz und Haltbarkeit keine Zufallsprodukte sind. Wir waren im Verlauf unserer Japanreise zu Besuch in der Produktionsstätte der Komponenten. Das Werk liegt im äußersten Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu, in der Nähe des Hafenstädtchens Miyako. Die Region ist dermaßen abgelegen, dass selbst Kato nur wenige Male dort war.
Man sollte das Unternehmen aber keinesfalls als „provinziell“ abtun: Miyako Marantz – der Name sollte alle weiteren Fragen klären – fertigt Mikroelektronik der Superlative. Der Spezialist kann Bauteilträger mit Maßen bis 80 mal 60 Zentimeter durch seine Produktionsstraßen schleusen, was die Grenzen des Machbaren definiert. Wie wir vor Ort erfahren, werden größere Teile von Hand, das Gros der Mikroelektronik hingegen maschinell auf die Platinen gebracht. Anschließend durchlaufen die Teile eine minutiös abgestimmte Folge schier endloser Öfen, in denen sie im Takt eines minutiös abgestimmten Programms mit den Platinen verbacken werden.
Geplante Souveränität
Kato übermittelt die Baupläne seiner Komponenten derart detailliert, dass praktisch keine Fehlerquellen bleiben. In Miyako werden nicht nur die Platinen selbst gefertigt. Ein Zulieferer steuert Gehäuse bei, die in einer eigenen Soulnote-Abteilung mit der Elektronik und allen erforderlichen Elementen (Transformatoren, Displays, Schalter etc.) verheiratet werden. Sämtliche Bohrungen und Verschraubungen der Geräte sind so geplant, dass jeder Mitarbeiter sämtliche Soulnote-Komponenten fertigen kann, ohne Fehler etwa bei der enorm wichtigen Flexibilität der Bauteile zu machen. Da geht es bisweilen um zehntel Millimeter.
Im Team noch besser
Aber nochmal zurück zu Herrn Wada: Ein weiterer Aspekt, den ich erst bei Soulnote lernten, ist das Ketten-Verhalten der Komponenten. Tatsächlich hatten wir bereits mehrere herausragende Soulnote-Geräte zu Gast in der Redaktion. Allerdings konnten wir die nur isoliert in unseren Testketten hören. Herr Wada ist mittlerweile ein derart unverbesserlicher Fan der Marke, dass wir die Maschinen bei ihm gebündelt erleben konnten. Und das dürfen Sie sich als Großereignis vorstellen: Er eröffnete seinen Hörparcours mit dem pompösen Klanggewitter von Holsts magischem „Uranus“. Die Aufnahme erzeugte mit ihrer Tiefe und tonalen Dominanz augenblicklich eine Gänsehaut und zog uns in ihren Bann.
Für Kato trug seine Leidenschaft kürzlich noch eine ganz besondere Frucht: Da Soulnote für CSR mittlerweile so wichtig geworden ist, dass man die Entwicklungs- und Vertriebsarbeit nicht mehr „nebenbei“ erledigen möchte, wurde er zum COO der Marke erhoben, also faktisch zum Geschäftsführer der Marke. Das dürfte seine ohnehin großen Freiheiten noch deutlich vergrößern. Lassen wir uns also überraschen, was er sich als nächstes einfallen lässt …