Ayon BlackRaven – Felix Austria
Klangholz und Hightech-Keramik: Aus diesen Zutaten baut die österreichische Manufaktur Ayon eine veritable Alleskönner-Box für höchste Ansprüche.
Ich habe eine Schwäche für Röhrenverstärker. Die Gründe sind möglicherweise irrational, technisch spricht jedenfalls nur wenig für diese stromhungrigen, auf komplexe Lasten gern mal verschnupft reagierenden Amps. Aber vielleicht sind es auch nicht die Röhrenverstärker per se, deren Klang mich ein ums andere Mal begeistert. Viel wahrscheinlicher sind es die eben wegen deren Sensibilitäten mit Fingerspitzengefühl zusammengestellten Anlagen, die den Funken überspringen lassen. Anlagen, bei denen explizit auf eine gute Paarung von Lautsprecher und Verstärker geachtet wurde. Das ist nämlich eine Binsenweisheit: An der passenden (Lautsprecher-)Last bekommt selbst der zickigste Verstärker Flügel.
Als vor 14 Jahren ein Paar hüfthoher Standboxen aus dem Hause Ayon zum Test in meinem Hörraum eintraf, hatte ich von alldem noch keine Ahnung. Was ich damals aber nach nur wenigen Takten Musik erkannte: dass meine Naim-Verstärker bis dato noch nie so frei und dynamisch gespielt hatten wie an diesen ungewöhnlich gestalteten österreichischen Schallwandlern namens Seagull/c. Konsequenterweise kaufte ich das Testpaar und habe meine Entscheidung seitdem keine Sekunde bereut. Zumal Jahre später der nominell acht Watt leistende Trioden-Vollverstärker Silbatone JI300 Mk III in meinem Heim eintraf und an den Ayons vom Fleck weg eine derart souverän dynamische Performance hinlegte, dass wiederum die Naims sich fragen lassen mussten, was denn nun genau mit deren zehnfacher Leistungsangabe gemeint war. Heute, um viele (Röhren-)Erfahrungen reicher, weiß ich, dass mein Anforderungsprofil an Lautsprecher im Grunde nur aus zwei Kriterien besteht: Verfärbungsfreiheit und röhrenfreundliche elektrische Parameter. Beides sind hervorstechende Eigenschaften der Ayon Seagull/c.
Wir schreiben das Jahr 2020. Ayon hat sich mit dem Update reichlich Zeit gelassen. Die Nachfolgerin der Seemöwe kommt mit modischer Binnenmajuskel daher und hört auf den Namen BlackRaven. Der erste Eindruck: die gleiche Chassisbestückung mit zwei Keramik-Tiefmitteltönern und einem Keramik-Hochtöner der Marke Accuton. Das Gehäuse ist nun schmaler, dafür tiefer und damit mit einem größeren Volumen ausgestattet als der Vorgänger. Beim Näherkommen fallen Verarbeitungsdetails auf, die die BlackRaven mindestens eine Qualitätsstufe über die Seagull stellen: noch perfektere Furniere und Lackoberflächen, feinere Anschlussterminals, große verschraubte Edelstahl-Inserts für die Spikes in der Bodenplatte. Das Gewicht hat zugelegt, allerdings weniger als der Preis, der nun mehr als das Doppelte beträgt. 14 000 Euro sind auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Abstands eine ziemliche Ansage. Andererseits ist der Materialaufwand tatsächlich immens. Allein die im eigenen Hause gefertigten Gehäuse müssen ein Vermögen kosten, mit den gängigen MDF-Quadern haben sie nichts gemein. Die BlackRaven ist, das zeichnet sich bei näherem Hinsehen zweifelsfrei ab, kein Nachfolger der Seagull. Hier wurde das Grundkonzept weitergedacht und dann auf die Spitze getrieben. Denken Sie einfach in Automobil-Jargon: Mercedes … AMG.
Ayon-Chef Gerhard Hirt beginnt seine Erläuterungen zur Ayon BlackRaven mit einem begeisterten „A Wahnsinn!“, um schon mit dem nächsten Atemzug über die dem Auge verborgenen Qualitäten der schichtverleimten Gehäuse zu referieren. Ayon kombiniert hier in einer selbst ermittelten Reihenfolge Lagen aus „Tonhölzern“ – im Instrumentenbau versteht man darunter resonante Holzsorten wie Ahorn, Fichte oder Pappel – zu einem Sandwich. Das erhält durch die gewölbte Form eine immense Steifigkeit, gleichzeitig soll es aufgrund der Holzwahl kontrollierte Resonanzeigenschaften aufweisen. Wo in der Seagull nur eine Holzsorte verwendet wurde, sind es nun drei. Auch der Leim wurde nach klanglichen Gesichtspunkten ausgewählt, ebenso die Lackierung der fertigen Boxen. Beim Bau der Gehäuse sollen Erfahrungen mit den Nonplusultra-Schallwandlern von Lumen White eingeflossen sein, in deren Entwicklung Hirt ebenfalls involviert ist.
Die Besonderheit der ersten Generation der Ayon-Lautsprecher stecke im Inneren der Gehäuse. Die Grundüberlegungen hierzu stammten aus der Feder des leider früh verstorbenen Strömungstechnikers Stefan Fekete. Der hatte sich Gedanken über die Ausnutzung des ins Boxeninnere abgestrahlten Schalls gemacht und schlussendlich eine Bauform mit minimaler Dämpfung und cleverer Schallführung ersonnen, die im Endeffekt die Effizienz der Box unterstützte. Auch in der BlackRaven kommen wieder schallführende Versteifungselemente zum Einsatz. Gerhard Hirt erklärt, dass die punktuell und sehr präzise eingesetzten Versteifungen (bei der Entwicklung kamen moderne Messverfahren wie Laser-Interferometrie zum Einsatz) nicht nur die Basswiedergabe, sondern auch das Schwingungsverhalten im Bereich von harmonischen Oberwellen optimieren sollen.
Die verbauten Treiber kommen wieder von Thiel & Partner aus Pulheim. Für den Tiefmittelton-Bereich sind zwei 17-cm-Keramikkonusse zuständig. Sie sind anders platziert und auch anders beschaltet als die optisch ähnlichen Chassis in der Seagull. Die BlackRaven ist ein Zweieinhalbwege-Lautsprecher. Nur der obere Treiber verarbeitet das gesamte Spektrum von 35 Hertz (−3 dB) bis zum Einsatz des Tweeters. Der untere Konus wird via Frequenzweiche von der obersten Oktave befreit. Das, und die Position in Bodennähe, unterstützen eine saubere und kräftige Basswiedergabe. Die Keramikmembran des Hochtöners aus Accutons Cell-Baureihe hat einen Durchmesser von 30 Millimetern, was ihr eine vergleichsweise niedrige untere Grenzfrequenz verleiht – günstig für die Integration in ein Zweieinhalbwege-System ohne echten Mitteltöner.
Die Frequenzweiche arbeitet mit flachen 6-dB-Filtern und es kommen hochwertige Bauteile aus dem Sortiment des Spezialisten Mundorf zum Einsatz – viel mehr ist Gerhard Hirt zu diesem Thema nicht zu entlocken, denn die Weiche ist eine der Stellen, an der man bei Ayon mit nicht publizierbaren Tricks arbeitet. Am Ende steht dann ein Wirkungsgrad, der angesichts der doch so konventionell erscheinenden Bassreflex-Bauweise kaum ernst gemeint sein kann. Tatsächlich aber sind die angegebenen 92 dB/W/m nicht nur eine attraktive Zahl auf dem Papier. An den Silbatone-Vollverstärker angeschlossen, legte die BlackRaven um so vieles lauter und spritziger los als der auch nicht eben schwerfällige Vorgänger Seagull/c, dass dem Autor Hören und Sehen verging. Herr Hirt, was ist da los?
Der Ayon-Chef verweist auf die Produktpalette der Marke. Man baue eben auch selbst Röhrenverstärker. So seien die Ayon-Entwickler bestens vertraut mit den Wechselwirkungen zwischen dynamischen Treibern und Übertragern. Bei der Konzeption der Nachfolgebaureihe für die erste Generation keramikbestückter Boxen wurde deswegen zuerst ein Entwicklungsauftrag an Thiel & Partner vergeben, um eigens für Ayon den höchstmöglichen Wirkungsgrad aus ihren Treibern herauszukitzeln. Dann die Gehäuse: Allein durch die genannten Optimierungen im Aufbau, die Wahl von Hölzern, Leim, Lack und Wandstärke sowie die interne Schallführung sollen die edlen Behausungen den hochgezüchteten Keramiktreibern nochmals einen 1-dB-Boost verleihen. Auch die leicht anzutreibende Frequenzweiche ist Teil des Konzepts. Das – da muss man den Hut ziehen – voll und ganz aufgegangen ist.
Die Ayon BlackRaven setzen auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Seagull/c noch eins drauf. Sie spielen geradezu aufreizend locker, reagieren grob- wie feindynamisch blitzartig und involvieren dadurch den Zuhörer unmittelbar ins Geschehen. Die Frequenzweiche ist offenbar eine echte Meisterleistung, denn in puncto Rundstrahlverhalten verhalten sich die Boxen lehrbuchmäßig. Selbst wer deutlch außerhalb der Stereomitte sitzt, bekommt mehr als nur eine Ahnung vom dreidimensionalen Geschehen präsentiert.
Tonal gehen die BlackRaven den Weg makelloser Neutralität. Wollte man irgendeine Tendenz feststellen, dann wäre das ein feiner Eindruck von Wärme – allerdings nur in dem Maße, dass dem Empfinden eines allzu cleanen Monitorsounds vorgebeugt wird. Ansonsten sind die Schwarzen Raben wie schon die Seagulls Lautsprecher, mit denen man Flöhe husten hört. Der angenehm weich agierende Cell-Hochtöner scheint in Sachen Auflösung keine Grenzen zu kennen.
In der Disziplin Klangablösung, in der meine Seagulls brillieren, geben sich die Nachfolger auch keine Blöße. Beide Boxen beherrschen das Verschwinden, aber die BlackRaven geben den frei schwebenden Klängen mehr, wie soll ich das ausdrücken … Aura? Es scheint, als würde der Mikro-Raum etwa rund um eine Stimme oder ein Instrument präziser als eigenständige Information abgebildet. Davon profitiert die Darstellung der Raumtiefe enorm. Im Endergebnis kann das zu regelrecht hautnah empfundenem Kontakt mit der Musik führen.
Im Bass sind die BlackRaven typisch Ayon: schnell, tief, schlank. Genau die Art Bass, die ich mag, und perfekt passend für meinen 20 Quadratmeter großen und drei Meter hohen Hörraum. Einmal drückte ich bei einem Titel des Soundtracks zur Piraten-Sause Fluch der Karibik auf „Play“, der sich dann als Remix des Titelthemas mit amtlichen Club-Bässen entpuppte. Da zu dem Zeitpunkt die 320 Watt leistende Transistorendstufe Lumin Amp als Antrieb diente, kamen die Impulse so humorlos und trocken, als hätte Ayon veritable Papp-Achtzehnzöller in den schlanken Gehäusen versteckt. Party können sie also auch.
Sie können aber auch nerven. Ein lieber Freund brachte Gourmet-Vinyl vorbei, Halfspeed-gemasterte, einseitig (!) gepresste LPs aus der Reihe „Signoricci Vinyl“ von fonè records. Der schon legendäre Geiger Salvatore Accardo spielt hier Tangos von Astor Piazzolla. Der Tontechniker meinte es sehr gut mit dem Maestro und platzierte die Mikrofone so nah an der Violine, dass den sensiblen Membranen auch wirklich kein Kolophoniumstäubchen entging. Da zeigten die Thiel-Chassis ihren Monitorcharakter und enthüllten die Aufnahme als audiophiles Spektakel, das man eher nicht zum wohltemperierten Glas Barolo nach einem langen Arbeitstag auflegen möchte.
Die Ayon BlackRaven sind Lautsprecher ganz nach meinem Gusto. Sie spielten an der 320-Watt-Endstufe wie an der 8-Watt-Triode nicht bloß überzeugend – sie ließen nicht den leisesten Zweifel zu, dass man im jeweiligen Moment 100 Prozent der Leistung des jeweiligen Verstärkers (und natürlich der angeschlossenen Quellen) präsentiert bekam. Dass dieses Ergebnis zustande kommt, ohne dass tonnenschwere Aluminiumblöcke gefräst, unbezahlbare Treiber konstruiert, womöglich gar energetisch quantenbeschleunigte Wundermittel eingesetzt werden müssten – das macht die schlanken Österreicherinnen umso sympathischer. Ich hab mich wohl schon wieder in eine Ayon verliebt. A Wahnsinn.
Wir meinen
Mehr als nur ein Update: Ayons kleinster Lautsprecher ist ein High-End-Juwel. Dabei begeistert die kompakte Standbox mit einem seltenen Talent: Sie lässt Röhren singen.
Info
Standlautsprecher Ayon BlackRaven
Konzept: dynamischer 2,5-Wege-Standlautsprecher, passiv
Bestückung: Accuton-Cell-Hochtöner (30-mm-Keramikmembran), 2 x Accuton-Tiefmitteltöner (173-mm-Keramikmembran)
Frequenzbereich: 35 Hz bis 30 kHz
Impedanz: 4 dB
Wirkungsgrad: 92 dB
Besonderheit: Schalter für Anpassung der Weichencharakteristik an Röhrenverstärker
Ausführungen: Holzfurniere Walnuss, Tineo, Etimo; weitere auf Anfrage
Maße (B/H/T): 25/111/23 cm
Gewicht: 35 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: um 14 000 €
Kontakt
Ayon Audio
Hart 18
8101 Gratkorn
Österreich
Telefon +43 3124 24954