In Luxus baden
Dieser unscheinbare Vorverstärker beherrscht alle Facetten des High-End-Audio von pur bis opulent, die passende Endstufe will nur „ausreichend Leistung“ liefern – Understatement made in Germany!
Nacktheit kann aufregend sein. Luxus auch. Erstaunlicherweise lässt sich beides in der High-End-Szene ganz gut miteinander verbinden, oft genug sogar in einem einzigen Gerät. Bei AVM etwa führen „nackt“ und „luxuriös“ ohne jeden Umweg zu ein und demselben Produkt: zum Vorverstärker Ovation PA8.
Wobei der Begriff „Vorverstärker“ zwar die Funktion innerhalb eines HiFi-Systems beschreibt, jedoch nicht die schier unglaubliche Vielfalt, die hinter seiner perfekt verarbeiteten, scheinbar schraubenlosen Hülle steckt. Würde er auf Knopfdruck auch noch die Farbe wechseln, müsste er Chamäleon heißen. So aber tarnt sich dieser grandiose Verwandlungskünstler als schlichte High-End-Komponente. Das einzige, was Sie im Falle einer Bestellung wissen sollten, ist, ob Sie ihn lieber in Schwarz, in Aluminium oder in Chrom haben möchten. Alles andere, was die Einbindung in Ihr Musiksystem betrifft – und ich meine wirklich alles! –, lässt sich zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt anpassen.
In puncto Technik ist der PA8 tatsächlich ein Chamäleon. Mit ihm ist so gut wie alles denkbar – und auch problemlos realisierbar. Auf seiner Rückseite ist genug Platz für verschiedenste Einschübe; der PA8 ist ein High-End-Mainframe, das nach Bedarf erweitert wird. Oder eben nicht, das liegt ganz bei Ihnen. Zur Veranschaulichung ein paar Beispiele.
Sie sind Purist und lieben es möglichst schlicht, Musik kommt bei Ihnen von einer einzigen Quelle? Bestellen Sie den Ovation PA8 in der Basisversion: mit einem Line-Eingang und einem Ausgang, jeweils unsymmetrisch und symmetrisch ausgeführt.
Sie verwalten zwei Handvoll Digitalquellen? Eine einzige Digitalkarte bietet schon drei digitale Eingänge und zwei Ausgänge, höchstwertiger DAC inklusive. Sie wollen dem persönlichen Geschmack ein wenig auf die Sprünge helfen? In Kürze stellt AVM das neue Klangregler-Modul vor …
Zugegeben, da sind ein paar extreme Beispiele dabei. Und doch sind sie, trotz aller Opulenz und Komplexität, für jeden Benutzer eine superbequeme Sache. Denn der PA8 und seine Steckkarten-Module kommunizieren miteinander, schütteln sich quasi bei jedem Einschalten die elektronischen Hände und tauschen sich untereinander aus – im wahrsten Sinne des Wortes: Jedes einzelne Modul trägt die notwendige Software für sich selbst, für alle anderen Module und für das Mainframe in sich. Kommt ein neues Modul hinzu, bringt es automatisch alle anderen und auch das Mutterschiff Ovation PA8 auf den allerneuesten Stand. Genial.
Bei all diesen faszinierenden Optionen sollte man nie vergessen, dass es sich auch bei diesem modularen Vorverstärker um eine High-End-Maschine reinsten Wassers handelt. Dafür stehen nicht zuletzt Günther Mania und Udo Besser gerade. Sowohl Chefentwickler als auch Inhaber des deutschen Traditionsunternehmens AVM kennen die Anforderungen und Spitzfindigkeiten der High-End-Szene aus dem Effeff. Und davon profitieren die AVM-Kunden: Einen wie auch immer bestückten PA8 schaltet der Besitzer ein, bekommt zum Einstieg via Display den aktuellen Stand der Dinge serviert – insbesondere die Darstellung der „Aufwärmphase“ der optionalen und sehr empfehlenswerten Röhrenstufe ist amüsant – und schon kann’s losgehen.
Gut, wenn dann, wie im konkreten Fall, ein Leistungslieferant wie die Ovation SA8.2 zur Verfügung steht. AVM betreibt natürlich ziemliches Understatement, wenn sie diesem massiven Klotz von Endstufe „ausreichend Leistung“ und „ausreichend Dämpfungsfaktor“ für „jede Last“ zuschreibt. Um das zu erreichen, beschäftigt die in komplettem Doppelmono aufgebaute Stereo-Endstufe nicht nur zwei dicke Ringkerntrafos à 1000 VA, zwei Netzteile à 200 000 µF und zwomal zwölf FETs pro Kanal (also insgesamt 48 Stück, natürlich streng selektiert und abgeglichen), sondern auch völlig separate Spannungsversorgungen für die Eingangsstufen, für die zehnfach überdimensionierten Treiberstufen und für die Steuerelektronik. Dass die SA8.2 bis in den letzten Winkel fantastisch gut verarbeitet ist, dürfte sowieso klar sein. Auch das rundherum sechs Millimeter starke, aufwendig verzapfte Gehäuse – auch hier ohne sichtbare Schrauben – sowie die extradicke Frontplatte entsprechen den Vorgaben des Vorverstärkers.
In der Praxis verhält sich die außerordentlich starke SA8.2 nicht nur mustergültig, sondern herausragend neutral. Und sie kann noch weit, weit über die versprochenen Daten hinaus „liefern“. Woher ich das weiß? Nun, ihr Display zeigt – auf Knopfdruck anwählbar – nicht nur einen im Takt der Musik zuckenden Balken, sondern auch die momentane Leistungsabgabe. Das spielt beim genussvollen Musikhören natürlich keine Rolle, ja das Display lenkt dann eigentlich eher ab von der Musik. Trotzdem fühle ich mich zwischendurch herausgefordert, hier und da die Grenzen auszuloten und mal zu schauen, „was so geht“ mit der SA8.2 und ihren jeweiligen Spielpartnern am anderen Ende des Lautsprecherkabels.
Um es kurz zu machen: Ich habe keinen einzigen Lautsprecher zur Hand, der die SA8.2 auch nur ansatzweise in Verlegenheit bringen würde. Ganz im Gegenteil: Die Endstufe spielt derart lässig und konzentriert zugleich, lässt dabei gelegentlich sogar einen Hauch sanfte Gewalt durchblicken, dass einige Lautsprecher-Kandidaten, beispielsweise meine Stereofone Dura oder auch die weithin unterschätzte KEF LS50, fast schon überraschend „stramm“ zur Sache kommen – im Sinne von sportlich und muskulös und sehr, sehr eifrig, aber glücklicherweise nicht stocksteif oder gar wie unter Zwang. Das wäre auch definitiv nicht im Sinne von AVM. Denn die klangliche Signatur von SA8.2, aber auch des PA8, der hier stets die Signale anliefert, ist kraftvoll und klangfarbenstark, aber keinesfalls dominant. Die beiden Top-Produkte der deutschen Manufaktur sollen sich erklärtermaßen aus dem Geschehen heraushalten und idealerweise „so tun, als wären sie gar nicht da“. Das trifft den Nagel absolut auf den Kopf, genau das gelingt ihnen dann auch: akustisch unsichtbar sein. Darüber hinaus finde ich es aber auch sehr sympathisch, dass die beiden AVMs bei aller Durchhörbarkeit und einer ausgesprochen klaren, weiträumigen und extrem gut strukturierten Darstellung des Bühnengeschehens niemals einer überanalytischen Klangidee nachlaufen. Atmosphärische Details bis in die feinsten Verästelungen? Ja, klar, die räumliche Präsentation ist überwältigend groß und „echt“. Gleichwohl und zum Glück wirken Instrumente und Stimmen dabei stets wie geerdet, verlieren nie die Bodenhaftung. Und apropos Boden: Jeder abgebildete Raum einer Aufnahme, ob nun „live eingefangen“ oder im Studio elektronisch konstruiert, besitzt mit der AVM-Kombi nicht nur Luft und Raum zum Atmen, sondern eben auch einen festen Boden, auf dem sich als Zuhörer unbeschwert herumspazieren und die Musik erkunden lässt – zumindest virtuell. Dass in der Hinterhand immer diese schier endlose, zupackbereite Kraft zur Verfügung steht, steigert das prickelnde Vergnügen noch.
Dennoch ist es immer mal wieder erfrischend zu sehen, dass wirkungsgradstarke Lautsprecher – etwa die Genuin Gate-1 oder gar die Dynavox Imperial – schon sehr deutlich unterhalb von zehn Watt beachtliche (bis fast schon bedrohliche) Pegel produzieren, während am anderen Ende der Genügsamkeit sich beispielsweise eine KEF LS 50 locker auch mal hundert, zweihundert Watt genehmigt, dann aber auch ordentlich mit den kleinen Membranen wedelt und – ebenfalls gerne zugegeben – zu einer weit mehr als beachtlichen „Grundversorgung“ in der Lage ist. Voll in die gut klingenden Ovation-Karten von AVM spielt in diesem Zusammenhang hinein, dass die Endstufe einen großzügig dimensionierten Bereich in geschmeidigem Class-A-Betrieb absolviert. Eine feine Sache.
Insbesondere an der Manger MSS p1 scheint sich die AVM-Kombi – den klanglichen Anteil des exzellenten Vorverstärkers wollen wir bitte nicht vergessen – extrem wohlzufühlen. Die im allerbesten Sinne professionelle Durchlässigkeit dieser einzigartigen Schallwandler zeigt überdeutlich die Qualitäten der Super-Kombi aus Malsch. Mit ihnen legt das passive, überaus anspruchsvolle Manger-System mit ungeahnter Größe, Gestaltungskraft und auch verblüffendem Durchsetzungsvermögen los. Und spätestens jetzt bin ich geneigt, einen Toast auszugeben auf die in der Tat „ausreichende“ Leistung der SA8.2.
Viel mehr High-End-Feeling geht nicht: Das ultraflexible Mainframe-Konzept des PA8 erfüllt jeden Wunsch in puncto Ausstattung, von Askese bis Luxus. Zugleich geleitet die unbeugsame, superflinke SA8.2 jeden nur vorstellbaren Schallwandler zu seinem neuen Glück. In beiden Fällen scheint die technische und auch klangliche Grenze der Machbarkeit erreicht. Und in keinem HiFi-System, das sich der Autor gerade noch vorstellen kann, wird je einer dieser vorzüglichen AVM-Wunderwerke der limitierende Faktor sein. Grandios und – jawohl – jeden Euro wert!
AVM Ovation PA8
Modularer Vorverstärker
Grundausstattung: 1 x Line in symmetrisch/unsymmetrisch (XLR/Cinch), 1 x Line out symmetrisch/unsymmetrisch (XLR/Cinch), Fernbedienung
Optionen: beliebig auf- und nachrüstbar mit max. 8 Eingangsmodulen und max. 2 Ausgangsmodulen; automatische Erkennung und Installation
Module: Röhrenausgangsstufe symmetrisch/unsymmetrisch (Röhrenbestückung: AVM 803T von JJ)∏ Digital-Steckkarte mit 3 x digital in (S/PDIF coaxial/AES-EBU/TosLink) und 2 x digital out (coaxial/TosLink), Phono MC/MM (Eingangsempfindlichkeiten und Kapazitäten einstellbar), UKW-Tunerkarte, Klangregelnetzwerk
Ausführungen: Alu schwarz oder natur, Chrom; Knöpfe verchromt oder vergoldet
Gewicht: ca. 14 kg
Maße (B/H/T): 43,5/13,5/38 cm
Garantiezeit: 3 Jahre, auch auf Röhren
AVM Ovation SA8.2
Stereo-Endstufe
Leistung (8/4/2Ω): 2 x 250/500/750 W
Ausführungen: Alu schwarz oder natur, Chrom; Knöpfe verchromt oder vergoldet
Gewicht: 42 kg
Maße (B/H/T): 43/25/42 cm
Garantiezeit: 3 Jahre