AVM Ovation CS 8.3 – Eins mit allem
Wenn man, so wie bei AVM, weiß, wie es geht, dann ist Integration der Königsweg.
Als All-in-one-Geräte noch Receiver hießen, landete AVM mit dem Erstling in dieser Gerätegattung einen sauberen Flop. „Maßlos erfolglos“ sei der vor rund 20 Jahren vorgestellte R1 gewesen, erzählt AVM-Chef Udo Besser. Er war erst 2010 von Burmester zu AVM gewechselt und hatte die Pioniertaten der Firmengründer seinerzeit aus der Entfernung beobachtet. Die Zeit war eben noch nicht reif für Integration, der ambitionierte Audiophile wollte Geräte stapeln. Auch die Nachfolger des R1 hatten es schwer − aber immerhin gab es Nachfolger, und am Ende eroberte sich AVM doch Schritt für Schritt ein Marktsegment, in dem die High-End-Manufaktur heute faktisch allein auf weiter Flur steht. Rückblickend erkennt Besser die einst unter „ernsthaften“ Highendern verpönten Pioniere der integrierten Anlagen wie Bang & Olufsen oder Bose als echte Visionäre. Während das elitäre Grüppchen der Klanggourmets noch die Nase rümpfte, hatten die clever konstruierten Geräte aus Dänemark und den USA dort Erfolg, wo es wirklich zählt: in den Wohnzimmern.
Dann begannen Internet, kabellose Netzwerktechnik und Streaming die HiFi-Welt umzukrempeln. Den Highendern alter Schule bot sich plötzlich eine gigantische neue Spielwiese. Sie konnten nicht mehr nur Vollformat-Komponenten stapeln, sondern rundherum auch noch Unmengen spezialisierter Kästchen für Netzwerk-Distribution, Streaming, D/A-Wandlung und die unvermeidliche Entstörung des selbstverursachten elektromagnetischen Ungemachs arrangieren. Und wie viele neue Möglichkeiten der Verkabelung sich da boten! Leider hatte der digitale Paradigmenwechsel aber eins nicht verändert: Das Wohnzimmer blieb das Wohnzimmer.
Mit dem Streaming-Receiver Ovation CS 8.3, dem aktuellen Flaggschiff dieser Kategorie, hat AVM nun einen genuin highendigen Boliden in petto, der die audiophilen Familienmitglieder mit jenen versöhnen möchte, die, nun ja – einfach schön wohnen wollen. Allein der Anblick des dickwandigen Aluminiumgehäuses erteilt jedem Anflug eines Minderwertigkeitskomplexes („Hat’s nur zum Receiver gereicht?“) eine klare Absage. Wer den nachhaltigen Beweis braucht, dass er es mit waschechtem High End zu tun hat, dreht den hochglanzpolierten Quellenwahlknopf einige satt klackende Rasten nach rechts und nach links, legt eine Viertelumdrehung mit dem feiner gerasteten Volume-Drehgeber nach − und kann dann gar nicht mehr anders als einen wohligen Schauer zu spüren: Genau so muss sich das anfühlen.
Dem CS 8.3 fehlt es an nichts. Fast nichts. Einen Phonoeingang sucht man vergebens. Der wäre, heißt es, angesichts der vorhandenen hochfrequenten Class-D-, Bluetooth- und WLAN-Technik schlicht nicht störungsfrei zu implementieren. Vinylhörer müssen dem großen Integrierten einen externen Entzerrer zur Seite stellen. AVM hätte da aktuell zwei optisch ausgezeichnet passende Modelle im Angebot. Eine Anschlussmöglichkeit für den Phono-Pre ist natürlich vorhanden. Der CS 8.3 hat sogar zwei Hochpegel-Eingänge, einen in Cinch-Ausführung und den zweiten als symmetrischen XLR-Anschluss. Das hätte ich nun nicht erwartet. Vorbildlich.
Im Inneren ist der Aufbau modular (und dadurch upgradefähig) und preisklassengerecht anspruchsvoll. Als D/A-Wandler kommt ein ESS-Sabre-DAC mit Quad-Kern zum Einsatz, dank dem der Integrierte alle gängigen PCM- und DSD-Auflösungen akzeptiert. Die Vorstufensektion ist röhrenbestückt (das etwas günstigere Schwestermodell CS 6.3 setzt ausschließlich auf Transistoren), was durchaus klangästhetische Gründe hat, soll auf die Weise doch die explizit akkurat und neutral agierende Class-D-Endstufe aus dem dänischen Hause Pascal Audio einen zarten Röhrenschmelz aufgeprägt bekommen.
Wo so viele an einem Strang ziehen, wird es schwer, den Beitrag des Einzelnen zu würdigen. Weshalb ich für die ersten Höreindrücke die Verstärkersektion isoliere, indem ich am symmetrischen Line-Eingang meinen Electrocompaniet-CD-Player EMC 1 UP anschließe. Der Sampler Magic Moments 10 vom großartigen Münchner Jazz-Label ACT (dessen Sampler Sie eh grundsätzlich kaufen sollten, wenn Sie darüber stolpern), liefert perfekt produzierte und künstlerisch spannende musikalische Kost, mit deren Hilfe sich der Sound von AVMs Super-Integriertem bestens einordnen lässt. Das Ding hat Power, so viel steht fest. Das hier an vier Ohm zur Verfügung stehende halbe Kilowatt und der schraubstockartig wirkende Dämpfungsfaktor lassen hier keine Fragen offen und vollkommene Freiheit bei der Lautsprecherwahl. Sie haben noch aus Jugendzeiten ein Pärchen Infinity Kappa 9 im Keller stehen? Lassen Sie’s krachen! Diese Endstufensektion wird sich auch bei fehlkonstruierten Vintage-Schätzchen Respekt verschaffen und mit nichts, was der Markt dieser Tage anbietet, Schwierigkeiten haben.
Meine Ayons treibt der AVM erwartungsgemäß mühelos zu Höchstleistungen. Der Sound ist warm, voll, mit bestem Fluss, entwickelt dynamisch ordentlich Wucht und kann schon jetzt, „nur“ vom Analogausgang eines CD-Players beliefert, mit schön plastischer Raumabbildung überzeugen. Mein Kopf schaltet von „Arbeit“ auf „Genuss“ und ich lasse die Musik einfach laufen.
Ich dirigiere den CS 8.3 schon jetzt über die iPad-App. AVM bietet auch eine klassische Fernbedienung an, nicht nur um der alten Zeiten willen, sondern weil’s tatsächlich praktisch ist, für ein schnelles Mute nicht erst das Handy entsperren zu müssen. Oder während des Streamens nicht zwischen Apps umschalten zu müssen. Beim technisch gesehen sinnlosen Zuspiel via CD-Player kann ich natürlich nur die Lautstärke regeln. Als aber die ACT-CD ins eingebaute TEAC-Laufwerk des AVM wandert, poppt sofort der auf der Silberscheibe gespeicherte CD-Text auf dem iPad auf und informiert mich über CD-Namen, Titel und Interpreten. Sehr schön! Schade, dass die App es nicht ermöglicht, jetzt auch noch eine Liste der Titel anzuzeigen und diese direkt anzuwählen. Ist das überhaupt technisch machbar? Klasse wär’s auf jeden Fall.
Per Tidal-Stream oder aus den eineinhalb Terabyte meiner Musikbibliothek gefüttert, stellt der AVM ein ausgesprochen präzises, räumlich wie in Stein gemeißeltes akustisches Bild zwischen die Lautsprecher. Die Röhre bringt sich offenbar subtil ein, der Sound ist unverkennbar AVM, so wie ich ihn vor bald 30 Jahren kennengelernt habe, als die chromglänzenden Kombinationen aus Vorstufe und Monoblöcken (gern auch mal vier Stück für Bi-Amping) vorzugsweise Lautsprecher von Audio Physik zu dynamischen Heldentaten antrieben. Die Räumlichkeit ist hier wirklich eine Schau und muss sich nicht vor dem Leistungsvermögen klassischer Einzelkomponenten verstecken. Dabei ist der Sound herrlich rund und kohärent und lädt unwiderstehlich zu ausgedehntem Genusshören ein.
Auf die Bedien-App ist Udo Besser übrigens stolz. Mit Erich Böhm, Gründer des unweit von Regensburg angesiedelten Unternehmens Audivo, das hinter der Programmierung steht, verbindet ihn eine langjährige Freundschaft. Die App kommt schlicht, aber effizient daher, ohne Spielereien, ganz auf Übersichtlichkeit getrimmt. Der CS 8.3 hat zwar auch ein monochromes Matrixdisplay mit fünf Bedienknöpfen an der Front, aber das ist sozusagen die Notsteuerung. Die App bildet den Receiver mit all seinen Eingängen und digitalen Streamingfunktionen ab. Zugänge für Tidal, Qobuz und Spotify sind angelegt, ebenso für den Internetradio-Dienst Airable und den Berliner HD-Streamingdienst HighResAudio. Die im Hintergrund werkelnde mächtige X-Stream-Engine stellt außerdem Fähigkeiten für Multiroom und zur Einbindung in Hausautomationssysteme bereit. Gleichzeitig ist der CS 8.3 aber auch Roon-kompatibel, was insbesondere für erfahrenere Streaming-User, die ein Abo abgeschlossen haben und nicht umlernen wollen, ein kaufentscheidendes Kriterium sein kann.
Der Kopfhörerausgang (6,35-mm-Klinke) an der Front rundet die Ausstattungsvielfalt des großen Alleskönners perfekt ab. Bei Anschluss eines Hörers werden die Lautsprecherausgänge automatisch stumm geschaltet. Mit meinem Grado SR 80 konnte ich sicher nicht alle Feinheiten der integrierten Verstärkerschaltung erleben, aber dass es hier straff, klar, tendenziell schlank und präzise zugeht, war nicht zu überhören. Besitzer von audiophileren Kopfhörern als meines Cheap Trick werden, das traue ich mich zu versichern, nicht enttäuscht werden.
Und dann ist da noch AirPlay via Bluetooth. Wieder so ein geschmeidiges Erlebnis. Die Verbindung zu meinem iPhone ist ruckzuck hergestellt, und schon erklingt der geniale Belgier Stromae aus den Ayons, und das in durchaus verblüffender Qualität. AirPlay also – in einem High-End-Receiver für 13 000 Euro? Ja, unbedingt! Jeder Zugang zu einer Musikmaschine dieser Güte muss willkommen sein. Ich will ja nicht schon wieder das Wohnzimmer erwähnen – aber wenn auf die Weise die nächste Generation dazu animiert wird, die iPods aus den Ohren zu fieseln und Billie Eilish mal in Lebensgröße zwischen zwei richtigen Lautsprechern zu erleben, dann hat unser wunderbares Hobby eine echte Zukunft!
So, jetzt reicht’s. Dass der AVM CS 8.3 aus technischer wie aus audiophiler Sicht doch eigentlich die vernünftigste Art darstellt, familienkompatibel auf veritablem High-End-Niveau Musik zu erleben, dürfte jetzt wirklich jeder verstanden haben. Darum zum Schluss ein kleiner Exkurs. Wir sind ja unter uns. Das Gerät hat wählbare Digitalfilter. Nur zwei, aber immerhin! Sie heißen „smooth“ und „steep“. Spielen Sie mal damit. Ich habe den Streaming-Receiver außerdem auf drei Darkz-Füßchen des dänischen Zubehörspezialisten Ansuz gestellt. Das hat ganz charmant die Höhen geöffnet. Und als Netzleitung fand eine ausgeklügelte Netzstrippe ebenfalls aus dem Hause Ansuz Verwendung, deren Preis der oder die Lebensabschnittsgefährte/-gefährtin niemals erfahren darf. Auch hier ist einiges zu holen. Der AVM CS 8.3 ist dann eben doch auch ein dankbarer Spielgefährte.
Wir meinen
Ein herausragender Vertreter einer seltenen Gattung. AVMs vollintegrierte High-End-Lösung ist vorbehaltlos wohnzimmertauglich und erfreut auch anspruchsvollste Ohren.
Info
All-in-one-Musiksystem AVM Ovation CS 8.3
Konzept: Vollverstärker mit Streamer, CD-Player, Röhren-Vor- und Class D-Endstufe; modularer Aufbau für mögliche Upgrades oder spätere Nachrüstungen
Eingänge analog: 1 x Line In (Cinch), 1 x Line In (XLR)
Eingänge digital: 2 x S/PDIF Coax, 2 x S/PDIF optisch, 1 x USB A (Stick/HDD), 1 x USB B
Ausgänge analog: 1 x Pre Out (Cinch), 1 x Line Out Festpegel (Cinch), 1 x Kopfhörer (6,35-mm-Klinke) 1 x Lautsprecher (Schraubklemmen)
Ausgänge digital: 1 x S/PDIF Coax, 1 x S/PDIF optisch
Bluetooth: aptX HD (Bluetooth 4.2 Standard)
Netzwerk: Ethernet (10/100 Mbps), WiFi (802.11a/b/g/n/ac) 2.4/5 GHz
Ausgangsleistung (4 Ω): 2 x 500 W
Besonderheiten: Klangregelung, Multiroom, Webradio, wählbare Digitalfilter, Steuerung über App, programmierbare IR-Fernbedienung RC 9 optional (395 €)
Ausführungen: Aluminium silber, Aluminium schwarz, Crystal (gegen Aufpreis)
Maße (B/H/T): 43/13/36 cm
Gewicht: 13 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 12 990 €
Kontakt
AVM Audio Video Manufaktur GmbH
Daimlerstraße 8
76316 Malsch
Telefon +49 7246 309910
Mitspieler
Plattenspieler: bauer audio dps 3
Tonarm: bauer audio Tonarm
Tonabnehmer: Lyra Kleos
Phonovorverstärker: bauer audio Phono
CD-Player: Electrocompaniet EMC 1 UP
Musikserver: Innuos Zenith Mk III
D/A-Wandler: Aqua La Voce S3
Mobilplayer: iPhone 6s
Vorverstärker: Silvercore linestage two
Endverstärker: Jeff Rowland Model 2
Lautsprecher: Ayon Seagull/c
Kopfhörer: Grado SR 80
Kabel: Fadel Art, Sun Audio, TMR, HMS, Phonosophie, ViaBlue, Ansuz
Zubehör: Selbstbau-Rack, Ansuz Darkz