Aurender W20 – Der Supertanker
Der W20 vom Server-Spezialisten Aurender, dessen Flotte er als Flaggschiff anführt, ist ein Supertanker unter den Musikservern. Er will den digitalisierten Musikenthusiasten mit jeder Menge Wohlklangfracht versorgen – ohne Kompromisse.
Aus dem Hightech-Land Südkorea, das der Welt schon sehr viel moderne Wunder beschert hat, kommen sie, die Server von Aurender. Die umtriebigen Ingenieure sind seit 2011 am Start, um die digitalaffinen Highender unserer wunderbunten Audiowelt mit „Musikwiedergebern“ − das bedeutet „Aurender“ − zu versorgen. Das Produktportfolio des Unternehmens, das inzwischen unter eigenem Namen firmiert, gleichwohl immer noch als Entwicklungs- und Denkfabrik des Broadcastriesen TVLogic fungiert, ist in den letzten Jahren angewachsen: Es hat für verschiedene Ansprüche und Geldbeutelgrößen hochinteressante, stets sorgfältig konzipierte und gefertigte Geräte im Angebot. Unser heutiger Prüfling, der W20, hatte sein Debüt auf internationalem Parkett bereits 2013, ist aber auch 2019 noch Flaggschiff der Aurender-Flotte. Grund genug, den rund 20 Kilogramm schweren und fast 19 000 Euro teuren Boliden ins zwar nicht smarte, doch sehr aufs Digitale eingestellte musikalische Heimnetzwerk einzuladen und seine Erhabenheit in Augen- und Ohrenschein zu nehmen.
Größer, schwerer, mächtiger, Aurender
Der W20 ist ein eindrucksvoller Brocken Hightech. In der zum Test vorliegenden schwarzen Ausführung – es gibt ihn auch in gefälligerem Silber – verkörpert er jenes unerschütterlich-selbstsichere Understatement, wie es einigen HiFi-Geräten der Edelklasse zu eigen ist. Das dickwandige Gehäuse, das verspiegelte, hochauflösende AMOLED-Display, die mächtigen Kühlelemente an den Gehäuseseiten, das rückwärtige Anschlusspanel – hier präsentiert sich ein sorgfältig gefertigter, megasolider Server, der seinen stolzen Preis vollumfänglich wert sein will. Aber das ist erst der Anfang. Es wird noch spannender, sobald wir uns, nach Abheben der zyklopendaumendicken oberen Gehäuseplatte, den inneren Werten des Koreaners widmen: Als Musikspeicher dienen dem W20 zwei jeweils sechs Terabyte große Festplatten – wir haben es also mit einer Gesamtkapazität von 12 Terabyte zu tun. Auch Musikfans, die ihre Sammlung ausschließlich aus Alben in mindestens 24-bit/96-kHz-Auflösung zusammenstellen, sollten damit fürs Erste, vielleicht auch für ihr Musikhörer-Leben, klarkommen. Die beiden von einer massiven Aluplatte behüteten Festplatten sind gekapselt und ruhen zur Minimierung von Vibrationen auf Gummidämpfungen. Bei der Musikwiedergabe bleiben die Festplatten mucksmäuschenstill, denn der abzuspielende Musiktitel wird in einen SSD-Cache geladen und gelangt von dort an die Digitalausgänge/Schnittstellen und an den externen Wandler – über einen eingebauten Wandler verfügt der W20 nämlich nicht. Der SSD-Arbeitsspeicher ist mit 240 Gigabyte üppig dimensioniert, gleichwohl besteht die Möglichkeit, einen noch größeren Speicher zu ordern.
Ein entscheidender Mehrkostenfaktor bei der Herstellung des W20 ist gleichwohl nicht das eindrucksvolle Speichervolumen. Entscheidender ist da die verschwenderisch aufwendige, in dieser Machart wohl konkurrenzlose Stromversorgung des Audioboards. Hier setzen die Aurender-Ingenieure nicht auf ein Schaltnetzteil, sondern ein spezielles Akkunetzteil, das sich aus drei Reihen LiFeP04-Akkus (die Abkürzung „LiFeP“ steht international für „Lithium-Eisen-Phosphat“) zusammensetzt. Die wirken arbeitsteilig zusammen: Grundsätzlich wird von zwei Reihen eine immer geladen, während die andere das Board während das Betriebs mit Energie versorgt. Die dritte Akkubank ist für den Havariefall, also das Horrorszenario Stromausfall vorgesehen: Kommt es zur Unterbrechung der Netzstromversorgung, fährt der W20 sanft und sicher herunter. Datenverluste aufgrund eines Festplattencrashs sind so schwerlich vorstellbar. Grundsätzlich soll diese netzwerkunabhängige Stromversorgung Wohlklangstörungen aus der Dose vom Analogboard fernhalten.
Das Computermainboard, welches wie das Audioboard nicht aus den Regalen der Rechner-Zulieferer sondern aus der TVLogic-Entwicklung und -Fertigung stammt, wird ebenso wie die beiden Monster-Festplatten von einem üppig dimensionierten Schaltnetzteil versorgt. Fette Aluminiumplatten sorgen für die Schirmung, um Störeinflüsse aufs Audioboard so weit wie möglich auszuschließen. So langsam wird auch klar, dass die drei Akkubänke sowie die massiven interenen Sicherheitsbegrenzungen erheblich zum Kampfgewicht des W20 beitragen.
Essenziell-professionell
Befassen wir uns noch näher mit der Technik, die im W20 für optimale Signale sorgen soll. Selbstverständlich wissen die Aurender-Macher, dass eine Taktung höchster Präzision zu den Essentials digitalen Audios gehört. Folgerichtig ist der Taktungsaufwand, den sie für den W20 getrieben haben, besonders hoch. Im Gerät werkeln beheizte Quarzoszillatoren, auf Englisch „Oven Controlled Crystal Oscillator“ (OCXO), die über frei programmierbare F(ield) P(rogrammable) G(ate) A(rrays) gesteuert werden und an den Digitalausgängen jitterfreie Digitalsignale ausgeben sollen. Damit wäre eigentlich schon genug getan – andere Hersteller würden hier das eigene Pflichtenheft schließen, doch Aurender geht noch weiter, indem sie einen Wordclock-Anschluss offerieren. Über die BNC-Buchse lässt sich also eine externe Wordclock als Taktgeber anschließen, die das von uns so innig gehasste Taktzittern, den Jitter, völlig ausmerzen soll. Ob eine externe Clock wirklich so viel mehr bringt als die interne W20-Taktung, sei mal dahingestellt. Dass die Anschlussmöglichkeit besteht, ist zu begrüßen und spricht für die an Profistandards orientierte Konzeption des Servers.
Dazu passt auch die für ein HiFi-Gerät ungewöhnliche Ausstattung mit Digitalschnittstellen: So gibt es zweimal elektrische S/PDIF-Ausgänge in Form von RCA- und BNC-Buchsen, womit der W20 sowohl die Consumer- als auch die Pro-Variante anbietet. Einen optischen Ausgang gibt es ebenfalls, besonders bemerkenswert aber ist das Vorliegen zweiter AES/EBU-Ausgänge. Wozu, fragt der aufmerksame Leser und bekommt zur Antwort: Der Server beherrscht den sogenannten Dual-Wire-Betrieb, wobei das AES-Signal in den linken und rechten Kanal aufgesplittet wird und getrennt, an zwei dezidierten Ausgängen, ausgespielt wird. Das funktioniert allerdings nur bei Abtastraten ab 96 Kilohertz und erfordert selbstverständlich einen entsprechenden Wandler, wie es sie im Studio-Bereich häufiger gibt. Ob Dual-Wire hörbar besser klingt als Single-Wire, gehört zu den großen Glaubensfragen unter Tonprofis. Selbstverständlich hat der Aurender auch den gängigeren Single-Wire-Betrieb drauf, sodass niemand seinen geliebten Wandler austauschen muss.
Wie es sich heutzutage gehört, verfügt der W20 außerdem über eine für Audiosignale optimierte USB-Schnittstelle. Die ist auf geringstmögliche Störanfälligkeit optimiert und soll im Gegensatz zu den Rechner-Ports ein Musterbeispiel an Elektroschmutzfreiheit sein. Prima ist jedenfalls, dass sich über die Aurender App – dazu gleich mehr – die USB-Stromversorgung optional abschalten lässt: Wer einen USB-DAC mit eigener Stromversorgung besitzt, kann so potenzielle Störenfriede der Leitung verweisen. Selbstverständlich wird der USB-DAC im asynchronen Modus bedient, der Aurender-Aufwand in puncto Jitter-Eliminierung ist indes in dieser Betriebsart zweitrangig, denn asynchrone Wandler generieren ihren eigenen Takt, das Signal wird stets reclockt. Da der W20 aber mit den allerbesten Wandlern zusammenarbeiten soll und kann, ist seine aufwendige OCXO-Clock sinnvoll implementiert.
An Digitalformaten beherrscht der W20 alles, was gängig ist, einschließlich DSD 64 und 128 sowie neuerdings MQA. Den notwendigen Decoder gibt es via Software-Update auch für ältere W20, um einen entsprechend befähigten Wandler kommt der Anwender nicht herum. Der Kurztest mit dem jetzt auch MQA-fähigen AudioQuest Dragonfly Red bestätigt, dass MQA, über dessen Sinn und Unsinn in diesem Rahmen nichts weiter gesagt werden soll, funktioniert.
Via USB ist wandlerabhängig auch die Wiedergabe von Quellmaterial bis 384 Kilohertz möglich. Allerdings benötigen entsprechende Wandler meist dezidierte Treiber, das Aufspielen von diesen Dienstprogrammen gestattet der W20 aber nicht. Da das Betriebssystem Linux-basiert ist, darf jedoch Entwarnung gegeben werden: Was auf einem Mac läuft, funktioniert dank vergleichbarem Ubuntu-Unterbau auch problemlos mit dem W20. So läuft mein Mutec MC-3+USB, der 352-KHz-fähig ist, gleich mit Einstöpseln des USB-Kabels – fein.
Auch bei Aurender ist ohne App nichts los
Kommen wir zur Bedienung des W20. Auch wenn es nicht jedem passt: Aktuelle Musikserver benötigen ein mobiles Endgerät und eine Steuersoftware. Die Aurender-App ist kostenlos, in der iOS-Version inzwischen sehr ausgereift und durchaus komfortabel. Seit kurzem existiert auch eine Android-Version, die noch nicht ganz auf dem Niveau des Schwesterprogramms arbeitet, aber grundsätzlich zufriedenstellend ist. Wer einen jungfräulichen W20 spielbereit machen, also mit Musik füttern will, braucht die App zwingend. Nur sie verrät dem Benutzer Benutzername und Passwort für den Zugang, sodass der Datenspeicher via Netzwerk und Drag & Drop mit Dateien versorgt werden kann. Einmal eingerichtet, wird das Musikhören zu einer angenehme Angelegenheit – wenn der Anwender damit leben kann, dass ein Album oder ein Einzeltitel immer als Playlist angelegt werden muss. Das ergibt sich zwingend aus der beschriebenen Funktionsweise des W20, ist gleichwohl zumindest nicht nach meinem LP-/CD-Hörer-Geschmack. Aber am Ende ist alles nur Gewohnheitssache, und nun ist es Zeit, dem Boliden zuzuhören. Denn wir wollen doch wissen, ob er tatsächlich um ein Vielfaches besser als andere Lösungen und Mitbewerber klingt.
Tanz ums Mehrklang-Kälbchen
Als Mac-User mag ich den Aurender, denn meine Referenz-Kombi, bestehend aus Mutec MC-3+USB mit Mytek Digital Stereo192-DSD DAC, funktioniert auf Anhieb. Gleich zuerst ist Peter Gabriel dran: Als er zusammen mit seiner kongenialen Sangespartnerin Kate Bush die zauberhafte Ballade „Don’t Give Up“ intoniert, beginne ich schon mal mit dem Dahinschmelzen. Denn wenn die Sängerin mit der eigentümlich hohen Stimme ihre Zeilen singt, klingt das bereits so ohrenschmeichelnd-wundersam, dass ich spontan ausrufe: „Der ganze Aufwand lohnt eben doch!“ Ich schalte um auf „Lenny“, Stevie Ray Vaughans unsterbliches Instrumental, das in DSD-128-Version an die Wandler geht, und höre mir die Anfangstakte gleich dreimal an. Kann eine Mapleneck-Strat besser klingen? Kaum. Der nativ-DSD-fähige Mytek darf erst mal allein ran, und schon das klingt immer noch sehr gut. Bisher lief alles via USB, nun soll der W20 auch einmal seine Kompetenz als Taktgeber beweisen: Der Mytek bekommt ein AES-Signal, auf das sich der Wandler synchronisiert. Wieder ist sind es Gabriel/Bush, die singen, und meine Ohren werden immer länger … Das ist eine exzellente Darbietung, die, wenn überhaupt, nur einige Flimmerhärchen von der Referenz-Kombi weg ist. Alle Achtung, Aurender, du bist gut.
Es hilft nichts, ich muss es wissen: Sticht der Koreaner am Ende meinen Audiodata MS II aus? Dafür darf Billy Idol zu Steve Stevens grandiosem Fingerstyle-Riff den Rebellen-Schrei („Rebel Yell“) in 2-bit/96-kHz-Auslösung loslassen, und meine Ohren tanzen den Tanz ums Mehrklang-Kälbchen. Via USB-Betrieb kann ich keinen Unterschied erhören – da sind beide Server aus genannten Gründen gleichauf. Allerdings bringt der W20 im AES-Betrieb ein minimal anderes Hörbild, das in puncto Auflösung praktisch nichts, bei der Farbsättigung aber anders abgestimmt, vielleicht sogar besser, lebendiger wirkt. Also noch ein anderes Lied: Michael Jacksons Zuckerballade „I Just Can’t Stop Loving You“ aus Bad beschallt meinen Hörraum in Studiomaster-Qualität, und ich gebe auf: Der Aurender hat es so was von drauf. Wie mag das erst über einen Dual-Wire-fähigen Wandler klingen? Deswegen ganz salomonisch: Wer einen absoluten Superwandler hat, sollte diesen Supertanker unter den Servern mal antesten. Es könnte sein, dass er’s ist. Alle anderen wissen, dass sie mit den bildhübschen Töchtern und Söhnen anderer Hersteller auch genussvoll hören.
Wir meinen
Ein Supertanker unter den Musikservern, der mit Profi-Ausstattung und -Anschlüssen für das endgültige Klangerlebnis im Verbund mit Über-Wandlern punktet.
Info
Musikserver Aurender W20
Funktionsprinzip: Musikserver und Musikplayer
Anschlüsse: 3 x USB (einer davon Audio-optimiert), Ethernet, 2 x AES/EBU, 3 x S/PDIF, 1 x Wordclock-Eingang
Softwareausstattung: Linux-basiertes Betriebssystem, Steuer-App (für iOS und Android)
Formate: alle gängigen, auch DSD 64/128 und MQA
Besonderheiten: aufwendige Stromversorgung des Audioboards mit LiFeP04-Akkus; Mainboard und Analogboard aus eigener Entwicklung und Fertigung; MOLED-Display und Stand-alone; netzwerkunabhängiger Betrieb (rudimentär) möglich
Ausführung: Schwarz
Lieferumfang: Netzkabel, Schnellstart-Anleitung
Maße (B/H/T): 43/11/37 cm
Gewicht: 19 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 18 700 €
Kontakt
Audio Components
Harderweg 1
22549 Hamburg
Telefon +49 40 401130380
Mitspieler
USB-Interface und D/A-Wandler: Mutec MC-3+USB, Mytek Digital Stereo 192-DSD DAC, Violectric V800, Audioquest Dragonfly Red
Rechner: Apple MacBook Pro/Wortmann MultiBook/Samsung Galaxy Tab A
Musikserver: Audiodata MusikServer II
Softwareplayer: Audirvana Plus 2/Foobar 2000/Onkyo HF Player/jRiver
Aktivlautsprecher: Geithain RL 906, Nubert NuPro A200
Kabel: Vovox, AudioQuest, Klotz