Auralic Aries G2.2
Die neue Streaming-Bridge von Auralic könnte es mit der Rechenpower eines Gaming-PCs aufnehmen – sieht aber besser aus und kann zum Glück auch weniger.
In aller Kürze:
Unverfälscht, abgeschirmt und von allem entkoppelt: Die Streaming-Bridge Auralic Aries G2.2 transportiert Musik so, dass sie heil beim DAC ankommt.
In wohlklangerprobten Kreisen sorgt es üblicherweise für kein überraschtes Lupfen der Augenbrauen, wenn die Wiedergabekette aus möglichst vielen Einzelkomponenten besteht – klarer Fall: Man braucht einen Phonovorverstärker, Monoblöcke sind prinzipiell keine Fehlanschaffung, und die Zusammenstellung von Laufwerk, Tonarm und System darf gern hochgradig individuell ausfallen. Denn nur so kommt man dem Klang, von dem geträumt werden darf, einigermaßen nahe und hat als Nebeneffekt auch noch ein schönes, niemals enden wollendes Gesprächsthema. Im Bereich der Wiedergabe von digitalen Formaten gilt traditionell das Gegenteil: Seit April 1981, als auf den Osterfestspielen in Salzburg die CD-DA vorgestellt wurde, geht die Denke in Richtung möglichst kompakter, hochintegrierter Lösungen. Das liegt natürlich an einer Art Sinnestäuschung: Wenn man Dateien im Unterschied zu Klangrillen nicht sehen kann, dann ist es doch unwahrscheinlich, dass man bei ihrer Wiedergabe signifikante Unterschiede hört.
Natürlich besteht Grund zu der Annahme, dass die hörbarsten Limitierungen der Digitalwiedergabe nicht mehr in der heimischen Datenverarbeitungsqualität oder den Codecs begründet liegen – wenn wir für einen Moment die Debatte um MQA vielleicht einmal außen vor lassen. Entscheidender ist wahrscheinlich, was der Musik angetan wurde, ehe sie zur Datei wurde, wie die Streamingdienste sie weiterverarbeiten und wie sich Überschreitungen von „LUFS“-Begrenzungen (hocheffiziente Limiter) auswirken. Und genau deshalb möchte man ja auch im Digitalen eine Wiedergabekette, die einen so detailreich wie möglich über das Material informiert.
Auftritt: Auralic Aries G2.2. Ja, es handelt sich um eine Streaming-Bridge, pardon, einen „Streaming Transport“, wie Vertrieb und Hersteller sie nennen. Tatsächlich macht das Gerät nichts anderes, als Daten entgegenzunehmen – etwa von einem lokalen Server oder einem Streamingdienst – und sie an einen externen DAC weiterzuleiten. Ein Blick auf die Rückseite verrät es bereits: zwei Antennenbuchsen für ein störungsfreies Tri-Band-WiFi, ferner Toslink, Coax, AES/EBU, USB sowie zweimal Lightning und ein Input für eine externe Master Clock. Analoge Ausgänge: systembedingt Fehlanzeige!
Mit dieser Gerätegattung kennt man sich bei Auralic bestens aus, schließlich hat man diese Nische gewissermaßen selbst erfunden, als vor rund zehn Jahren mit der Aries eines der ersten Geräte dieser Spezies erschien. Die Aries G2.2 folgt nun auf die G2.1. Äußerlich hat sich auf den ersten Blick wenig getan: Hochwertig ist’s, das Gewicht von immerhin etwas über zehn Kilo macht gleich klar, dass es sich nicht um irgendein Technikspielzeug handelt. Die Verarbeitungsqualität ist enorm hoch. Das Chassis besteht aus einem Aluminiumrahmen, der innen aus Abschirmungsgründen eine mit Nickel überzogene Kupferschicht aufweist. Alles ruht auf entkoppelnden Füßen, die mit einer Feder versehen sind; diese sorgt dafür, dass das Gerät stets mittig schwebt. Auf der Frontseite wurde in der Mitte das Display platziert, das im Spielbetrieb das Cover und Metadaten zeigt oder per Tasterdruck in die Menüanzeige versetzt werden kann. An mechanischer Bedienung braucht es nicht viel. Es gibt Taster für „Play“, für „Menü“, für hoch und runter sowie fürs Ein- und Ausschalten.
Innen ist indes kein Bauteil auf dem anderen geblieben. Im Vergleich zum Vorgänger sind dem Vernehmen nach 90 Prozent des Innenlebens erneuert worden. Die Aries G2.2 arbeitet nun mit einem Quad-Core-Prozessor mit 64-Bit-Architektur, was zu einer achtfachen Rechenkapazität gegenüber dem Vorgänger führen soll. Ein Gigabyte des insgesamt vier GB großen Arbeitsspeichers ist für Caching reserviert, sodass den Prozessorkernen wohl niemals das Arbeitsmaterial ausgehen dürfte. Bei Auralic nennt man diese Konfiguration „Tesla G3“, und ihre Aufgabe besteht darin, Latenzen und Jitter zu reduzieren, indem der Arbeitsspeicher per Direct Memory Access direkt an die Ein- und Ausgangskanäle angebunden und der klangwichtigen Hard- und Software ebenfalls direkter Zugriff geboten wird. Ferner sind die elektrischen Schaltkreise für Clock, Signalverarbeitung und Übertragung galvanisch isoliert, was elektromagnetische Interferenzen minimieren soll. „Tatsächlich hat Auralic die dafür nötige induktive Kopplung selbst entwickelt“, verrät Christian Rechenbach vom Vertrieb DREI H. „Die typischen Optokoppler hatten nicht die erforderliche Bandbreite.“ Insgesamt zeichnet sich die auf der Fedora-Distribution von Linux basierende „Tesla 3“-Plattform durch einen hohen Grad an Eigenentwicklungen aus – von der eigenen Abspiel-Engine, die sicherstellt, dass DSD wirklich korrekt erkannt wird, bis hin zur ebenfalls galvanisch getrennten, doppelten Stromversorgung. Formatseitig kann die Aries alles, was man sich wünschen kann, und sie ist Roon-tauglich. „Das ist eine Zukunftsplattform, auf der auch künftige Generationen basieren werden. So viel Power braucht man ja derzeit im Grunde noch gar nicht.“
Nun wollen wir herausfinden, wie die Streaming-Bridge kling. Allerdings ist erst noch etwas Geduld gefragt, denn logischerweise muss die Klangrechenmaschine erst einmal hochgefahren werden, was zugegeben ein eher länglicher Vorgang ist. Bei der ersten Inbetriebnahme sind zudem die Internetkoordinaten des WLANs einzugeben, was in der Menüansicht des Displays (die alle Bedienmöglichkeiten mit hilfreichen Erklärtexten erläutert) erwartungsgemäß etwas fummelig ist. Einfacher geht es über das Webinterface via Smart Device oder Computer. Eine Fernbedienung gibt es übrigens nicht, da sich über Webinterface und die gängigen Apps ja eh alles erledigen lässt. Das sorgt für Ordnung auf dem Wohnzimmertisch, und wer trotzdem nicht auf eine Remote verzichten möchte, der kann dem Auralic den Umgang mit einer beliebigen RC5-Fernbedienung beibringen.
Das war es aber auch schon mit dem Gemoser. Denn von nun an kann Musik auf eine Art und Weise gehört werden, bei der einem die Lust an intellektuellen Themen schnell vergeht. Eine übliche Streaming-Anwendung ist es ja, es mit Musik zu probieren, die man physisch nicht vorrätig hat und an deren Anschaffung man auch nicht denkt. In meinem Fall zählt hierzu Texas Hold’em, die neue Single von Beyoncé. Hierbei handelt es sich um eine nicht wenig aufwendige Produktion, die aber vornehmlich mit Blick auf eine Abhöre-Situation auf dem Telefon gemixt und gemastert wurde. Üblicherweise zeigt sich dies in recht tadellosen Mitten, einer überguten Sprachverständlichkeit und einer mehr als gut gemeinten Basswiedergabe. Der G2.2 gelingt dabei eine sehr schöne Aufdröselung der weitgehend ungedämpften Bassdrum in Schlegelaufschlag und Sustain – und da es sich um einen weichen Schlegel handelt, sprechen wir über den Bereich unterhalb von 100 Hertz. Wummern tut da gar nichts, alles ist klar und strahlend.
Versuchen wir es mal mit der guten alten Rockmusik, die im Vergleich zu Jazz und Klassik die digitale Transformation in vielen Fällen nicht ganz so gut überstanden hat und die sich oft kaum ermüdungsfrei über längere Zeit streamen lässt. Ein gutes Beispiel ist das Album Stain von Living Color, das schon produktionsseitig mit einem überambitionierten Bass (Doug Wimbish!) und dem hendrixmäßigen, aber im Sinne der 90er Jahre vollkommen überzeichneten Gitarrensound daherkommt. Üblicherweise klingt das, was als eine breite Gitarrenwand gedacht ist, oft so, als wäre es mittels billiger Gitarrenverstärker-Emulationen hergestellt. Doch die Aries, hier in einer Kombination mit dem ebenfalls neuen Auralic-DAC Vega G2.2, projiziert das Geballer facettenreich und „warm“ in den Raum. Nichts wirkt eindimensional, man versteht plötzlich wieder, was an diesen Mesa-Boogie-Amps damals so sensationell gewesen ist – und man versteht es nicht nur, man kann es auch erleben.
Für eine Maschine, die im Grunde nur Daten entgegennimmt und wieder ausgibt, macht die Aries G2.2 dann doch erstaunlich viel – und zwar nicht nur auf EDV-Ebene, sondern durchaus auch gefühlt. Und so kann die Streaming-Bridge eine sinnvolle Anschaffung sein, wenn man bereits über einen DAC verfügt, den man nicht mehr hergeben möchte, oder man seine Digitalkette aufwerten will, indem man den Ballast der multimedialen Schlachtschiffe loswerden und unterschiedliche Aufgaben an Einzelkomponenten delegieren möchte, die das fachgerecht und spezifisch erledigen. Im vorliegenden Fall kostet das rund 6000 Euro, was deutlich mehr ist als ein Sparmenü bei McDonald’s, aber auch einen ganz anderen Gegenwert liefert und in einem geeigneten Umfeld durchaus nicht zu viel ist.
Info
Streaming-Bridge Auralic Aries G2.2
Konzept: Streaming-Bridge ohne integrierte D/A-Wandler
Eingänge digital: koaxial (Cinch), optisch (Toslink), USB
Ausgänge digital: koaxial (Cinch), optisch (Toslink), AES/EBU
Unterstützte Formate: AAC, AIFF, ALAC, APE, DIFF, DSD, DSF, FLAC, MP3, MQA, OGG, WAV, WMA, WV
Samplingraten: PCM: 44.1 KHz bis 384 KHz in 32Bit, DSD: DSD64 (2.8224 MHz), DSD128 (5.6448 MHz), DSD256 (11.2896 MHz), DSD512 (22.57892 MHz)
Netzwerk: Ethernet, 802.11b/g/n/ac Tri-Band WiFi
Besonderheiten: mit 4-TB-NVME-Speicher erhältlich (Aufpreis 600 €)
Ausführung: Schwarz
Maße (B/H/T): 34/10/32 cm
Gewicht: 10 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (auf 3 Jahre verlängerbar)
Preis: um 6000 €
Kontakt
DREI H
Kedenburgstraße 44/Haus D
22041 Hamburg
Telefon +49 40 37507515
Mitspieler
CD-Player: Creek Evo 2
DAC/Netzwerkplayer: Cambridge Audio CXN, Teac UD-701N
Verstärker: Creek Evo IA, Teac AP-701
Lautsprecher: Neat Momentum 4i, Bryston Mini A, Focal Alpha 80