Auralic Aries – Digitaler Buddy Rich
Computer-Audio kann höllisch Spaß machen. Wer will‚ kann unglaublich viel tüfteln und den PC optimieren‚ um seiner Anlage immer noch bessere Töne zu entlocken: USB-Filter‚ PCI-Karten‚ Spezialsoftware – alles bringt den High-End-Digitalisten Stück für Stück nach vorn. Es soll jedoch Leute geben‚ die einen solchen Aufwand gar nicht betreiben wollen.
So toll es auch sein mag, seinen Rechner bis hin zur High-End-Wiedergabemaschine zu optimieren: Die dazu erforderlichen Kenntnisse hat nicht jeder. Und auch nicht jeder möchte einen Rechner im Wohnzimmer neben der Anlage stehen haben. Und schon kommen die Herren Wang (Xuanqian und Yuan) ins Spiel. Die beiden trafen sich zufällig 2008 während eines Konzerts in der Berliner Waldbühne. Sie kamen ins Gespräch und merkten schnell, dass sie nicht nur den Namen, sondern auch eine Begeisterung für Musik teilten, die tiefer ging als die eines normalen Konzertbesuchers. Kurz darauf gründeten Xuanqian Wang, der Audioingenieur und talentierte Pianist, und Yuan Wang, der Manager mit enormer Leidenschaft für Musik und Akustik, eine gemeinsame Firma: Auralic.
In den ersten Unternehmensjahren entwickelten die beiden erst einmal eigene Technologien (beispielsweise ORFEO-Module, die auf der Schaltung des analogen Neve-8078-Mischpults basieren, oder auch ein proprietäres USB-Protokoll) und kombinierten diese dann nach und nach so, dass „echte“ Produkte dabei herauskamen. Das bisher bekannteste dürfte ihr D/A-Wandler namens Vega sein, der sich großer Beliebtheit erfreut und schon vor Jahren Dinge konnte, die jetzt erst so langsam Standard werden. Und obwohl der Vega nun nicht mehr unbedingt taufrisch ist, habe ich ihn trotzdem gerne zur Verfügung, um das jüngste Produkt von Auralic näher kennenzulernen: ein schickes Kompaktteil namens Aries.
Auralic selbst bezeichnet seinen neuesten Sprössling als „Streaming Bridge“, was wohl darauf hinweisen soll, dass er eine Brücke schlägt zwischen der ans Netzwerk angeschlossenen NAS und dem DAC. Außerdem klingt „Streaming Bridge“ netter als „LAN-auf-DAC-Umsetzer“. Tatsächlich ist der Aries ein Netzwerkplayer ohne eingebauten D/A-Wandler. Auralic ist nämlich der Meinung, dass es bereits viele gute DACs „da draußen“ gibt, warum sollte man also einen internen Wandler mitkaufen, den man dann doch nicht benutzt?
In der hierarchischen Struktur einer HiFi-Anlage ist die „Streaming Bridge“ durchaus mit einem CD-Transport vergleichbar: Ein CD-Laufwerk wie mein Audio Note CDT-3 hat auch keinen DAC an Bord und liefert „nur“ digitale Daten. Wer lieber eine Analogie zur Analogtechnik möchte, darf beim Aries meinetwegen auch an einen Plattenspieler denken. Dieser braucht ja auch eine Phonovorstufe, um ans HiFi-System angeschlossen werden zu können. Wie auch immer: CD-Laufwerk, Plattenspieler und Streaming Bridge sind reine Datenlieferanten und darauf spezialisiert, das Anreichen von Musikdaten möglichst exakt und verlustfrei zu erledigen.
Dazu bietet der Aries zunächst einmal die üblichen Ausgänge an: TosLink-Buchse für optische Verbindungen, AES/EBU- und Koax-Ausgang für die elektrischen. Damit kommt man schon mal recht weit, doch es gibt einen Flaschenhals: DSD-Dateien, die sich ja immer größerer Beliebtheit erfreuen, können zumindest nicht nativ herausgegeben werden, da die Schnittstellen für 1-Bit-Signale nicht spezifiziert sind. Und das ist nun einer von zwei entscheidenden Gründen, um als vierte Tonausgabeoption USB anzubieten. Über diese Verbindung ist nämlich DSD heutzutage problemlos möglich, außerdem ist die obere Grenze dieser Schnittstelle im PCM-Betrieb hier erst bei 384 kHz erreicht. Die anderen Ausgänge machen bei 192 kHz, TosLink sogar schon bei 96 kHz die Tür zu. Wir könnten jetzt angeregt darüber diskutieren, wie sinnvoll solche riesigen Abtastraten sind. Und auch über den DSD-Hype lässt sich prima streiten. Doch das will ich gar nicht. Denn USB hat ja noch einen zweiten, keineswegs zu vernachlässigenden Vorteil: Die Übertragung erfolgt asynchron. Das bedeutet, dass die Kommunikation zwischen Aries und DAC auf einem gesunden Wege erfolgt, kann der Wandler doch selber entscheiden, wann und wie viele Datenpakete geschickt werden. Und dank des sauberen Clockings werden sie auch schön zeitstabil angereicht. Das ist der üblichen Übertragung per AES/EBU oder S/PDIF zumindest grundsätzlich überlegen.
Der uns anvertraute Aries in seiner größeren Ausbaustufe (es gibt auch ein abgespecktes „LE“-Modell zum abgespeckten Preis) besitzt sauber nach regulären Tonausgängen und USB getrennte Clocks, die von extrem edler Bauart sind: Bei den sogenannten Femto-Clocks ist der Name sogar Programm, da sie eine Präzision von 18 Femtosekunden vorweisen können. (Eine Femtosekunde ist der zehnhochminusfünfzehnfache Teil einer Sekunde, also ungefähr das Gegenteil von Ewigunddreitage, und derlei Präzision wird in der Digitaltechnik besonders gern gesehen.) Nur: Warum so ein Aufwand, wenn die Übertragung sowieso asynchron erfolgt, also kaum Jitter zu erwarten ist? Eine ganz leichte Antwort gibt es hierzu offenbar nicht, doch eines steht auf jeden Fall fest: Das korrekte Timing eines digitalen Signals ist absolut essenziell für den guten Klang. Aus diesem Grund gibt es ja auch spezielle Abspielsoftware für den Computer. Ein bitgenaues Signal liefern diese Programme alle, dennoch klingen sie unterschiedlich, was zum Großteil darauf zurückzuführen ist, dass das Timing des Signals anders ist. Es ist für den Wohlklang im Allgemeinen wichtig, dass der Computer es absolut stabil schafft, alle 44100stel-Sekunden 32 Bit (im Falle eines CD-Ripps) herauszugeben. Wie zum Beispiel der Auralic Aries.
Das Linux-Betriebssystem des kleinen Chinesen ist genau deshalb auch extrem schlank gehalten und verzichtet auf alles, was nicht unbedingt für die Funktion der Streaming Bridge nötig ist. Sinnlos im Hintergrund arbeitende und damit das Timing beeinflussende Prozesse laufen hier nicht, das Betriebssystem legt absolute Priorität auf die Wiedergabe des Audiomaterials. Sowohl aus den regulären digitalen Ausgängen als auch dem USB-Audioausgang kommen nun PCM- und DSD-Signale heraus, wie sie stabiler getaktet kaum sein können. Das verheißt einiges und lässt die klanglichen Erwartungen ordentlich sprießen.
Falls Sie sich über eine zweite USB-Buchse auf der Rückseite wundern: Die ist für USB-Speicher wie Sticks oder Festplatten reserviert. Sie können also auch ganz einfach eine recht günstig zu erstehende Festplatte mit Musik befüllen und direkt über den Aries wiedergeben. Ein NAS bräuchten Sie damit eigentlich gar nicht, auch wenn der Streamer für die iPad-Steuerung natürlich trotzdem ins lokale Netz eingebunden werden muss. Da er sich die Musikdateien prinzipbedingt über ein eigenes, internes Serverprogramm zur Verfügung stellen muss, ist es sogar möglich, die am Aries angeschlossene Musik im ganzen Haus zu streamen. So kann man seine Musiksammlung beispielsweise ins Home Office streamen, ohne sich ein zusätzliches NAS kaufen zu müssen.
Wer hat’s gemerkt? Am Aries befinden sich exakt null Bedienelemente. Die braucht’s aber auch nicht, denn das schicke Teil wird komplett über eine eigene kostenlose App gesteuert. Die nennt sich „Lightning DS“ und ist zum Zeitpunkt dieses Berichts nur für iOS (und auch da nur als iPad-Version) erhältlich. Eine Android-Version soll aber schon bald kommen, mit einer Version fürs Handy im unmittelbaren Schlepptau.
Das Design von Lightning DS ist in jedem Fall im nativen Design des jeweiligen Betriebssystems gehalten. So soll sich der Benutzer von vornherein damit identifizieren und darin zurechtfinden können. Tatsächlich erinnert das Layout stark an iTunes oder die tolle Remote-App von Apple, allerdings ist Lightning spürbar schneller! Das liegt daran, dass die komplette Metadatenstruktur und alle Cover-Bildchen während des ersten Scanvorgangs heruntergeladen und lokal im iPad gespeichert werden. Was das Nachladen der Cover während des Scrollens natürlich immens beschleunigt – sehr gut. Viele Apps speichern diese Daten nur temporär und müssen sie jedesmal neu per WLAN vom Server anfragen. Was natürlich dauert. Und dann nervt.
Ganz nebenbei ist die Auralic-App auch recht übersichtlich und intuitiv bedienbar. Der Großteil des Bildschirms wird von Coverbildchen dominiert, ein Menü auf der linken Seite beherbergt Icons für lokales Streaming, Internetradio, Streamingdienste (WiMP HiFi, Qobuz und Tidal sind an Bord), Airplay und Songcast (Linns Pendant zu Airplay). Gerade die Streamingdienste dürften den Aries für viele interessant machen, denn hier ist die Integration so nahtlos gelungen, dass so mancher User sicher auch ohne NAS klarkommen würde. Übrigens dürfte der Aries einer der ganz wenigen Netzwerkplayer sein, die sich dank der Implementierung des breitbandigen WLAN-Standards IEEE 802.11n auch im 5-GHz-Band des heimischen WLANs sehr wohl fühlt und selbst ganz dicke DXD-Dateien quasi ohne Wartezeiten und Unterbrechungen abspielt.
Dafür braucht man allerdings gleich drei Antennen. Und das ist dann auch die Begründung für die Verwendung von Plastik als Gehäusematerial: Xuanqian Wang wollte keinesfalls drei Antennen auf die Gehäuserückseite verlegen, die dann für jedermann sichtbar wären und den Aries wie einen schnöden Telefonrouter wirken lassen würden. Also wanderten die Antennen ins Innere „unters Dach“ – und das geplante Alugehäuse in die Tonne, da es eine zu stark schirmende Wirkung gehabt hätte. Mit dem Kunststoffgehäuse kann ich aber ganz gut leben, zumal null Knöpfe ja auch null Berührung bedeuten. Darüber hinaus stärkt auch das lineare Netzteil mein Vertrauen: Es wurde ausgelagert, um der Elektronik nicht ins Präzisionshandwerk zu pfuschen.
Doch was bringt jetzt der entscheidende Klangtest? Macht es überhaupt Sinn, einem sowieso jitterreduzierenden D/A-Wandler eine solche Quelle vor die Nase zu stellen? Viele Leute meinen ja, dass die Qualität der digitalen Musikwiedergabe ausschließlich mit der Güte des angeschlossenen DACs steht und fällt. Doch das stimmt einfach nicht. Kein Mensch würde behaupten, die Qualität des Plattenspielers sei egal, allein die Phonovorstufe zähle. Und erst neulich hat mein CD-Transport den entscheidenden klanglichen Kick gegenüber einem nicht ganz so „aufgeräumten“ und stabilen CD-Laufwerk geliefert. Ganz ähnlich ist es mit dem Auralic Aries. Wir erinnern uns: Je zeitstabiler und verzerrungsärmer ein digitales Signal ausgegeben wird, desto einfacher hat es der Wandler, desto besser klingt’s. Und das macht der Aries offensichtlich ganz wunderbar: Im Vergleich zu einem ebenfalls per USB an den DAC angeschlossenen Computer liefert er auf einmal eine deutlich klarere Wiedergabe der gleichen Tracks, lässt sie spürbar kraftvoller erscheinen, präsentiert eine weitaus stabilere Bühne. Überhaupt fällt vor allem die größere, zugleich griffigere räumliche Abbildung und die „Echtheit“ der Wiedergabe auf. Die Musik ist im besten Sinne unmittelbarer präsent, ist einfach da, plastisch und präzise – und der geneigte Digitalist ist dem audiophilen Traum vom möglichst „echten Musik-Erleben“ ein schönes Stück näher gekommen. Ganz ohne lästiges Fummeltuning am PC.
Perfektes Timing ist nicht nur für Drummer und andere Taktgeber alles, sondern auch für Digitalquellen. Und genau das macht der kleine Auralic richtig gut, hält den Takt wie Buddy Rich in absoluter Bestform. Um seine Wiedergabequalität zu erreichen, muss sich ein hochgezüchteter Audio-PC (und dessen Besitzer/User/Pfleger) schon ganz schön lang machen. Auch möchte ich nochmal kurz auf die erwähnten integrierten Streamingdienste eingehen: Wer sich überlegt, dass schon jetzt 25 Millionen Songs per Klick abrufbar sind, und dann ins Kalkül zieht, wie gut das mit einem Aries klingen kann, dem wird womöglich klar, wie die Zukunft des digitalen Musikhörens aussehen kann.
Das könnte für viele die Lösung sein: Computer-Audio ohne Computer, dafür mit allen Funktionen wie Netzwerkstreaming, Internetradio und Streamingdiensten – in einem hübschen Gerät vereint und mit einer einzigen App abrufbar. Richtig gut klingt’s dann auch noch, sehr gut sogar. Denn mit Quellen wie dem Auralic Aries lohnen sich natürlich auch richtig „große“ DACs, sozusagen die Phonostufen der Digitalisten.