Heiße Kiste
Der Aura Note Version 2 könnte für so manchen Musikfreund ein echter Befreiungsschlag werden. Denn weniger ist manchmal mehr.
Von Jochen Reinecke
Bei HiFi-Komponenten ist es wie bei Menschen: Manche lernt man erst mit der Zeit richtig schätzen, und manchmal – selten – gibt es eben die Liebe auf den ersten Blick. Genau das war der Fall, als ich den Aura Note aus der Verpackung hob. Habenwollen! Das originelle Format, die verwendeten Materialien, die reduzierte Formsprache: genau mein Ding. Viel Chrom, großartige Verarbeitung, parallel dazu aber eine altmodische LED-7-Segment-Anzeige als einzige optische Rückkopplung zum Benutzer. Herrlich! Angesichts des geradezu sagenhaften Funktionsumfangs dieses Gerätchens muss man an dieser Stelle schon klar von Understatement sprechen.
Streng genommen ist der Aura Note eine Kompaktanlage. In einer Kiste, deren Stellfläche kleiner als eine Langspielplattenhülle ist, finden sich CD-Spieler, DAC, Verstärker, Radioempfänger und Wecker. Klingt nett, muss aber dringend präzisiert werden: Aura hat dem Note in der Inkarnation „Version 2“ doch tatsächlich die guten ICEpower-Endstufen aus dem Hause Bang & Olufsen spendiert. Diese Class-D-Briketts leisten flotte 2 x 125 Watt an 8 Ohm und klingen … ach – das verrate ich später. Der CD-Spieler wiederum kommt in Form eines Topladers. Zum Einlegen der CD schiebt man eine butterweich gelagerte Glasscheibe zur Seite. CD auflegen, mit Puck fixieren und die Glasabdeckung wieder zur anderen Seite schieben – fertig. Das ist zwar etwas mehr „Arbeit“ als das Füttern per Slot-in oder Lade, dafür sieht es sehr, sehr geil aus. Die USB-Anschlüsse gestatten wahlweise die Verbindung mit einem iPod (der digital ausgelesen wird), einem Computer oder mit externen Sticks bzw. Festplatten. Ein S/PDIF-TosLink-Eingang wird ebenfalls geboten. Bei einer PC-Verbindung kann der interne DAC Material bis 24 bit/192 kHz verarbeiten. Weiterhin bietet der Aura Note Version 2 noch einen Kopfhörerausgang, einen Pre Out und einen Bluetooth-Empfänger.
Nicht übel, oder? Kompakte All-in-one-Lösungen sind ja durchaus wieder im Kommen. Mein persönliches Verhältnis dazu ist ein gespaltenes. Einerseits finde ich es attraktiv, viele Funktionen in nur einem Gerät zu haben: Man kann „mal eben Zigaretten holen gehen“, das Ding unter den Arm klemmen und ist für immer weg, ohne auf guten Sound verzichten zu müssen. Andererseits hat so eine schöne, dicke, große Anlage auch ihren Reiz, am besten mit CD-Laufwerk, externem Wandler, Vorstufe und Monoblöcken. Die schicke Kabelage nicht zu vergessen! Aber ganz ehrlich, als ich die ersten Tonträger an den Aura Note verfütterte, hatte ich das sehr gute und beruhigende Gefühl, zum allerersten Mal in meinem Leben eine All-in-one-Lösung zu hören, mit der ich dauerhaft meinen Frieden machen könnte. Und dafür gibt es mehrere Gründe: Der Aura Note bietet klanglich einen unglaublich stimmigen Gesamteindruck. Geboten wird quasi die Fortführung des Designkonzepts in den hörbaren Bereich: Ein gemessener, ganz und gar nicht protziger Auftritt, aber mit besten „inneren Werten“. Tonal zeichnet der Aura Note von der untersten bis in die oberste Oktave absolut sauber durch. Besonders erstaunlich ist dabei, dass er auch im Tieftonbereich richtig potent „schieben“ kann. Dass so profunder, sauberer und klarer Bass aus so einer kleinen Kiste kommt, wäre vor zehn Jahren noch nicht denkbar gewesen. Nehmen wir das Album Ágætis Byrjun von Sigur Rós. Hier werden weite, sphärische Klangflächen gezeichnet, es wird nicht an Halleffekten gespart, und „untenrum“ gibt es viele lang stehende Basstöne.
Da braucht ein Verstärker schon ein gerüttelt Maß an Puste, um einerseits das Tieftonfundament sauber durchzuhalten und andererseits zugleich all die Feinheiten, die es in den anderen Tonlagen so gibt, sauber zu zeichnen. Dem Aura Note gelingt dies mühelos. Viel Spaß hatten wir zwei (der Note und ich) auch mit Interpols Album Our Love To Admire. Mein Lieblingssong ist „Pace Is The Trick“, der sich stufenweise steigert und erst nach der ersten Mi-nute beim Einsetzen der Rhythmusgitarre so richtig losrockt. Der Aura Note ist dynamisch schwer auf Zack und schleudert die wuchtigen Bassdrums und Standtoms ohne jeden Zeitverzug in die Wohnstube – zugleich zeichnet er aber die Fingerpickings der Melodielinien farbenfroh und detailreich und lässt die Rhythmusgitarre krachen. Klasse. Im Kontrast zu meiner Referenzanlage, u. a. bestehend aus der Endstufe Abacus Ampollo, dem B.M.C. PureDac und dem Audiolab-Dreher 8200CDQ (Gesamtpreis ziemlich genau das Doppelte des Aura Note Version 2) gibt’s eigentlich erschreckend wenig substanzielle Klangunterschiede. Hinsichtlich der Dynamik und der „Power über alles“ würde ich ein glattes Unentschieden vergeben. Tonal sind beide Varianten sehr ähnlich, nämlich klar durchzeichnend, ohne sich an den Frequenzgangenden in dieser oder jener Form auffällig zu zeigen. Einzig und allein in der Sortiertheit der stereofonen Bühne gefällt mir mein Referenz-Setup besser; ich mag’s gerne glasklar, ja hyperrealistisch strukturiert – beim Aura Note gerät das im Vergleich etwas unpräziser. Der Unterschied fällt beim klassischen Redbook-Standard weniger auf, kann aber bei hochauflösenden Files durchaus blindtestfähig nachvollzogen werden.
Schön ist, dass die Hochpegeleingänge durchaus noch Luft nach oben bieten. Wer einen exzellenten CD-Spieler hat, der kann dem Aura Note durchaus noch den einen oder anderen Höhenflug gegenüber dem eingebauten Laufwerk bereiten – was dafür spricht, dass die Verstärkerelektronik „taugt“. Auch die Wandler haben mir sehr gut gefallen: Per Notebook zugespieltes HighRes-Material klang ungemein knackig, detailreich, gut.
Nach ausgiebigen Hörsessions mit dem Aura Note war wieder einmal der Beweis für „abnehmenden Grenznutzen“ erbracht. Dass es ein Gerät gibt, das man unter den Arm klemmen kann und das trotzdem meiner Referenzanlage gefährlich nahe kommt – und das alles auch noch zum halben Preis – alle Wetter! Hinzu kommt das wirklich außergewöhnlich stimmige Designkonzept. Verstehen Sie jetzt das mit dem Befreiungsschlag?