Auditorium, Hamm – Mit Blick nach vorn
Wer sich in Deutschland mit HiFi befasst, der kennt das Auditorium. Wir besuchten einen der wohl umtriebigsten Händler der Nation in seinem Stammgeschäft.
Muss man über das Auditorium in Hamm überhaupt Worte verlieren? Eigentlich nicht. Der Laden ist in Deutschlands HiFi-Landschaft eine Institution. Er liegt in einer Stadt, die ein wenig wirkt, als sei sie eine Scholle, die in östlicher Richtung vom Ruhrgebiet wegdriftet … nah genug dran an der stark besiedelten Metropolregion und doch so weit draußen, dass man den Hauch des Provinziellen verspürt. Wenn wir mit Herstellern und Vertrieben darüber reden, wo die Geschäfte laufen und wo weniger, dann wird das Stammgeschäft der mittlerweile drei Ladenflächen umfassenden Kette häufig nicht mal erwähnt – allen ist klar, im Auditorium läuft’s.
Diesen Status hätte sich Firmengründer Leo Schwarte kaum träumen lassen, als er das Geschäft 1981 gründete. 2007 reichte er die Geschäftsleitung an seinen Sohn Sebastian weiter, der sich in unserem Gespräch an einem glühend heißen Dienstagnachmittag zumindest gedanklich bereits aufs Kuchenbacken und Getränkekühlstellen fürs 40er-Jubiläum einstimmt. Bis dahin sind es aber noch zwei Jahre. Und der Übergang vom Senior auf den Junior ist im Auditorium offensichtlich bestens gelungen, denn die Gründung der beiden Dependancen fällt in die Amtszeit des jungen Geschäftsführers.
Dahinter steckte interessanterweise gar nicht der Gedanke an eine Expansion. „Eigentlich haben sich beide Außenstellen einfach so ergeben“, berichtet mir Sebastian Schwarte bei einem Kaffee. Gelegenheiten, die ergriffen wurden. Die Niederlassungen in Münster und in der Hamburger Speicherstadt werden von altgedienten Mitarbeitern des Stammgeschäfts geleitet, die keiner Anleitung bedürfen. Abgesehen von der Pflege des gemeinsamen Warenbestandes und etwas Buchhaltung verursachen sie in Hamm keine Arbeit. So ganz sich selbst überlassen sind die beiden Filialen freilich nicht – in unser Gespräch mischt sich immer wieder ein Hauch von Eile, da Sebastian Schwarte auf dem Sprung ist zu einem Treffen mit seinen Hamburger Kollegen.
Und wirklich gibt es mehr als einen Grund, sich intensiver mit dem Auditorium zu befassen. In erster Linie möchte man natürlich in dem bekannten Laden genau das sehen, was wir oben beschrieben haben: Eine Kette von drei wohlgepflegten HiFi-Geschäften. Dieser Eindruck wäre jedoch unvollständig. Das erfolgreiche Geschäft ist innerhalb der Firma, die sich über die Jahre verschiedene Standbeine aufbaute, nur (noch) die Spitze des Eisbergs.
Vor über zwanzig Jahren zündete hier beispielsweise der initiale Funke für die G8. Dieser Zusammenschluss acht großer HiFi-Händler war zunächst als Interessen- und Einkaufsgemeinschaft gedacht, pflegte etwa enge Kooperationen mit Herstellern wie B&W. Vor einigen Jahren ging aus dem Komplex der mittlerweile völlig eigenständige Vertrieb G8 & Friends hervor, wobei mit den „Friends“ vor allem Chord Electronics gemeint ist. Der Vertrieb ist exklusiver Importeur der Briten.
Immer hellwach war Sebastian Schwartes Vater Leo auch, wenn es um neueste Technik und „Custom Installation“ für Heimkino und HiFi ging. Bereits zur Jahrtausendwende erweiterte er seinen Stammladen um eine weitläufige Musterwohnung, in der man Haussteuerungen und die Vernetzung unterschiedlicher Systeme erfahren und ausprobieren kann – seinerzeit eine wegweisende Maßnahme, da sich die komplexen Steuerkonzepte anders kaum darstellen lassen. Selbstredend kann das Auditorium solche Systeme planen und bis ins kleinste Detail beim Kunden umsetzen.
Aus dieser Expertise ging eine weitere Kooperation hervor. Seit einigen Jahren ist das Geschäft Bestandteil eines Handwerkerverbunds. Dabei handelt es sich – vereinfacht gesagt – um den Zusammenschluss verschiedener Betriebe und Ausstatter, die Gebäude in enger Zusammenarbeit mit Architekten und Eigentümern maßschneidern. Das Auditorium betreut die Multiroom-Installation und plant die Haussteuerung. Und logischerweise endet die nicht bei der audiophilen Musikwiedergabe. Falls gewünscht, installieren die Profis ganze Kinokomplexe in Neu- oder Umbauten. Neben einer reinen Handelsniederlassung hat sich das Unternehmen also zum erfolgreichen Dienstleister entwickelt.
Aktivitäten dieser Art kann man beim Betreten des hellen, weitläufigen, sich über drei Etagen erstreckenden Stammgeschäfts allerdings nicht wahrnehmen. Und genau das ist der Clou an der Sache: Natürlich sind überall im Laden Installationen verborgen. So kann man im Erdgeschoss einen kleinen hocheffizienten Kamin entdecken, der nicht nur Zierde ist, sondern im Winter auch zum Beheizen des großen Eingangsbereichs verwendet wird. In der Kaffeebar, an der ich mich mit Sebastian Schwarte unterhalte, gibt es einen unscheinbaren Schalter, der lautlos die Tür einer verborgenen Whisky-Bar öffnet. Die ist bestens bestückt und macht Laune aufs Ausprobieren, woran bei gefühlten 38 Grad Außentemperatur aber nicht zu denken ist.
Daher entscheiden wir uns für einen Rundgang durch die langen Flure, die insgesamt elf Hörräume sowie Kinos verbinden. Zu meiner Überraschung ist das Sortiment konzentrierter, als man es bei einem Geschäft dieser Größe erwartet. Die Gänge sind gesäumt von B&W- sowie Focal-Boxen und vor allem die nahezu erschöpfende Werksschau von Audio Physic sticht mir ins Auge. Bei der Elektronik hat T+A die Nase vorn, knapp gefolgt von Naim, Rotel, Linn und Burmester. Natürlich kann ich auch viele weitere Marken erspähen, so etwa Lautsprecher von Thomas Fischer, Dreher und Anlagen von Technics oder das Phantom-Sortiment von Devialet, das momentan sehr erfolgreich läuft, wie mir Schwarte berichtet. Trotz der überwältigenden Anzahl an Geräten und einer nicht minder stattlichen Zahl von Gebrauchtem wirken die Gänge aufgeräumt und übersichtlich. Bei einer Gesamtfläche von rund 1300 Quadratmetern wäre es auch eine echte Leistung, das Auditorium zu überfrachten.
„Ein Großteil unserer Verkäufe findet direkt über den Webshop statt“, erklärt mir Schwarte die vergleichsweise überschaubare Herstellerzahl. Die Homepage ist schon seit zwei Jahrzehnten etabliert und deckt das gesamte Sortiment mit mehreren Dutzend Marken ab. Hier finden sich dann auch die Produkte von Pro-Ject, Chord, Unison Research, Yamaha, Avantgarde Acoustic, Marantz und Co., die ich im Laden nur sporadisch ausmache. Obwohl ich vereinzelt Stöbernden begegne und natürlich jeder herzlich zum Vorbeikommen eingeladen ist, dienen die elf Hörräume mittlerweile vorrangig terminierten Präsentationen: Ein Anruf genügt, und zum vereinbarten Zeitpunkt wartet die gewünschte Kette aufs Probehören.
Etwas verwundert bin schließlich ich über das fast vollständige Fehlen von Plattenspielern. Abgesehen von einigen Exoten und zwei Modellen aus der Feder des scheidenden Mitarbeiters Herbert Linnemann kann ich nur noch Technics’ frisch eingeführten SL-1500 erspähen. „Der Vinyl-Boom findet in unserem Geschäft kaum statt“, gesteht Schwarte. „Jeder redet darüber und holt den alten Thorens oder Dual aus dem Keller.“ Und so wurde die Vinyl-Abteilung auf einige Schränke und Regale mit gebrauchten Platten eingedampft. Gleich im Eingangsbereich richtet das Auditorium allerdings gerade eine kleine Werkstatt ein, in der man die entdeckten Kellergeräte fachmännisch einstellen lassen kann – rein, rauf, runter, raus, um es mit den Worten eines bekannten Autobauers zu sagen. Wie gesagt: Dienstleistung wird in Hamm großgeschrieben.
Info
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 18.30 Uhr, Samstag 10 bis 16 Uhr
Kontakt
Auditorium Hamm
Feidikstraße 93
59065 Hamm
Telefon +49 2381 93390