Audiovector R6 Arreté – Der Wahrheit verpflichtet
Audiovector überzeugt mit jeder Menge versteckter Innovationen, die zu einem Klangvergnügen reinster Güte führen.
Früher war mehr Lametta. Dies ist der erste Gedanke, der mir beim Aufstellen der Audiovector R6 Arreté durch den Kopf geht. Wahrscheinlich habe ich für die preisliche Hausnummer von 28 000 Euro einfach eine stärker manierierte äußere Form oder sonstiges Chichi aus der Hexenküche audiophiler Entwicklungskünste erwartet. Aber nachdem die Lautsprecher ordentlich positioniert und verkabelt sind, ist mein Interesse erwacht. Ich bin erstaunt, wie unkompliziert und unauffällig sich der doch immerhin 123 Zentimeter hohe Lautsprecher in der Sonderlackierung „Italian Grey“ in den Raum integriert. Bei näherer Betrachtung weist er einige Besonderheiten auf, etwa die offenen Rippen an der Gehäuserückseite oder die korbähnliche Verdrahtung innerhalb des Standfußes – Konstruktionsdetails, die mir zunächst entgangen sind und die ich so bisher an keinem anderen Lautsprecher wahrgenommen habe. Rätsel, die sich langsam beim Hören und nach dem telefonischen Austausch mit dem Vertrieb lösen werden.
Dänische Tradition
Wer verbirgt sich eigentlich hinter Audiovector? Auch wenn die Modellnamen Signature, Avantgarde und Arreté zunächst eine französische Firma vermuten lassen, ist das Familienunternehmen aus Kopenhagen bereits seit 40 Jahren ein fester Bestandteil der umtriebigen dänischen High-End-Szene. 1979 von Ole Klifoth gegründet, zeichnet sich Audiovector nicht nur durch eigenwillige Konzepte, sondern auch durch eine enge Vernetzung mit anderen dänischen Top-Firmen aus. So besteht bis heute eine enge Partnerschaft mit Scan-Speak, von denen Audiovector alle Bauteile bezieht, die nicht in Eigenproduktion hergestellt werden. Besonders stolz ist der Hersteller auf die selbst entwickelten und produzierten AMT-Hochtöner. Die Tweeter sind nach vorne und hinten offen und können sich daher absolut frei bewegen. Darüber hinaus kommt beim handgefertigten Arreté-AMT-Hochtöner eine integrierte Akustiklinse hinzu, die nach Auskunft des Vertriebs für eine seidigere Hochtonwiedergabe sorgen soll. Neuerungen in der Entwicklung werden dabei meist von oben nach unten weitergereicht: In der neu optimierten Reihe der R6-Modelle finden sich überwiegend Ansätze, die der Serie der großen R11 entstammen.
Ein interessantes Phänomen ergibt sich bei meinem Versuch, die Lautsprecher optimal einzuwinkeln. Aufgrund des tropfenförmigen Gehäuseprofils entsteht eine optische Täuschung, wodurch die Arreté immer stärker nach außen gewinkelt erscheinen, als dies tatsächlich der Fall ist. So hat man bei perfekt gerade ausgerichteten Lautsprechern den Eindruck, als schielten die Chassis ein wenig zu sehr vom Hörplatz weg. Hier gilt es also, sich streng an der Rechteckform des Fußes zu orientieren. Ich habe in meinem Hörraum für mich mittlerweile eine leicht nach innen eingewinkelte Standardposition für die meisten Lautsprecher gefunden, die praktisch immer zu akzeptablen Ergebnissen führt. Umso erstaunter war ich, dass mir bei der Arreté tatsächlich die parallele Ausrichtung am besten gefallen hat. Der Hochton bekommt ein wenig mehr Crispness, die Auflösung nimmt minimal zu und der Bassbereich erscheint konturierter.
Nein, das ist keine Fehllieferung. Da ist der R6 tatsächlich ein zweiteiliges Kabel mit Bananensteckern auf der einen und einem Schukostecker auf der anderen Seite serienmäßig beigelegt. Dieses Kabel ist für das „Freedom Grounding Concept“ – eine Eigenentwicklung von Audiovector – gedacht. Es eliminiert die bewegungsbedingten Verzerrungen zwischen den Antriebseinheiten der Lautsprecher und erhöht gleichzeitig Auflösung und Mikrodynamik.
Die Verzerrungen, die zwischen den Magnesiumkörben der Antriebseinheiten entstehen, werden durch einen neuen und separaten Erdungskreis abgeleitet. Dieser wird vom Lautsprecher über den Schukostecker am Freedom-Kabel mit der Erdungsklemme des Stromverteilers verbunden. Durch das Ausgleichen und Filtern von Spannungen über die spezielle Freedom-Schaltung erreicht das Klangbild ein höheres Maß an Kontur, einzelne Instrumente erscheinen definierter. Tipp: Hören Sie sich zunächst ohne das Grounding-Kabel in Ruhe in die Lautsprecher ein, und dann erst schließen Sie dieses an. Sie werden staunen.
Taucht man in das Konstruktionsprinzip der R6 Arreté ein, bietet sich eine handfeste Erklärung für das Abstrahlverhalten bei paralleler Ausrichtung. Gudio Lay, Produktmanagers des deutschen Vertriebs, weist auf das verkappte Dipol-Prinzip des Lautsprechers hin. So findet sich rückseitig ein nach hinten gerichteter 3-Zoll-Tiefmitteltöner, der unmerklich sowohl die Stabilität als auch die Transparenz des Klangbilds unterstützen soll. Dies erklärt auch die anfangs erwähnten offenen Rippen auf der Rückseite. Sein volles Potenzial erreicht dieser technische Kniff freilich dann, wenn die abgestrahlte Energie geradwinklig und damit in Gänze auf die rückseitige Raumwand trifft.
Ein verstecktes Bass-System
Der nach hinten gerichtete Tiefmitteltöner ist jedoch nur eines unter mehreren Konstruktionsmerkmalen, die nicht alltäglich im Lautsprecherbau sind, sich aber konstitutiv auf den Klang auswirken. Wird die R6 mit tiefen elektronischen Bässen gefüttert, ist man zunächst positiv überrascht, wie tief ihr Fundament angelegt wurde. Solche Schallwellen in Richtung Magengrube würde man bei so einer schmalen und wohnzimmerfreundlichen Schallwand nicht erwarten. Es ist faszinierend zu hören, wie sich bei James Blake tiefste Bassfrequenzen leise, aber deutlich körperlich spürbar über dem Wohnzimmerboden ausbreiten und dazu Blakes Falsettstimme mittig in wehklagendem Neo-Gospel erklingt. Wie immer bei James Blake sind diese musikalischen Soundgefilde von der Qualität des Basses abhängig, da sie ohne dessen Stabilität in sich zusammenfallen würden. Das Geheimnis der Basswiedergabe liegt quasi im Verborgenen, da zwei Tieftöner unsichtbar im Inneren der R6 arbeiten und nach unten in Richtung des zunächst so irritierenden Korbgeflechts im Standfuß abstrahlen. Alle R6-Modelle werden mit einem patentierten isobaren Verbund-Basssystem ausgerüstet. Hierzu dient ein handgefertigter, rein nach innen arbeitender 6,5-Zoll- und ein schräg nach unten in Richtung Boden abstrahlender 8-Zoll-Tieftöner. Das von Audiovector so genannte „Isobaric Compound Bass System“ arbeitet dabei wie folgt: Die Massen der beiden beteiligten Tieftöner werden durch die eingeschlossene Luft ohne Präzisionsverlust in ihrem gemeinsamen Innengehäuse miteinander gekoppelt. Dabei „atmet“ das System zusätzlich durch einen präzise abgestimmten Bassreflexkanal an der Lautsprechervorderseite.
Unter HiFi-Journalisten bedient man sich gerne der Floskel, der Lautsprecher „verschwinde“ hinter der Musikreproduktion. Bei der Arreté ist dies ganz und gar nicht der Fall, und das ist auch gut so. Was soll eigentlich diese Phrase? Meist ist damit gemeint, dass sich die Musik komplett von den Lautsprechern löst und quasi nicht greifbar im Raum präsent ist. Bei dieser Art der Wiedergabe aber haben wir häufig mit dem Problem zu kämpfen, dass wir zwar einen vollen Sound vor und bisweilen auch um uns haben, aber womöglich die Ortungsschärfe verlieren und sich die natürlichen Größenverhältnisse von Instrumenten und Stimmen verschieben können. Im Hause Audiovector ist man dagegen ganz der Wahrheit verpflichtet. Die Bühne wird klar von den Lautsprechern rechts und links begrenzt, auch nach oben findet keine Deckenflutung statt, lediglich nach hinten staffelt sich der Raum in eine klar strukturierte Tiefe. Man ist weit davon entfernt, von irgendwelchen Showeffekten geblendet zu werden. Ein Sinfonieorchester wird klar im Raum positioniert, auf der einen Seite von den ersten Geigen und auf der anderen Seite von den Kontrabässen korrekt eingefasst. Und gerade dadurch entsteht der Spaßfaktor, den die Arreté entwickelt. Die Musiker sind immer greifbar, in klarer Abbildung treten sie auf den Hörer zu und mäandern dabei nicht durch Zeit und Raum. Wenn Houston Person und Ron Carter aufreizend lässig Tenorsaxofon und Kontrabass auf der Highnote-Einspielung Just Between Friends miteinander kommunizieren lassen, dann gelingt dies so betörend, weil die ganze Coolness der Musiker nur aufgrund ihres festen Standpunkts auf der Bühne möglich ist. Die Arreté weist den Musikern ihren Platz zu, an dem sie sich in ihrer Individualität entfalten können, ohne einander ins Gehege zu kommen.
Nichts als die Wahrheit
Mitunter hat man Lautsprecher im Hörraum stehen, bei denen man sich permanent mit den Fingern auf der Fernbedienung ertappt. Entweder man verspürt das Bedürfnis, ein wenig leiser zu drehen, da der Hochtonbereich nach einigen Tracks doch an den Hörnerven zerrt, oder aber man ist um mehr Power bemüht, da das Bassfundament zu instabil ist und die Mitten den Sängern nicht die nötige Bruststimme verleihen. In den Tagen mit der großen R6 war meine Fernbedienung dagegen arbeitslos. Es gab nie etwas an der tonalen und dynamischen Ausgeglichenheit zu bemängeln. Gustav Mahlers Lied von der Erde kann selbst auf der klangtechnischen Referenzaufnahme mit Michael Tilson Thomas an einigen Stellen zur audiophilen Tortur werden, weil entweder im ersten Satz die Tenorstimme und die Holzbläser im Fortissimo leicht übergriffig in den Höhen werden oder weil im letzten Satz die Soloflöte in tiefer Lage mangels Schalldruck zu ersticken droht. Intuitiv greift da die Hand schnell zum Lautstärkesteller, um ein wenig nachzusteuern. Mit der Arreté aber war es ein entspanntes Durchhören der CD, weder ein bewusstes noch ein affektives Unwohlsein stellte sich ein, die Fernbedienung blieb einfach auf dem Sideboard liegen.
Klein anfangen und groß aufhören? Bei Audiovector kein Problem, schließlich gibt es das individuelle Upgrade-Konzept, mit dem man sich innerhalb einer Modellreihe – hier etwa der R6 – von der Signature über die Avantgarde bis zur Arreté nach oben arbeiten kann. Jeder Versionssprung bedeutet neue Treiber, neue Gehäusebedämpfung und eine neue Weiche. Selbst die Innenverkabelung wird angepasst. Die Umbauten finden in den Audiovector-Werkstätten in Kopenhagen statt, wo jedes alte Gehäuse zum Abschluss noch eine kosmetische Aufarbeitung erhält. Anschließend wird ein umfangreiches Testprogramm wie bei frisch gefertigten Lautsprechern absolviert, und der Besitzer erhält quasi ein neues Paar Lautsprecher mit neu beginnender fünfjähriger Garantie zurück. Ein Konzept, das nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen spart.
Nein, Lametta und Showeffekte sind bei der R6 Arreté wahrlich nicht zu finden. Dafür aber ein ausgeklügeltes Konstruktionsprinzip, das bei intensiver Beschäftigung mit der Materie mit immer neuen kleinen faszinierenden Details überrascht. Wer also einen Lautsprecher sucht, der sich der musikalischen Wahrheit verpflichtet fühlt, langes und entspanntes Hören bei gleichzeitig involvierendem und dynamischem Sound ermöglicht, der sollte tatsächlich seinen Blick in Richtung Norden lenken und einige Gedanken an die Dänin mit dem französischen Namen verschwenden. Er wird es nicht bereuen.
Wir meinen
Mit einem innovativen Grounding-Konzept und ausgeklügelter Chassis- und Gehäusekonstruktion gelingt Audiovector ein Lautsprecher, der sich ganz uneitel nur der Musik verpflichtet fühlt.
Info
Standlautsprecher Audiovector R6 Arreté
Konzept: passiver Standlautsprecher mit Bassreflexgehäuse, „quasi-Dipol“; Aufrüstung und Ausbau der R6 (und aller Audiovector-Modelle) in verschiedenen Stufen möglich
Bestückung: 1 x AMT-Hochtöner, 1 x Tiefmitteltöner, 2 x Carbon-Tiefmitteltöner (6,5″), 2 x Tieftöner (6,5″ und 8″)
Frequenzgang: 23 Hz bis 52 kHz
Empfindlichkeit: 91,5 dB
Impedanz: 8 Ω
Belastbarkeit: 450 W
Trennfrequenzen: 100/350/3000 Hz
Terminal: Single-Wire (Carbonfaser)
Weitere Besonderheiten: Titan-Schwingspulenträger, DFF(Dynamic Feed Forward)-Weiche, laminierte Schallwände, Nanopore-Dämmung, interne Schock-Absorber, Low Compression Concept (LCC), Soundstage Enhancement Concept (SEC), No Energy Storage (NES), Natural Crystal Structure (NCS);
Maße (B/H/T): 28/123/43 cm
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 28 000 €
Kontakt
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