AudioQuest Thunderbird Zero und Thunderbird Zero Bass – Als ob man einen Vorhang wegzieht
Nur ein Kabel? Nein, weit mehr als das. Der „Donnervogel“ aus dem Hause AudioQuest kann im Vorbeifliegen akustische Vorhänge fortziehen, Nebelschwaden vertreiben, die besten Eigenschaften einer Kette zum Vorschein bringen. Sollte jemand noch einen Beleg brauchen, dass ein Lautsprecherkabel so ernst wie alle anderen Anlagenkomponenten genommen werden sollte – hier ist der klingende Beweis.
Fotografie: Ingo Schulz
Sie sind mir über die Jahre so selbstverständlich geworden wie ein Stuhl oder ein Tisch. Eigentlich nehme ich sie gar nicht mehr wahr. Und das ist auch so gewollt. Denn die Geräteverbinder von AudioQuest halten sich aus dem musikalischen Geschehen so vollständig heraus, wie ihnen dies vom physikalischen Standpunkt her möglich ist. Und haben genau aus diesem Grund einen dauerhaften Platz im FIDELITY-Testequipment. Wenn es darum geht, feinste Klangcharakteristika hochwertiger Unterhaltungselektronik-Bausteine zu beurteilen, sind Kabel mit deutlichem Eigenklang definitiv fehl am Platz. Und ehe man dem aus irgendeinem Grund unvollkommenen Sound einer Komponente mit besonderer Verkabelung beizukommen versucht, ist es sinnvoller, das Zusammenspiel der Einzelteile zu hinterfragen. Oder die fragliche Komponente auszutauschen.
Und dennoch kann ein Kabel gerade dadurch, dass es dem Klang keinen eigenen Stempel aufdrückt, unheimlich viel ausmachen. In diese Kategorie fällt ganz eindeutig auch das AudioQuest Thunderbird Zero Bass. Die Topkabel der Firma werden nach Kreaturen aus der Mythologie benannt. Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil der Klang dieser „Cost no object“-Konstruktionen wie aus einer anderen Welt wirkt, wenn man sie mit gleich teuren Produkten der Mitbewerber vergleicht.
Auch optisch ist ein AudioQuest-Kabel der Toplinie Mythical Creatures Series mit seinem dicht gewebten Textil-Schutzmantel klar von anderen zu unterscheiden.
Für drei Doppelmeter Thunderbird Zero mit Bi-Wiring-Zugabe Thunderbird Zero Bass zahlt man einen Straßenpreis von rund 19 200 Euro. Also nicht eine ziemlich schwere und ungefähr daumendicke Kabelschlange, sondern deren zwei. Weil das beigegebene Thunderbird Zero Bass im Verein mit dem „Hauptkabel“ Thunderbird Zero eine frequenzangepasste, im Aufbau veränderte Bi-Wiring- beziehungsweise Bi-Amping-Konstruktion ist – und eine ziemlich clevere noch dazu, was dann auch die selbstbewusste Preisgestaltung relativiert.
Der Hersteller verbaut sogenannte Solidcore-Leiter aus hochreinem, unversilbertem Kupfer, das bei den US-Amerikanern die Bezeichnung „Perfect-Surface Copper“ (PSC) mit einem dicken Pluszeichen bekommen hat. Dieses Material macht die Kabel schwer und auch etwas steif. Die Kabelklemmen an Verstärker und Lautsprecher sollten also auch höhere Belastungen abkönnen. Andererseits macht schon seine bloße Masse das Thunderbird Zero ziemlich immun gegen Mikrofonieeffekte – das „Hochständern“ auf Lautsprecherkabel-Stützen oder Brücken bringt bei dieser Ausnahmestrippe wenig bis nichts, weil die Trittschall-Isolierung per se schon ausgezeichnet ist.
Die Zero-Technologie, die dem Thunderbird seinen Beinamen gibt, geht von der Annahme aus, dass es möglich ist, ein quasi „impedanzfreies“ Kabel zu entwerfen und so Kompression und Verzerrungen zu vermeiden. Bei der für Bi-Wiring beziehungsweise sogar Bi-Amping optimierten Kombi ist das Thunderbird Zero an sich nur noch für den Hochtonbereich und die oberen Mitten zuständig, in den Tiefen und unteren Mitten übernimmt das Thunderbird Zero Bass. Dies entlastet vor allem bei Konfigurationen mit zwei Stereoverstärkern (oder vier Monoblöcken) den einzelnen Verstärker, der nicht mehr „full range“ übertragen muss. In der Theorie sollte das knackigere und sauberere Bässe und unangestrengtere Höhen bringen. Auch der Stimmbereich sollte davon profitieren, wenn jeder Verstärkerzug nur noch auf einen definierten Teilbereich arbeiten muss.
Keine bloße Theorie, wie der Hörtest in den heimischen vier Wänden rasch zeigte. Zum Glück stehen in der Wohnung des Testers gleich mehrere Schallwandler, die von Haus aus auf Bi-Wiring ausgelegt sind, darunter die Infinity Kappa 7.2 Serie II als „Haus-und-Hof-Box“.
So wie mit der Thunderbird-Kombination habe ich meine amerikanischen Boxenklassiker allerdings noch nie gehört. Der eigentlich immer leicht aufgebläht wirkende Bass – Entwickler Arnie Nudell orientierte sich seinerzeit primär am US-Hörgeschmack und verpasste den Kappas eine unüberhörbare Loudness-Charakteristik mit deutlichem Anstieg des Frequenzgangs in den tiefen Regionen – wurde fast schlagartig zivilisierter, ohne an Tiefgang zu verlieren. Überhaupt gebärdete sich die in Ehren ergraute Rockbox, als sei sie in einen Jungbrunnen gefallen. Nicht wirklich verwunderlich, sind die Kappas doch quer durch alle Generationen stets leistungshungrig gewesen. Stellt man ihnen Kraft pur zur Verfügung, was mit potenten Endstufen wie jenen von Mark Levinson leicht zu bewerkstelligen ist, dann laufen sie zu großer Form auf. So kultiviert und kontrolliert wie mit dem AudioQuest Thunderbird Zero plus Basskabel geht das allerdings so gut wie nie vonstatten.
Hat man doch das hartnäckige Gefühl, dass bis dato vor den Schallwandlern ein mehr oder weniger dicker Vorhang als Klanghindernis hing. Das AudioQuest-Edelkabel ordnet das musikalische Geschehen, fächert das Klangfarbenspektrum weiter auf und gibt den Talenten des jeweiligen Lautsprechers eine komfortable Bühne.
Der Fortschritt ist übrigens mit praktisch jeder Art von Musik nachvollziehbar. Ich schickte sparsam besetzte Kammermusik und großorchestrale Riesenwerke in Elektronenform durch die Reinkupfer-Leiter, fühlte dem Kabel mit druckvollem Bluesrock und schwitzigem Clubsoul auf die rhodinierten Bananenstecker und ließ keine Gemeinheit aus, um die Grenzen des AudioQuest Thunderbird Zero zu finden. Was sich am Ende als vergebliches Unterfangen herausstellte. Sofern die primären Voraussetzungen erfüllt sind – die Schallwandler sollten ein „echtes“, auf verschiedene Weichenzweige zugreifendes Bi-Wiring-Terminal haben, bei den Endstufen ist Gleichheit erwünscht, allerdings kein ganz zwingendes Muss (auch Markenmixe etwa aus Krell für die Bässe und Mark Levinson für die Höhen oder umgekehrt können befriedigende Ergebnisse zeitigen) –, macht die Thunderbird-Zero-Kombination aus einer sehr guten eine herausragende Stereo- oder Mehrkanal-Kette. Auch in der Single-Wire-Version ist es das optimale Kabel und deshalb eine dicke Empfehlung wert.
Mehr als Bi-Wiring
AudioQuests Top-Strippen Robin Hood, Wilhem Tell, ThunderBird, FireBird und Dragon kann man einzeln oder im gemischten Doppel betreiben. Natürlich sind alle Modelle mit der ZERO-Technologie ausgestattet, die den Wellenwiderstand der Leiter auf nahezu null reduzieren soll und so das Zusammenspiel zwischen den verbundenen Komponenten optimiert.
Wie Ihnen auf den Bildern der vorangegangenen Doppelseite aufgefallen ist (ist es doch, oder?), besteht die Top- Line aus jeweils zwei unterschiedlichen Kabeln für den Vollbereich und den Bass. Der Unterschied liegt in der Ankopplung der Schirmung: Schwache elektrische Signale sind heute einer Vielzahl äußerer Einflüsse ausgesetzt. Funkgeschmuddel von Handys, Bluetooth, WLAN und vieles mehr streut Verzerrungen in den Signalfluss ein. Je schwächer das transportierte Signal beziehungsweise je länger das Kabel, umso wichtiger ist die verlässliche und effiziente Schirmung. Bei den Vollbereichskabeln ist die Schirmung konventionell umgesetzt. Der Schmutz wird über die Masse herausgelotst. Anders beim BASS (Abb.): Der Schirm ist hier kapazitiv an die Innenleiter der Strippen gekoppelt, wodurch sich die Leistung des Verstärkers verbessert, wie uns Robert Hay von AudioQuest bei einem Redaktionsbesuch erklärte. Dafür besitzt das Kabel weniger Bandbreite und fällt – natürlich immer noch weit außerhalb des Hörbereichs – früher ab als die Vollbereichs-Version. Dem Bass ist das natürlich schnuppe. Hier zählt nur der Extraschub, der dem Lautsprecher einen Hauch mehr an Kontrolle schenkt.
Wir kommen uns komisch vor, es überhaupt zu erwähnen: Um die doppelten Mystic-Sätze der Amerikaner korrekt einsetzen zu können, muss man die Lautsprecher logischerweise via Bi-Amping oder zumindest mit Bi-Wiring anfahren. Geht das nicht, greifen Sie unbedingt zum Vollbereichskabel ohne Namenszusatz. Carsten Barnbeck
Wir meinen
Dieses Kabel kann nicht billig sein. In der Bi-Wiring-Variante zieht das AudioQuest Thunderbird Zero/Thunderbird Zero Bass zudem mögliche, dennoch sinnvolle Folgekosten nach sich, weil Bi-Amping mit diesem Kabel zu ungeahnten Klang-Höhenflügen führen kann. Besser geht nur schwerlich.
Lautsprecherkabel AudioQuest Thunderbird Zero und Thunderbird Zero Bass
Aufbau: massiver Kupferleiter aus „Perfect-Surface Copper+“(PSC+), Ummantelung Webstoff (schwarz oder blau)
Besonderheiten: Ground Noise-Dissipation (GND)
Konfektionierung: rhodinierte Bananenstecker
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 5599 € (2 x 1 m konfektioniert, Thunderbird Zero mit Thunderbird Zero Bass für Bi-Wiring-Option)
Kontakt
AudioQuest Europe
4704 RH Roosendaal
Niederlande
Telefon +31 165 541404
Mitspieler
CD-Player: Audio Note Zero, Mark Levinson No. 390s
SACD-Player: Marantz SA14 V1, Sony SCD 333 ES, Pioneer D6
Plattenspieler: Clearaudio Innovation Compact, SoReal Audio Seismograph
Tonabnehmer: Clearaudio DaVinci und Concerto V2, Denon DL-103R
Phonoverstärker: Musical Fidelity M-VNYL, Clearaudio Basic
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38S, Trigon Snowwhite, Marantz SC-22
Vollverstärker: Audio Note iZero, Marantz HD-AMP1
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Marantz MA-22 (4 x), John Curl JC3, Trigon Dwarf II
Lautsprecher: KEF R900, Infinity Kappa 7.2 Series II, MuSiCa NoVa PlethorA, diverse von Mordaunt Short