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Audio Research GSPre

Audio Research GSPre und GS150

Audio Research GSPre und GS150 – G WIE GRANDIOS!

Röhrenverstärker erfordern normalerweise Zugeständnisse in Sachen Leistung‚ Kontrolle und Lautsprecherwahl. Doch bei der neuen G-Serie von Audio Research ist alles anders. Sie scheint einfach keine Kompromisse zu kennen.

Wir leben in hektischen Zeiten. Kaum erscheint eine neue Technologie, wird die bisherige für minderwertig erklärt und oft voreilig über Bord geworfen. Was modern ist, gilt automatisch als besser. Nicht selten entpuppt sich ein vermeintlicher Fortschritt jedoch bald als Rückschritt. Merke: Das Wort „modern“ kann auch ein Verb sein. Apropos: Häufig erreichen längst totgesagte Technologien ausgerechnet erst dann ihren qualitativen Zenit, wenn sich die Masse von ihnen abwendet – wie derzeit der „Zombie“ CD. Und mit der Röhrentechnik scheint es auch noch lange nicht vorbei zu sein. Wussten Sie, dass es seit 2013 eine völlig neu entwickelte Leistungsröhre für HiFi-Verstärker gibt? Dazu später mehr.

Zugegeben: Einige konventionelle Transistorverstärker klingen ziemlich gut; manche Class-D-Amps sogar noch besser. Aber in den absolut besten HiFi-Anlagen, die ich gehört habe, verstärkten Röhren die Signale. Bis heute ist mir beispielsweise eine große Installation von Jadis lebhaft in Erinnerung, die mir zusammen mit Vollbereichs-Elektrostaten in den neunziger Jahren neue Hör-Horizonte erschloss. Und erst kürzlich verschob erneut eine Glaskolbenkette meine Maßstäbe gehörig nach oben. Eigentlich war das überhaupt nicht zu erwarten, wenn man sich die Rahmenbedingungen vor Augen führt: Messetrubel, ein akustisch eher ungünstiger Raum und bis auf ein paar Pflänzchen null Roomtuning. Vorgeführt wurde ausgerechnet mit Hornlautsprechern – ein Schallwandlerprinzip, das ich persönlich nie besonders mochte. Überdies diente als Quelle keinesfalls eine der üblichen Verdächtigen, wenn es um maximale Klangausbeute geht. Statt von Bandmaschine, Plattenspieler oder HD-Streamer kam die Musik von der guten alten CD. Das schien hier jedoch überhaupt kein Handicap darzustellen. Im Gegenteil: stinknormale 16 bit/44,1 kHz-Silberscheiben klangen via C.E.C.-Laufwerk und Kondo-Wandler deutlich besser als jede andere mir bekannte Digitalquelle. Es war schlicht atemberaubend, wie die japanische Kondo-Elektronik mit den riesigen Living-Voice-Hörnern die Musik zum Leben erweckte. Atemberaubend war allerdings auch der Preis der kompletten Anlage: rund eine Million Euro!

Leider müssen wir die abgehobenen Sphären von Kondo und Konsorten nun verlassen. Verglichen mit dem erwähnten Wahnsinns-System wirken sogar die stattlichen Röhrenverstärker der brandneuen G-Serie von Audio Research beinahe billig. Es ist eben alles relativ. Die Vorstufe GSPre des amerikanischen Herstellers ist bereits für 16 000 Euro zu haben, und die Endstufe GS150 schlägt mit dem für Millionäre ebenfalls höchst überschaubaren Sümmchen von 21 000 Euro zu Buche. Da ist es im Falle einer anstehenden Erneuerung des Röhrensatzes durchaus verlockend, einfach das ganze Gerät wegzuwerfen und ein neues zu kaufen … Okay, Spaß beiseite. Für Schnäppchenjäger sind diese Verstärker ungeeignet, aber ich habe wirklich ausnehmend gerne mit ihnen Musik gehört. Falls Sie nun einwenden, dass das bei solchen Preisen ja wohl selbstverständlich ist, muss ich Sie enttäuschen: Viele sehr teure Produkte eignen sich zwar hervorragend, um die Qualität einer Aufnahme zu beurteilen, aber mit emotional ergreifender Musikwiedergabe haben sie keineswegs zwangsläufig mehr am Hut als günstige Elektronik.

Audio Research baut seit stolzen 44 Jahren Röhrenverstärker. Inzwischen haben die Amerikaner aus der Stadt Minneapolis in Minnesota auch Schaltverstärker im Programm. Man ist augenscheinlich offen für neue Technologien, hält aber parallel dazu weiterhin den Glaskolben die Treue. Was zählt, ist der bestmögliche Klang – womit man ihn erreicht, ist zweitrangig.

Die G-Serie ist eine Hommage an den Wissenschaftler Galileo Galilei. Gestalterisch schlägt sie eine Brücke zwischen Tradition und Zukunft von Audio Research. Zahlreiche Kunden wünschten sich ein wohnzimmertauglicheres Design von den Amerikanern. Für einen Hersteller mit bislang stets betont konservativer Ästhetik ist die frische Optik von GSPre und GS150, die sich an klassischen Audio-Research-Komponenten aus den Siebzigern wie SP-1 und D-79 orientiert, ein durchaus gewagter Schritt. Dafür, dass er so gut gelungen ist, zeichnet Livio Cucuzza verantwortlich. Der Italiener hat bereits bei diversen Hinguckern von Sonus faber oder dem futuristischen Wadia Intuition 01 sein ausgeprägtes Gespür für Formen unter Beweis gestellt.

Wer trotzdem das vertraute Audio-Research-Design vorzieht, wird auch weiterhin fündig: Die G-Serie soll keine Produkte im aktuellen Portfolio ersetzen, sondern dient als zusätzliche Plattform für neue Ideen. Der ein oder andere Fan der Marke wird möglicherweise die von Audio Research gewohnten Griffe auf den aufgeräumten Stahlfronten vermissen, aber keine Sorge: Sie befinden sich bei den G-Modellen seitlich auf dem Gehäuse. Dort erfüllen sie ihren Zweck sogar viel besser. Noch nie war es derart komfortabel, eine 40-Kilo-Endstufe durch die Gegend zu wuchten. Dagegen ist der GSPre mit seinen elf Kilogrämmchen ein echtes Fliegengewicht und bräuchte eigentlich keine Tragegriffe. (Die G-Serie wird übrigens schon bald um einen Vollverstärker namens GSi75 bereichert. Der neue Integrierte generiert pro Kanal 75 Watt, hat eine vollwertige Phonostufe sowie einen DSD-fähigen D/A-Wandler an Bord und wird etwa 19 000 Euro kosten.)

Interessanterweise repräsentiert die GS150 nicht nur in Bezug auf ihr Design eine Kombination aus Alt und Neu. Sie ist eine klassische Push-Pull-Endstufe, aber in ihrer Leistungssektion werkelt eine Röhre aus dem Jahr 2013. Die eiförmige KT150 von Tung-Sol stellt mit maximalen 70 Watt Anodenverlustleistung die kräftigste Beam-Power-Tetrode dar, die bislang gebaut wurde. Alle anderen aktuellen Verstärker von Audio Research basieren auf der eng mit der KT150 verwandten, etwas schwächeren und ebenfalls noch recht jungen KT120 desselben russischen Herstellers. In der GS150 liefert pro Kanal ein KT150-Quartett stramme 155 Watt – ach was, ersetzen Sie „stramme“ lieber mit „brachiale“, das kommt dem subjektiven Höreindruck näher. Die GS150 entfesselt an durchschnittlich empfindlichen Lautsprechern Urgewalten, wie ich sie noch niemals von einem Röhrenverstärker vernommen habe.

Eine „amerikanische“ Abstimmung mit der gewissen Extraportion Bass ist dabei jedoch nicht im Spiel; die GS150 übertreibt nicht. Sie zaubert allein mittels ihrer beispiellosen Kontrolle riesige Klangbilder in den Raum, ohne dabei jemals angestrengt zu wirken. Zu einer derart spielerisch lässigen Performance ohne dynamische Einschränkungen sind nur die allerbesten Verstärker fähig. Angesteuert wird das mächtige KT150-Quartett mit der gleichen Röhre, die das Signal in der Eingangsstufe in Empfang nimmt: der 6H30P-EB von Sovtek. Diese Doppel­triode genießt einen exzellenten Ruf und wird seit Jahren gerne von Audio Research eingesetzt.

So auch im neuen GSPre: Dort arbeiten pro Kanal zwei der russischen Glaskolben; zwei weitere sitzen in der aufwendigen Phonostufe. Sämtliche Sovteks sind mit mikrofoniehemmenden und klangfördernden Röhrendämpfern versehen. In den Eingangsstufen der Hochpegel- und Phonoabteile werkeln störgeräuscharme Sperrschicht-Feldeffekttransistoren (JFETs). Der gegenkopplungsfreie Class-A-Vor­verstärker mit sieben Spannungsregulationsstufen im Netzteil verfügt über zwei symmetrische und vier unsymmetrische Eingänge, von denen einer dem MM- und MC-tauglichen Phonoteil vorbehalten ist. Der GSPre gibt das Signal wahlweise per XLRs oder Cinchbuchsen aus. Auf der rechten Seite des Gehäuses versteckt sich außerdem ein hochwertiger Kopfhörerausgang. Steuern lässt sich der GSPre nicht nur mit den Knöpfen und Drehreglern am Gerät, sondern auch mit der mitgelieferten und absolut standesgemäßen Metall-Fernbedienung.

Die beiden Drehregler aus Plastik hingegen dürften gerne solider ausfallen und fester in der Front verankert sein – insbesondere in Anbetracht des aufgerufenen Verkaufspreises und der ansonsten wirklich makellosen Verarbeitungsqualität von Vor- und Endstufe. Das Display ist in seiner Helligkeit regulierbar sowie ganz abschaltbar. Neben hilfreichen Features wie Mono-Modus und Phasenumkehr besitzt der GSPre ebenso wie die GS150 auch einen praktischen Betriebsstundenzähler. Bei der Endstufe befindet sich in Form eines Displays direkt über dem Netzanschluss. So weiß man ganz genau, wann es Zeit für neue Röhren ist. Der Hersteller verspricht durchschnittlich 4000 Stunden für die 6H30P-EB und 2000 Stunden für die KT150. Beide Geräte sind mit einer (deaktivierbaren) automatischen Abschaltung ausgestattet.

Die Übertrager der GS150 befinden sich wie ihr Netztrafo ganz vorne und machen die fast 60 Zentimeter tiefe Endstufe sehr frontlastig – also bitte achtgeben beim Lupfen! Da die GS150 bereits im Leerlauf heftige 420 Watt aus der Steckdose zieht, verfügt sie über eine höher belastbare C19-Netzbuchse. Ein passendes Stromkabel liegt bei. Musiksignale nimmt das Krafpaket ausschließlich über XLR-Buchsen in Empfang. Lautsprecherkabel können wahlweise an Vier- oder Acht-Ohm-Schraubklemmen angeschlossen werden.

Eier aus Käfighaltung sind verpönt, aber wer mag, darf getrost die Haube auf dem KT150-Ensemble belassen. Zwei flüsterleise Ventilatoren im Heck des Käfigs verhindern zuverlässig einen Hitzestau beim Brüten. Drei große Zeigerinstrumente auf der Front der Endstufe informieren den Besitzer erstens über die abgegebene Leistung, zweitens darüber, wie genau die vorgesehene Betriebsspannung eingehalten wird, und drittens über den Ruhestrom jeder einzelnen Endröhre. Letzterer sollte von Zeit zu Zeit überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Dazu wähle man über die Drehregler eine der durchnummerierten KT150er an und justiere mit dem beigepackten Werkzeug an den seitlich hinter der Front angebrachten kleinen Potentiometern den Ruhestrom auf den im Display mit „Bias“ markierten Sollwert – ein Kinderspiel.

„Majestätisch“ ist ein Begriff, der mir beim Hören von GSPre und GS150 immer wieder in den Sinn kommt. Alles wirkt enorm groß und extrem souverän. Kompaktboxen klingen bekanntlich deutlich erwachsener, als ihre Physis vermuten lässt, wenn sie mit reichlich Verstärkerleistung versorgt werden. Und dass Röhren-Watt anders zu bewerten sind als Transistor-Watt, ist ebenfalls kein Geheimnis. Trotzdem bin ich völlig baff, als ich die GS150 mit meinen Capriccio Continuo Admonitor Premiere verbandele. Statt eines kleinen Monitors mit 13er-Tiefmitteltöner scheint da jetzt tatsächlich ein Standlautsprecher die Musik zu erzeugen!

Eigentlich glaubte ich ja, sowohl meine Böxchen als auch die Abmessungen meines überschaubar großen Hörraums gut zu kennen. Doch das Power-Duo von Audio Research schafft alle Wände um die Schallwandler herum komplett ab und ersetzt sie vollständig durch die Begrenzungen des Raumes, in dem die jeweilige Aufnahme stattgefunden hat. Übrigens: Falls Sie das monumentale Klangbild der G-Amps auch nur im Leisesten den Lautsprechern als Entstehungsort zuordnen können, ist es entweder an der Zeit, die Aufstellung ihrer Bo­xen grundlegend zu überdenken oder sie gleich durch kompetentere Exemplare zu ersetzen.

Das für Röhrenverstärker ungewohnte Durchsetzungsvermögen von GSPre und GS150 wird erfreulicherweise nicht mit einem trägen Klang erkauft, der vor Kraft kaum laufen kann. Auf dem unverrückbaren Fundament der bärenstarken Amerikaner baut sich ein ungemein farbstarkes, geschmeidiges und bewegliches Panorama auf. Sie sind stets auf Zack und strotzen nur so vor Spielfreude und Energie. Obwohl sie ohne einen vordergründigen „Sound“ auskommen, besitzen sie genau das rechte Maß an unnachahmlichem Röhren-Flair und -Schmelz, das selbst kostspieligste Transistoren zu Langweilern degradiert.

Wie festgenagelt sitzt man plötzlich sogar vor Alben wie Floating Into The Night von Julee Cruise, das mit anderen Verstärkern schnell zum Gähnen anregt, weil die simplen Popsongs so gleichförmig vor sich hin zu plätschern scheinen. Die Audio-Research-Kombi hingegen arbeitet feinste Schwebungen im verträumten Gesang von Julee Cruise heraus und entblößt erst zur Gänze die herrlich surreale Stimmung der von Angelo Badalamenti und David Lynch geschriebenen Stücke. Wer sich noch an die Fernsehserie Twin Peaks aus den 90ern erinnert, wird unter anderem die Titelmelodie auf diesem Album wiedererkennen.

Mit ihrer klassischen und doch zeitgemäßen Optik, einer traditionsverbundenen und dennoch aktuellen Technik sowie ihrem erhabenen und gleichzeitig beseelten Klang verkörpern GSPre und GS150 auf allen Ebenen das Beste aus höchst unterschiedlichen Welten und Zeiten. Die neue G-Serie von Audio Research demonstriert eindrucksvoll, was heutzutage mit der vermeintlich antiquierten Röhrentechnik möglich ist.

 

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