Audio Physic Codex – Mittendrin statt nur dabei.
Die Audio Physic Codex ist ein Traumwandler, bei dem einfach alles stimmt: Klang, Emotion, Optik, Verarbeitung. Und in jedem Detail des Standlautsprechers steckt eine eigene Geschichte …
„Die dachten wahrscheinlich, ich mache einen Witz“, erinnert sich Manfred Diestertich und lacht. Die Begebenheit liegt schon Jahre zurück. Damals suchte er nach innovativen Werkstoffen für seine Lautsprecher und stolperte über Siliziumcarbid in Form eines hitzefesten, betonharten Keramikschaums. Normalerweise wird das Material eingesetzt, um flüssiges Eisen von Schlacke zu trennen. Dass der Hersteller irritiert war, als die Anfrage eines Lautsprecherherstellers kam, kann er sogar verstehen.
Doch Diestertich blieb hartnäckig und erhielt seinen Werkstoff. Und der erwies sich nach wenigen Versuchen als Ende seiner Reise: Carbid dämmt, stabilisiert und beruhigt einen Lautsprecher. Da es großporig ist wie ein Schwamm, schränkt es das Innenvolumen nicht sonderlich ein und hält das Gewicht in Grenzen. Und falls gewünscht, lässt es den Schall durch seine Poren. Das konsequenteste Beispiel für den Einsatz dieses Wunderstoffs ist Audio Physics Spitzenmodell „Structure“, dessen Gehäuse größtenteils aus Keramikschaum besteht. Um die soll es hier aber nicht gehen, denn wir unterhalten uns über die kleinere, jedoch nicht minder exklusive Codex. Auch hier kommt Siliziumcarbid zum Einsatz − als großflächiger Verschluss des Gehäusebodens und als punktuelle Reflexionsdämmung hinter den Mittel- und Hochtönern.
Folgt man den Ausführungen des Audio-Physic-Entwicklers, fragt man sich zwangsläufig, ob er sich selbst als Lautsprecherbauer oder als Materialforscher betrachtet. Einen perfekten Ankerpunkt für diese Diskussion liefern die Magnetfüße „VCF V Magnetic plus“ (um 1400 Euro), die uns „zum Spielen“ mitgeliefert wurden. Diestertich konstruierte sie so, dass sie die gewichtige Codex vom Boden lösen und schweben lassen. Nicht vollständig, versteht sich. Die Magneten sind in einen Mantel aus Gewebe eingearbeitet, der sie seitlich fixiert. Der Effekt: Im Vergleich zu den serienmäßigen Spikes spielt die Standbox auf den VCFs so gelöst, frei und transparent, dass man sie mit geschlossenen Augen nicht mehr orten kann. Der Raum vor dem Hörplatzt wird zu einer endlosen Bühne.
Zu praktisch jedem Aspekt des Schallwandler könnte man so eine Story erzählen, denn Lösungen von der Stange gibt es bei Audio Physic nicht. Am ehesten könnte man da noch auf die vier Treiber der etwas mehr als hüfthohen Standbox verweisen. Die stammen von Wavecor, werden aber nach eigenen Spezifikationen extra für die Briloner gefertigt. Und sollten Sie bei der Nennung von vier Treibern stutzig werden: Sie haben richtig gezählt … am Lautsprecher selbst kann man nur deren drei erkennen.
Im Zentrum dieses Trios liegt der federleichte, mit Keramik beschichtete Alu-Hochtöner, der in Sphären von 40 Kilohertz vordringt. Das Abstrahlverhalten des Tweeters wird von einem Gewebering kontrolliert. Darüber und darunter sind zwei 17-Zentimeter-Membranen verbaut, die als Mitteltöner respektive Tief-/Mitteltöner arbeiten. Nicht zu sehen ist der 27-cm-Langhub-Woofer im Inneren der Box. Der übernimmt ab 100 Hertz und spielt bis in die untersten Register, die für die Codex bei 28 Hz erreicht sind. Der Treiber besitzt eine Papiermembran und ist in einem eigenen Gehäuseséparée untergebracht, dessen vom Siliziumcarbid-Pfropfen verschlossener Boden hier gewissermaßen als Luxusversion einer Bassreflexöffnung dient. Blickt man unter die Box, kann man das mausgraue, korallenartige Geflecht sehen.
Man müsste schon reichlich abgebrüht sein, würden einem nicht all die „Ohhs“ und „Ahhs“ über die Lippen kommen, die uns beim Auspacken und Aufstellen des Lautsprechers entschlüpften. Etwa angesichts des honigfarbenen gemaserten Lautsprecherfurniers, dessen Facettenreichtum und Tiefe uns überwältigen. Beim richtigen Licht scheinen die feinen Zeichnungen wie Flammen zu tanzen. Audio Physic hat den Zulieferer seiner edlen Oberflächen in Italien aufgetan. Die Manufaktur verarbeitet heimische, gut verfügbare Hölzer und schneidet sie in so feine Schichten, dass sie lichtdurchlässig werden. Anschließend werden die hauchdünnen Blätter zu stets einzigartigen, heterogenen Furnieren verleimt.
Wahlweise kann man die Standbox auch farbig lackiert oder in einer Glas-Version bestellen, die den Furnieren und ihren lupenreinen Oberflächen noch mehr Glanz verleiht. Im Gegensatz zu unserer 38 Kilogramm schweren Standard-Version wiegt die glasbeschichtete Codex stattliche 44 Kilogramm.
Dann lass mal was hören …
Die Boxen aus Brilon überraschen mich stets aufs Neue. Audio Physics Kreationen spielen derart schnell und straff, so zeitrichtig und phasentreu, dass sie ein kleines Teufelchen in meinem Kopf als „tendenziös schlank“ verankert hat. Merkwürdig, denn die Codex ist nicht der erste Lautsprecher, der mich eines Besseren belehrt: Trotz ihrer unaufdringlichen Erscheinung schiebt sie Bässe mit respekteinflößender Autorität und einer atemberaubend flinken Attacke in den Hörraum. Den Auftakt meines Hörtests bildet Tori Amos’ Conflake Girl. Die ersten Sekunden des Titels bestehen aus einer quirligen Gitarre, die nach wenigen Momenten von der Begleitung aus Klavier, Bass und Schlagzeug abgelöst wird. Das Tempo halbiert sich gefühlt, doch gerade das lässt die Backings so wuchtig und betörend wirken. Antritt und Stabilität der ausklingenden Bassnoten kommen exzellent herüber. Das knochentrockene Fundament reicht tief hinab und offenbart nicht den geringsten Anflug von Kompression oder Verzerrung … selbst dann nicht, wenn die Kickdrum ihren mächtigen Punch in den Raum wirft und die Snare mit peitschenden Impulsen alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Ich greife zur Fernbedienung von Naims Star und springe eine CD zurück in Amos’ Portfolio: Little Earthquakes. Schon baut „Precious Things“ mit seiner markanten, von tiefem Hall getragenen Klavierfigur Spannung auf. Die kurzen, perlenden Töne verlieren sich in einem undefinierbaren Raum, während das rhythmische Atemgeräusch im Intro des Songs eher neben mir als zwischen den Boxen zu entspringen scheint. Atemberaubend – und etwas irritierend. Aber wie bereits erwähnt weigert sich die Codex vehement, als ortbare Schallquelle in Erscheinung zu treten.
Würde man mir die Aufgabe stellen, die superbe Box mit einem einzigen Wort zu beschreiben, würde ich „musikalisch“ wählen. Dass sie herausragend verarbeitet ist, bedingungslos linear spielt und einen tiefen, kraftvollen sowie straffen Bass besitzt, ist fantastisch, doch vergisst man diese Attribute ohnehin, wenn einen die Box von jetzt auf gleich ins Zentrum der Musik zieht – und das kann die Codex wie kein anderer Schallwandler ihrer Klasse.
Wir meinen
Herausragende Verarbeitung trifft auf überragende Musikalität und einen neutralen, aber dennoch mitreißenden Charakter. Zusammen mit ihrer unvergleichlichen Gelöstheit macht das die Codex zu einem unwiderstehlichen Suchtmittel.
Info
Standlautsprecher Audio Physic Codex
Konzept: 4-Wege-Standlautsprecher, passiv
Bestückung: HHTC-III-Hochtöner (2,5-cm-Alu/Keramik-Kalotte), HHCM-III-Mitteltöner (17-cm-Alu/Keramik-Membran), Tiefmitteltöner (17-cm-Aluminiummembran), Basstreiber Impedanz: 4 Ω
Wirkungsgrad: 89 dB
Frequenzgang: 28 Hz bis 40 kHz
Maße (B/H/T): 20/120/37 cm
Gewicht: 38 kg (Standard), 44 kg (Glas-Version)
Garantiezeit: 10 Jahre
Paarpreis: 11 000 €
Kontakt
Audio Physic GmbH
Almerfeldweg 38
59929 Brilon
Telefon +49 2961 96170
Mitspieler
Digitalquellen: Audiodata MusikServer MS II, Melco N100, Auralic Altair, Ayon CD-3sx
Komplettanlage: Naim Uniti Star
Plattenspieler: Clearaudio Innovation mit Universal-Arm
Phonoentzerrer: Cambridge Audio Duo, Einstein The Phono Amp
Endverstärker: Lumin Amp
Lautsprecher: B&W 702 S2, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: AudioQuest, Chord Company, Vovox