Audio Physic Cardeas – Hier spielt die Musik!
Dem Schwung und der Lebendigkeit der neuen Cardeas von Audio Physic kann man sich nicht entziehen.
Das neue Top-Modell aus Brilon zählt zu den herausragenden Wandlern, die alles um sich herum vergessen lassen. Und das ist nur ein Teil seiner vielen Besonderheiten …
Nicht nachdenken, einfach treiben lassen. Dieser Moment gehört dem Bauchgefühl. Vergessen Sie die Diskussion über richtige und falsche Musik. Sie mögen Klassik und Jazz? Rein damit in den Player. Oder können Sie besser bei Techno abschalten? Perfekt! Beim ersten Date mit einem Lautsprecher sollte man den Kopf beiseitelegen und zwanglos beobachten, was die Füße tun. Lange muss man sich nicht gedulden, denn der Effekt zeigt sich schon bald. Sollten Sie nach wenigen Augenblicken nicht mitwippen und keine Gänsehaut spüren, dann wartet Arbeit: justieren, rücken, Kabel probieren. Falls Sie hingegen in Schwingung geraten, sich für Stunden vergessen und der Groove seine Wirkung entfaltet … tja, dann haben Sie einen Lautsprecher vom Kaliber der Cardeas vor sich.
Die neue Klangskulptur aus Brilon zählt zu jenen exklusiven wie unkomplizierten Kreationen, die ihr Auditorium sofort fesseln und bei jeder Gelegenheit demonstrieren, dass sie sich nicht um Umgebungsvariablen scheren. Als wir die brusthohe Box an einem sonnigen Dezembertag in Empfang nahmen, fühlte sie sich an wie ein Eisblock. Schnell hatten wir sie in den Hörraum gewuchtet und ihre Terminals mit Lyngdorfs TDAI-3400 verbunden. Ohne sonderliche Anstalten zu machen, sie auszurichten – die Cardeas sollte sich erst einmal akklimatisieren. Doch völlig ungerührt von alledem fegte sie los, als gäbe es kein Morgen. Der erste Titel, den ich hören konnte, war eine Zufallsentscheidung des Roon-Servers: Boy Harshers „Fate“ (Album: Careful) flutete den Raum mit knarzigen Bässen und lässigem 80er-Charme. Die dunkel gehauchten Phrasen von Sängerin Jae Matthews wirkten greifbar und offenbarten eine Intensität, die mir bislang entgangen war. Mit ihrem sauberen und klaren Timbre deckten die Lautsprecher zudem zahlreiche Details der Abmischung auf. Was mich jedoch am meisten beeindruckte, waren die unglaubliche Tiefe der Abbildung, das abgrundtiefe Grummeln des Basses und die exzellent gestaffelte, herrlich gelöste Bühne der Boxen – die bis jetzt ja noch nicht mal richtig standen.
Ich will Ihnen natürlich nicht vormachen, dass mich die atemberaubende Performance der Cardeas kalt erwischt hätte. Zum einen kenne ich die Lautsprecher der Sauerländer. Außerdem konnte ich die neue Cardeas schon zwei Monate zuvor kurz hören. Direkt im Briloner Stammsitz, in jenem Zimmer, in dem sie entwickelt und abgestimmt wurde. Schon damals blieben mir die Musikalität und die geradezu überirdische Plastizität der Klangabbildung als überragende Stärken der Box im Ohr. Im Vergleich zu der schwarz-weißen Schönheit, die nun im FIDELITY-Hörraum stand, wirkte der Prototyp allerdings vergleichsweise unfertig – ihm fehlten noch große Teile der Verkleidung. Und doch strahlte er bereits eine Aura aus, die jede Frage danach, wo genau sich der Lautsprecher im Portfolio einreiht, erübrigte.
Wenn Sie das Sortiment von Audio Physic kennen, wissen Sie, dass es bereits einen namensgleichen Schallwandler gab. Und Sie werden sich wundern, warum die Neue kein „Mk II“ oder einen anderen Zähler trägt. Am besten schieben Sie die ausgelaufene Cardeas in Gedanken vollständig zur Seite. Die Vorgängerin spendete die Grundmaße – auch sie erreichte etwa Brusthöhe – und ihren Rang als Top-Modell. Den Rest des Konzepts entleiht sich die Neue von der 2013 vorgestellten „Structure“. Sie ist also eher die Neubesetzung der „Cardeas-Klasse“ als eine „Cardeas II“. Mit der Structure begann für die Sauerländer eine neue Zeitrechnung, die Manfred Diestertichs Ruf als Materialforscher und nimmermüden Tüftler zementierte. Da das neue Top-Modell die Vorgaben der Structure nicht nur übernimmt, sondern in jeder Hinsicht verfeinert und um entscheidende Schlüsselelemente erweitert, wird das Vorbild nicht mehr benötigt. Die Structure übergab das Szepter des Technologieträgers an die Cardeas und ist jetzt im Ruhestand.
Aufbau und Design des Flaggschiffs bedeuten eine Abkehr von allen Konventionen. Statt aus einem homogenen Material besteht der Klangkörper aus einem Komposit. Das basiert auf federleichten Polymerplatten, die wegen ihrer sechseckigen Wabenstruktur „Honeycomb“ genannt werden. Diese Waben sind beidseitig mit dünnen MDF-Platten versiegelt. An den Außenwänden sind große Glasflächen angebracht. Sie werden von Spezialkleber sowie klimabeständigen Klebebändern gehalten, die gleichzeitig als Abstandshalter wirken. Die Luft zwischen Gehäuse und Abdeckung erfüllt ebenfalls einen Zweck: An mehreren Stellen ist die Cardeas offen. Der Schall wird unter den Glasplatten hindurchgeleitet, was die Funktion einer Bassreflexöffnung erfüllt. Die Gehäuseöffnungen sind mit einem Keramikschaum versiegelt, der den Luftdurchlass kontrolliert. Dieses Wundermaterial, ein Siliziumcarbid, das beinahe so hart ist wie Diamant, stammt aus der Metallurgie und wird eingesetzt, um flüssigen Stahl von Schlacke zu trennen. In der Cardeas hat es eine eher simple Aufgabe: Es dient nicht nur als Strömungsdämpfer an allen Gehäuseöffnungen, mehrere Platten sind – zumeist genau hinter den Treibern – als Absorber verbaut. Die zahlreichen Innenverstrebungen, die Stabilität und Steifigkeit des Tragrahmens erhöhen, zugleich aber auch isolierte Volumen für die vier Wege formen, bestehen mal nur aus MDF, mal aus dem Honeycomb-Verbund – je nachdem, was an der betreffenden Stelle erforderlich ist und besser klingt.
Schon an der Grundkonstruktion lässt sich erkennen, dass die Box kompromisslos auf Klangperformance gezüchtet wurde. Aufbauend auf ihrer jahrzehntelangen Erfahrung erarbeiteten sich Diestertich und sein Team die Lösungen durch mühseliges „Trial-and-Error“. Die Cardeas entstand im Hörraum und nicht am Computer. Bei meinem Besuch in Brilon konnte ich noch verschiedene Spuren des langjährigen Prozesses entdecken. So zeigte mir Geschäftsführer Wolfgang Lücke einen ganzen Schrank voll unterschiedlicher Klebstoffe. Selbst für die Verbindung der einzelnen Bauteile wurde lange nach dem klanglich optimalen Mittel gesucht. Zielsetzung aller Maßnahmen war es, dem Lautsprechergehäuse jeden Eigenklang auszutreiben. Umgekehrt sorgt die dämpfende Konstruktion dafür, dass die Cardeas nicht anfällig gegen Trittschall oder ähnliche Fremdanregungen ist. Hinzu gesellen sich Details wir die asymmetrisch verbauten Treiber und eine nach hinten geneigte Frontfläche, die Laufzeitunterschiede ausgleicht. Die Lautsprecher ruhen auf Auslegern aus schwarz eloxiertem Aluminium, an dessen Enden VCF-Füße verschraubt werden. Sie lassen die Cardeas durch ihre kräftigen, von Gewebebändern in Position gehaltenen Magneten schweben. Die Ausleger sind übrigens ihrerseits mit Neoprendübeln vom Gehäuse isoliert. Wenn schon aufwendig, dann aber richtig!
Als ich Manfred Diestertich im Verlauf einer Videokonferenz frage, welches Detail des neuen Flaggschiffs seiner Ansicht nach am bemerkenswertensten sei, kommt er ohne Umschweife auf den Mitteltöner. Seit Jahren habe ihn der Gedanke umgetrieben, ein Chassis ohne dämpfende Zentrierung zu entwickeln. Das sei ihm nun gelungen: Als Basis dient eine anodisierte und eloxierte Aluminiummembran, die von einer neuartigen Sicke in Position gehalten wird. Der außen auffällig flache Ring besitzt innen ein U-Profil, das die Membran stützt und so nicht nur fixiert, sondern auch leicht in Spannung versetzt. Das typische Resonanzverhalten, Klingeln und Nachschwingen des Materials ist damit passé. Dieser neuartige Treiber brachte derart überzeugende Klangergebnisse, dass mit ihm die Idee eines neuen Top-Modells geboren wurde. Er ist fraglos die Keimzelle der Cardeas.
Der einzigartige Treiber befindet sich freilich in bester Gesellschaft. Um die formidablen Eigenschaften des Mitteltöners in höhere Sphären zu übertragen, entwickelte Audio Physic einen neuen Alu-Tweeter, der ebenfalls von einer Sicke gehalten wird. Im Fuß des Lautsprechers steckt derweil jenes unsichtbare Woofer-Duett, das man bereits aus der Codex oder der Structure kennt. Die beiden superflachen 28er arbeiten Rücken an Rücken im Push-Push-Prinzip. Das gleicht ihre Kräfte aus und ermöglicht ein abgrundtiefes Bassfundament, ohne die Box unnötig zu erschüttern. Für den sauberen Übergang zwischen Bass und Mitten sorgt ein zusätzlicher Tiefmitteltöner. Der ist das konventionelle Glied in der Treiberkette, was sicher nicht despektierlich gemeint ist – er leistet hervorragende Arbeit.
Parallel zum Carbidschaum entdeckten die Tüftler einen weiteren neuen Werkstoff: Als Signalübertrager auf der Frequenzweiche findet ein Kupferschaum Verwendung. Das Material ist, in dickere Lagen geschnitten, auch in den Kondensatoren verbaut. Audio Physic zählt damit zu den ganz wenigen Herstellern, die sich ihre Elektronikbauteile nicht nur nach eigenen Spezifikationen fertigen lassen, sondern diese gleich selbst entwickeln. Die einzigen Bauelemente, die nicht aus Brilon stammen, sind die Innenverkabelung von AudioQuest sowie die vorzüglichen Single-Wire-Terminals, die aus WBTs neuer PlasmaProtect-Fertigung kommen.
Selten hatten wir einen Lautsprecher vor uns, der bis ins kleinste Detail so ausgeklügelt und liebevoll ausgeführt war, der so exotisch und einzigartig wirkte. Was mich am meisten erstaunt, ist die Tatsache, dass kompromissloses „Form follows function“ derart zeitlose Schönheit hervorbringen kann: Die Proportionen der Cardeas wirken perfekt, was nicht zuletzt dem intelligenten Basskonzept zu verdanken ist, das ein schlankes Gehäuse ermöglicht. Die asymmetrische Treiberanordnung wird durch feine Linien auf der oberen Frontpartie abgefangen, während die weiße Lackierung den durchaus wuchtigen Wandler im Raum verschwinden lässt. Vor allem im modernen Ambiente dürften die kompromisslos verarbeiteten Großkaliber eine Augenweide sein.
Und obendrauf gibt es einen Klang, der an Ausgewogenheit, Bandbreite und Klarheit kaum zu überbieten ist. Die plastische Abbildung verteilt selbst größte Orchester differenziert und in voller Klangpracht auf der Bühne, holt die Atmosphäre kleiner Live-Clubs ins Wohnzimmer oder versetzt die Zuhörer mit brutalen Impulsen mitten in eine Dancehall. Ihren sauberen, geradezu markerschütternden Bass schüttelt die Box mit müheloser Leichtigkeit aus dem Handgelenk. Mit einem Wirkungsgrad von fast 90 Dezibel ist sie wahrlich nicht wählerisch beim Verstärker. Auch bei der Aufstellung ist sie gnädig. Die enorme Phasenrichtigkeit ihrer Treiber gewährt exzeptionelle Durchhörbarkeit und bedingungslose Musikalität. Damit ist die neue Cardeas nicht nur ein herrlich unkomplizierter Schallwandler, sondern auch einer, an dem sich die Wettbewerber in dieser Klasse die Zähne ausbeißen werden. Die bislang stärkste Box aus Brilon!
Wir meinen
Kompromisslose Musikalität, überirdische Raumabbildung und ein klares, extrem sauberes Timbre – die Audio Physic Cardeas wird dem Anspruch eines Flaggschiffs mehr als gerecht. Das tolle Design und eine extrem unkomplizierte Handhabung gibt’s obendrauf.
Info
Lautsprecher Audio Physic Cardeas
Konzept: 4-Wege-Standlautsprecher, passiv
Bestückung: 2 x 28-cm-Tieftöner (Push-Push-Anordnung im Inneren der Box verbaut), 18-cm-Tiefmitteltöner, 15-cm-Mitteltöner (HHCM SL, zentrierungslos), 39-mm-Hochtöner (HHTC III+)
Terminal: Single-Wire mit WBT PlasmaProtect
Frequenzbereich: 25 Hz bis 40 kHz
Impedanz: 4 Ω
Wirkungsgrad: 89 dB
Empfohlene Verstärkerleistung: 40 bis 350 W
Ausführungen: Glas Weiß Hochglanz, Glas Schwarz Hochglanz sowie Glas Rot, Anthrazit, Glas Perlweiß, Glas Silber/Grau gegen Aufpreis
Gewicht: 63 kg
Maße (B/H/T): 25/128/43 cm
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 36 550 € (Sonderfarben um 37 990 €)
Kontakt
Audio Physic GmbH
Almerfeldweg 38
59929 Brilon
Telefon +49 2961 961 70
Mitspieler
Verstärker: VTL IT-85, Lyngdorf TDAI-3400, Trigon Exxceed
Quellen: T+A MP 1000 E, Audiodata MusikServer MS II, Melco N1A, Auralic Altair
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW
Rack: Pagode Edition MK II, Creaktiv Midi Reference
Kabel: AudioQuest, Chord Company, Wire World