Audio Note Zero – Diese Kette ist keine Nullnummer
Kleine Kisten, aus denen großer Klang kommt – das ist die Grundidee für die Zero-Kette, die einen bezahlbaren Einstieg in die Audio-Note-(Röhren-)Welt darstellt.
„Sind die süß!“ Der Ausruf einer Bekannten, von Beruf Opernsängerin und gerade einmal Anfang zwanzig, sagt ganz viel über den hohen WAF, der den Einsteigergeräten von Audio Note UK innewohnt. WAF? Na ja, „Wife Acceptance Factor“ halt. Frauen haben bekanntlich oft mal einen anderen Geschmack. Und die übermannsgroßen Lautsprecher, die Endstufen mit Kindersarg-Dimensionen, die andere auf dem Weg zum guten Klang ins heimische Wohnzimmer klotzen, finden nicht unbedingt Gnade vor dem weiblichen Auge.
Die „Null“-Serie der Röhrenspezialisten von Audio Note UK ist anders. Keine Spur von Gardemaß. Silberscheibendreher CD Zero, MM-Phonostufe R Zero/II und Vollverstärker I Zero kommen in jenem schicken und wohnzimmertauglichen Halbformat daher, das hierzulande in den 1980er Jahren sehr en vogue war.
Meine Testanlage ist übrigens weiß. Kein dröges Silber, kein Standard-Schwarz, sondern Hochzeitskleid-Reinweiß, so hochglänzend, wie eine sorgsam verarbeitete Kunststoffoberfläche nur sein kann. Beim Design der Zeros war Schlichtheit Trumpf, die Front des Phonoverstärkers ziert lediglich eine nahtlos integrierte rote LED als Ein/Aus-Kontrollleuchte. Beim Verstärker wird diese um Eingangswähler und Lautstärkeregler ergänzt. Während die handschmeichlerischen Knöpfe bei der schwarzen Version in Kontrast-Messinggold glänzen, sind sie bei meinem Türmchen ebenfalls weiß. Für Farbe, und das nicht nur äußerlich, sorgt der CD-Player mit einem angenehm großen und deshalb ausgezeichnet ablesbaren Display in leuchtendem Blau, ergänzt um die wichtigsten Bedienelemente in gebürstetem Aluminium. Dadurch ist der nette kleine Digitalspieler, dessen Herzstück eine Röhren-Ausgangsstufe mit 6111WA-Doppeltriode ist, auch dann bedienbar, wenn man die unspektakulär designte dunkelgraue Kunststoff-Fernbedienung, die so gar nicht nach Premium aussieht, gerade nicht zur Hand hat.
Mich haben die britischen Minis, die im Baltikum erdacht wurden (siehe dazu auch unser Interview) jedenfalls gleich für sich eingenommen. Vielleicht ja, weil mein erstes ernsthaftes, vom Konfirmationsgeld gekauftes HiFi-Gerät ein Kassettendeck aus Grundigs heute längst legendärer Miniserie war. Jahre später kamen zu jenem MCF 100 der passende Tuner und die Vor-Endstufen-Kombination hinzu. Das ist, sofern man den Kondensatoren zwischendurch mal eine Verjüngungskur angedeihen ließ, durchaus auch nach heutigen Maßstäben eine sehr ordentlich klingende Miniaturanlage. Aber gegen die Audio-Note-Röhrenelektronik des Jahres 2019 würde sie dennoch keinen Stich machen. Und das, obwohl der britische Hersteller bei seinem Einstiegsangebot wahrhaftig keine Bauteil-Orgie veranstaltet hat. Denn auch in ihrem Inneren leben die kleinen weißen Quader von der sinnvollen Reduktion. Sie tragen nach außen auch nicht einmal zur Schau, dass sie Röhrengeräte sind. Also nix mit im Dunkel heimelig glimmenden Glaskolben, an denen man sich bei unsachgemäßem Umgang böse die Finger verbrennen kann.
Im Verstärker heben vier ECL82 das Line-Signal der Quellgeräte auf ein Lautsprecher-gemäßes Niveau. Angesichts von gerade einmal acht Watt pro Kanal sollten die hier angeschlossenen Boxen einen einigermaßen ordentlichen Wirkungsgrad haben. Weil das beileibe nicht auf jeden Schallwandler zutrifft, vertritt Audio Note den konsequenten Kettengedanken und hat mir auf die Palette, die aus Partridge Green nahe Brighton eintrudelte, auch gleich die passenden Schallwandler draufgepackt: Die J/D Hemp ist ein schwarzer Kompaktlautsprecher, der auf superstabilen (und mörderschweren) Ständern ruht und mit seinem blauen Tiefmitteltöner aus Hanffaser (daher der Namenszusatz „Hemp“) kein Poser, aber allemal ein Hingucker ist.
Zurück zur Elektronik: Der Verstärker verweigert sich allen Versuchen, ihn fernzusteuern. Der satt rastende Eingangswahlschalter für vier Quellen und der völlig kratzfrei laufende Lautstärkeregler wollen angefasst und von Hand gedreht werden – angesichts der soliden Haptik ein Vergnügen, das einen gleichwohl manchmal aus dem Hörsessel treibt. Die Dynamik ist nämlich aller Ehren wert – was leise und sanft beginnt, kann in wahren Akustik-Explosionen enden, angesichts derer mir kein Mensch glaubt, dass nur acht Watt Sinusleistung pro Stereokanal am Werk sind. Meine Nachbarinnen sind da längst aus dem Schlaf gerissen worden, was ich ihnen eigentlich nicht antun wollte.
Für die Dancefloor-Beschallung ist die Büroschreibtisch-taugliche Anlage dennoch nicht primär gedacht, wenngleich ich sie ohne Gefahr für die Boxen, aber mit einem unzweifelhaften Gefährdungspotenzial für das Gehör auch mit sehr heftigen Pegeln betreiben kann. Lasse ich beispielsweise die Dire Straits „Money For Nothing“ verdienen, dann ist der wuchtige Gitarreneinsatz nach dem sphärischen Intro von einer überraschenden Unmittelbarkeit, die mich zusammenzucken lässt, obwohl ich diese legendäre Scheibe nun wirklich gut und lange genug kenne. In dieser Hinsicht steht die Röhrenkombi den besten Transistorverstärkern in nichts nach. Alles andere hätte mich auch gewundert, denn in Partridge Green hat man hinsichtlich Röhren-Designs eine ausgedehnte Expertise, von der andere Hersteller noch in Jahrzehnten nur träumen können werden und die auch bei der gelungenen Konstruktion aus dem Baltikum deutlich spürbar wird. Verbesserungspotenzial sehe ich am ehesten bei den Schallwandlern, wo sich je nach finanziellen Möglichkeiten ein „familieninternes“ Upgrade zu bassstärkeren Exemplaren empfiehlt.
Um es noch einmal klarzustellen: Die Zero-Reihe stellt die derzeit definitiv günstigste Möglichkeit dar, mit einer sorgsam abgestimmten Kette das Audio-Note-Universum zu betreten. Der Phonoverstärker kann zwar „nur“ mit Moving-Magnet(MM)-Tonabnehmern umgehen, das dafür aber richtig gut. Passende Step-up-Verstärker finden sich bei AN auch, sind allerdings nicht mehr in die Einsteigerkategorie eingepreist. Beim Klang der Zeros wurde dennoch nicht gespart, er tendiert, wie es nicht anders zu erwarten war, unüberhörbar in die Richtung der großen Audio-Note-Kombinationen.
Soll heißen, dass die drei Zero-Komponenten in Zusammenarbeit mit den Hemps zuverlässig für Wohlfühlklang sorgen. Wenn es bei Audio Note so etwas wie reproduzierbare Familienmerkmale gibt, dann zählen dazu ein immenser Klangfarbenreichtum in Verbindung mit klar definierter Raumabbildung und einer grundsätzlich in Richtung warm tendierenden Abstimmung. „Röhren-Mulm“ hat dennoch keine Chance, Stimmen werden genau so über die Rampe gebracht, wie man sie entweder von anderen Ketten (gut) oder live (besser) kennt. Das funktioniert mit Mark Knopflers rauem Rock-Organ von besagter Dire-Straits-Oldiescheibe ebenso stimmig wie mit dem glockenklaren Sopran der jungen britischen Barocksopranistin Rowan Pierce, die bei Linn Records 2019 ein bemerkenswertes Purcell-Recital als Solodebüt veröffentlicht hat.
Im Lauf der Monate ist die Zero-Kette zu einem selbstverständlichen Bestandteil meines Arbeitszimmers geworden und hat mir nicht nur beim Querhören neuer CDs und Platten – auch mit Vinyl machen die Audio-Note-Minis ganz viel Freude – gute Dienste erwiesen. Gerade für das Genusshören nach getaner Arbeit kenne ich nur wenige Geräte, die es so perfekt verstehen, auf meinem Gefühlsklavier zu spielen. Dass andere Ketten deutlich analytischer an die Wiedergabe konservierter Schallereignisse herangehen, fällt mir erst auf, als die kleinen weißen Klötze in Richtung FIDELITY-Fotostudio mein Zuhause verlassen haben. Gewiss mag mit anderen Verstärkern, anderen CD-Playern, anderen Phonostufen auch mehr Ehrlichkeit walten.
Die Frage ist nur, ob ich tatsächlich die Unzulänglichkeiten und Fehler einer Aufnahme jederzeit mit letzter Konsequenz unter die Nase gerieben haben möchte. Die funkelnde Klangpracht von Gustav Mahlers Achter Sinfonie mit dem hr-Sinfonieorchester (Frankfurt Radio Symphony) unter Eliahu Inbal (Denon), die Gänsehaut-trächtige Präsenz, mit der José Carreras und Dame Kiri Te Kanawa in Leonard Bernsteins West Side Story Tony und Maria verkörpern und dabei ihre Weltklasse-Stimmen leuchten lassen (Deutsche Grammophon) oder die knackige Hoagascht-Atmosphäre, die das Südtiroler Folk-Trio Cordes y Butons auf seiner 2019er CD Gimpl (Preiser/Naxos) eingefangen hat – sie alle finden in den kleinen Audio-Note-Klangkisten umsichtige und kompetente Partner, die das Gute und Schöne verstärken, während sie das weniger Gelungene elegant ausblenden. Auf Gimpl findet sich unter anderem eine ausgehörte, nachdenkliche Version von Stings „Fields of Gold“. Höre ich mir diese überaus feinsinnig gemachte Miniatur über die Audio-Note-Zero-Kette an, dann wird der kulturelle Transfer spürbar, den die drei Südtiroler bei ihrem geschmackvollen Cover im Sinn hatten. Aus effektvollem Pop wird hinterfragte, ausgehörte, im besten Sinn ergreifende Seelenmusik, zelebriert mit rein akustischem Instrumentarium, aufgenommen so puristisch, wie das Arrangement selbst sich präsentiert. Da sitze ich urplötzlich nicht mehr vor einer Stereoanlage, sondern ganz nahe bei drei hochmusikalischen Menschen aus meiner zweiten Heimat, die mir mit ganz viel Hingabe und Zuneigung ein sanftes Hauskonzert geben. Nur eine Illusion, gewiss. Aber eine unfassbar perfekte. Suchtfördernd.
Andy Grove, Entwickler bei Audio Note, zu der Herausforderung, eine hochwertige Einsteiger-Stereokette zu kreieren
FIDELITY: Mister Grove, das Zero-System ist erschwinglich, aber gewiss nicht „billig“, und weist viele der positiven Eigenschaften auf, die wir an den Produkten der Firma Audio Note zu schätzen gelernt haben. Was bedeutet es für einen erfahrenen High-End-Entwickler, eine „Einsteiger-Kette“ zu entwerfen, und wo wurde der Rotstift angesetzt?
Andy Grove: Zunächst sollte man im Auge behalten, dass preisgünstigere Produkte in der Regel mit einer geringeren Gewinnspanne arbeiten und dass der Hersteller hofft, über den Preis mehr zu verkaufen, um die Produktlinie profitabel zu machen. Deshalb müssen die Herstellungskosten gesenkt werden. Das Zero-System hält sich überwiegend an die Philosophie, die auch den Rest des Audio-Note-Portfolios auszeichnet, ohne allzu viele Abstriche zu machen. Ein Beispiel: An der Stelle, an der es normalerweise teuer wird, nämlich beim Verstärker, entschlossen wir uns dazu, die Ausgangsleistung zu reduzieren. Das bedeutet, dass bei der teuer und aufwendig zu produzierenden Endverstärker-Sektion Größe und Gewicht eingespart werden konnten. Deshalb ist das Zero-System in vielerlei Hinsicht nur kleiner, aber nicht schlechter als die anderen Audio-Note-Produkte. Und wo es wirklich um den Preis einer Komponente ging, haben wir uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und beispielsweise im DA-Wandler einen TDA1543 statt eines AD1685-Wandler-IC eingesetzt.
Wenn ein Gerät in großen Stückzahlen verkauft werden und eine lange Produktlaufzeit haben soll, dann geht es nicht nur darum, wie sich die Komponente hinsichtlich der Elektronik und des Klanges verhält, sondern auch darum, die Ersatzteilversorgung sicherzustellen und einen ausreichenden Lagervorrat für Reparaturen und Nachbestellungen zu haben. Außerdem war es immer geplant, mit dem Zero-System eine Anlage in einem kleineren als dem Standardformat zu realisieren – und auch das hat gewisse Auswirkungen.
FIDELITY: Wie praktisch alle Audio-Note-Geräte basieren auch die Zeros auf Röhrentechnologie. Unter welchen Gesichtspunkten wurden die Röhren für die „Kleinen“ ausgewählt, und sind die verwendeten 6111/12WA beziehungsweise die zur Verstärkung eingesetzte ECL82 Zukaufteile oder Eigenproduktionen?
Andy Grove: Wie bei allen unseren Produkten haben wir auch bei den Zeros viel Sorgfalt darauf verwendet, Röhren einzusetzen, die nicht nur gut klingen, sondern die ihren Job auch zuverlässig erledigen. Im Zero-System haben wir Miniaturröhren aus dem Militärbereich verwendet: Die „Raketen“-Modelle 6111WA und 6112WA (die unter anderem in Lenkwaffen eingebaut wurden und werden, daher die Bezeichnung) zeichnen sich durch lange Lebensdauer aus, sind klein, klingen exzellent – und wir haben einen ausreichenden Lagerbestand. Der Vollverstärker I Zero nutzt die Trioden-Pentoden-Röhre ECL82, die auf dem Weltmarkt problemlos aus neuer Produktion zu bekommen ist und ebenfalls ausgezeichnet klingt.
FIDELITY: Der zur Kette passende Phonovorverstärker R Zero beschränkt sich darauf, Signale von MM-Tonabnehmern für den Hochpegeleingang aufzubereiten. Was sollten sich MC-Nutzer wie ich anschaffen? Einen Step-up-MC-Transformator? Oder einen Audio-Note-Vorverstärker aus einer der größeren Geräteserien?
Andy Grove: Natürlich ist es möglich, auch eine MC-Phonovorstufe in Röhrentechnologie aufzubauen. Dafür gibt es bestimmte Röhrentypen und Schaltungsdesigns. Eine Alternative ist in diesem Punkt tatsächlich der Einsatz einer Transistorschaltung. Der R Zero wurde allerdings ganz bewusst als reiner MM-Verstärker entworfen, weil wir davon ausgehen, dass er mit Tonabnehmern genutzt wird, wie sie Audio Note in der IQ-Reihe anbietet. Natürlich steht es jedem Zero-Besitzer frei, sich einen MC-Step-up-Transformator aus einer unserer größeren Linien zu kaufen. Wenn das Budget sehr begrenzt ist, tut es aber auch eine Transistorlösung.
Wir meinen
Die kleine Audio-Note-Zero-Kette braucht keinen Aufstellservice. Auf einem festen Untergrund in der Reihenfolge CD-Player, Phonoverstärker und Vollverstärker stapeln, verkabeln, Röhren eine halbe Stunde warmlaufen lassen – und Musik genießen.
Info
CD-Player CD Zero
Konzept: Redbook-CD-Spieler mit Philips-DAC TDA1543 in einem Schaltkreis ohne Oversampling und ohne Digitalfilter
Röhrenbestückung: Miniatur-Doppeltriode 6111WA in der Ausgangsstufe
Ausgangsimpedanz: < 2 kΩ
Kanalgleichheit: Abweichung < 0,25 dB
Maße (B/H/T): 30/10/27 cm
Gewicht: 3,5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 2440 €
MM-Phonostufe R Zero/II
Konzept: Phonovorverstärker für Moving-Magnet(MM)-Systeme mit zwei 6112WA-Röhren
Maße (B/H/T): 30/10/27 cm
Gewicht: 3 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 1640 €
Vollverstärker I Zero
Konzept: Stereo-Vollverstärker mit vier ECL82-Röhren, vier Cinch-Eingängen und Single-Wire-Terminal
Eingangsimpedanz: 100 kΩ
Eingangsempfindlichkeit: 400 mV
Ausgangsleistung (6 Ω): 8 W Sinus pro Kanal
Kanalgleichheit: ±0,3 dB
Maße (B/H/T): 30/10/27 cm
Gewicht: 7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 2430 €
Lautsprecher AN-J/D Hemp
Konzept: 2-Wege-Kompaktlautsprecher
Durschnittsimpedanz: 6 Ω
Frequenzbereich: 25 Hz bis 23 kHz, ±6 dB
Empfohlene Verstärkerleistung (6 Ω): 7–150 W
Maße (B/H/T): 33/59/24 cm
Gewicht pro Box: 13 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: um 5850 € (Ständer um 630 €)
Kontakt
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