Audio Note (UK) IO Gold – Dreifaltigkeit
Gibt es drei Wege zum Glück? Oder doch nur einen, der aber alle anderen vereinen muss? Oder sollte man einfach nur etwas mehr „Fan“ sein, um in den Himmel zu kommen? So viele Fragen … Hat Audio Note die Antwort?
In aller Kürze
Wo andere Abtaster sich über ihre Parameter definieren, scheint für Audio Notes IO Gold einzig die Seele zu zählen. Der kostbare wie geniale Tonabnehmer lässt sein Auditorium nicht hören, sondern spüren. Preis um 9200,- Euro.
Der Weg zum analogen Glück ist hart, verdammt hart. Und es bedarf schon einer gewissen Leidensfähigkeit – oder gar Leidenslust –, um sich mit Haut und Haaren in diese Welt zu stürzen. Denn der digitale Weg zur Musik ist doch so viel leichter, gerade jetzt, wo Streamingplayer wirklich gut und bezahlbar sind. Wieso soll man sich dann mit so vielen unbequemen Dingen beschäftigen, die alle nötig sind, um ein analoges Setup perfekt auf die Spur zu bringen? Sich sogar noch um die Luftfeuchte in einem Raum kümmern, weil es bei zu großer Trockenheit knistern kann? Zugegeben, bei vielen Plattenspielern stellt man sich diese Frage immer noch, wenn man sie hört. Sie lösen eher nostalgische Gefühle aus und triggern Erinnerungen an die gute alte Zeit, als wir fieberhaft auf neue Platten warteten und nächtelang damit beschäftigt waren, Mixtapes zusammenzustellen. Falls Sie das nicht gemacht haben sollten, holen Sie es unbedingt nach. Denn die Erstellung eines wirklich guten Mixtapes, das einer bestimmten, auf eine besondere Person zugeschnittenen Choreografie folgt, bringt einen viel näher zur Musik, als man gemeinhin annehmen möchte. Und eigentlich wäre das auch mal ein Thema für einen Artikel.
Kurz: Plattenspieler sind wundervoll altmodisch, objektiv gesehen spricht allerdings wenig für sie, denn mit weniger Mühe, Zeit und Geld lassen sich mittlerweile digitale Quellen aufbauen, die ein solches Laufwerk nach Belieben an die Wand spielen. Wenn man sich allerdings in der wunderbaren Situation wiederfindet, einem wirklich guten Plattenspieler lauschen zu dürfen, sieht die Welt plötzlich ganz anders aus.
Noch eine kleine Randnotiz, wie die aktuelle Lage auch unsere Arbeit beeinflusst: von der Bestellung beim Hersteller bis zum Klingeln des freundlichen DHL-Mannes dauerte es dank Brexit, überforderter Zollbehörden und Corona immerhin fünf lange Monate.
Natürlich wissen wir auch, dass sämtliche Geräte von Audio Note ihre volle Qualität erst so richtig im familieninternen Zusammenspiel entfalten, der Kettengedanke ist bei den Briten kein Marketingspruch, sondern hörbare Wirklichkeit. Realität ist allerdings auch, dass nur die wenigsten von uns mit einem Mal das Audio-Note-Komplettpaket kaufen, sondern sich nur nach und nach in diesen Kosmos hineininvestieren können. Man startet an irgendeinem Ende der Kette und arbeitet sich dann Stück für Stück, Kabel für Gerät durch. Im Gespräch mit Audio-Note-Mastermind Peter Qvortrup einigten wir uns dann auf einen – zumindest räumlich – kleinen Einstieg: ein Tonabnehmersystem. Da es sich aber um die Welt der aus Reinsilber gefertigten Bauteile handelt, dürfte klar sein, dass auch dieser Start nicht für ein Butterbrot zu haben ist. Natürlich gibt es von AN auch günstigere Systeme, wir wollten es aber einmal richtig wissen.
Da wir schon beim Wissen sind: Natürlich verdient ein System dieser Güte den passenden Übertrager, und es wird oft gesagt, dass der zu einem System schlicht dazugehöre. Ja, das kann man so sehen, und es stimmt sicherlich auch, wenn man das Letzte aus der Anlage herausholen möchte. Allerdings – ich greife vor – konnte sich das IO Gold auch ohne seine Freunde hervorragend in Szene setzen.
Da ist es nun, das gute Stück, und schlummert noch in einem hübschen Holzkästchen … jedoch nicht lange. Normalerweise lasse ich solchen fragilen Geschöpfen ein paar Tage Zeit, um sich akklimatisieren zu können. Beim IO Gold stand eine schnelle Funktionsprüfung allerdings weiter oben auf der Liste, um im Falle eines Transportschadens noch reagieren zu können. Wir erinnern uns: fünf Monate …
Das Audio Note IO Gold ist ein veritabler Klotz, der sage und schreibe zwanzig Gramm auf die Waage bringt. Schuld daran ist das durchaus große und aus Metall gefertigte Gehäuse, das aber wohl sein musste, um im Innern alles so einrichten zu können, wie man es sich denn wünschte. Außerdem schätzt man das Resonanzverhalten des Systemkörpers als extrem wichtig ein, legte daher auf eine besonders steife Behausung, Eliminierung stehender Wellen und eine möglichst kraftschlüssige Verbindung der Bauteile Wert. Nicht umsonst kann man das System am entsprechenden Arm mit sechs (!) Schrauben befestigen. Im Inneren sind ebenfalls ein paar spannende Ideen verwirklicht worden. Insbesondere dem Nadelträger widmete man einige Entwicklungszeit, sah Qvortrup doch gerade hier eine eklatante Schwachstelle vieler bestehender Konzepte. Um die gewünschte Mischung aus geringem Gewicht und maximaler Stabilität zu erreichen, experimentierte man mit unterschiedlichen Materialien und Geometrien, um letztlich bei einem Röhrchen aus Titan zu landen, das sowohl innen als auch außen konisch verläuft. Also kein ehemals zylindrisches Röhrchen ist, das außen abgedreht wurde. Sein konischer Verlauf mit abnehmender Materialstärke ist laut Audio Note der Schlüssel zum Erfolg. Mit Sicherheit kein günstiger. Dass sämtliche Spulen aus feinstem Silberdraht gewickelt werden, dürfte bei des Firmeneigners Vorliebe für ebendieses Material niemanden mehr verwundern.
Der Diamant verfügt über einen eigenen Schliff, den AN entwickelte, als man mit keinem der angebotenen Teile der Zulieferer so wirklich zufrieden war. Er nennt sich „AN Type 1 Diamond“. Was sich genau dahinter verbirgt, erklärt Peter Qvortrup gerne: Es ist ein recht scharfes, sich am ursprünglichen Van-den-Hul-Schliff orientierendes Design, das allerdings deutlich besser poliert sein sollte. Außerdem – und das ist den Briten besonders wichtig – handelt es sich um einen natürlichen, nicht um einen synthetischen Diamanten, da die „echten“ Vertreter laut Qvortrup deutlich härter als ihre industriell gefertigten Pendants sein sollen. Während Audio Note die digitale Elektronik mittlerweile in Litauen, die Boxen in Österreich fertigt und damit dem Brexit Rechnung trägt, widmet man sich kleinen Preziosen wie einem IO Gold weiterhin in good old England.
Wie nähert man sich jetzt einem System mit einem solchen Preisschild? Eigentlich kann man als Schreiber nur verlieren, für irgendjemanden ist man immer taub und/oder gekauft. Gleichzeitig sorgt das für völlige Freiheit. Und als Disclaimer: Während ich diese Zeilen tippe, ist das System bereits auf dem Rückweg. Letztlich zählt das Erlebnis. Es ist wie bei einer Leica: Würde man die Qualität der Kamera nur über die Klasse des Sensors definieren, wäre jede Sony A7 überlegen. Und doch ist da etwas, was sich nur schwer beschreiben lässt. Hier ist das sehr ähnlich.
Richard Strauss „Vier letzte Lieder“ drehen sich auf dem Plattenteller, gesungen von der unnachahmlichen Elisabeth Schwarzkopf. Wenn ihre Stimme nach den wenigen orchestralen Einleitungstönen einsetzt, sind Auflösung, Detailtreue, Präzision zwar da, aber – egal. Neben dem Wo, Wie und Was scheint das IO Gold auch auf irgendeine Art das Warum übertragen zu können.
Elisabeth Schwarzkopf steht hier, singt – nur für mich. Und das mit einer sprachlos machenden Eindringlichkeit. Dabei habe ich diese Platte schon so oft gehört. Es ist ein Umstand, der sich nur schwer fassen und beschreiben lässt. Diese technisch eher mittelmäßige Aufnahme lässt sich eigentlich vollständig mit jedem halbwegs gut justierten Plattenspieler wiedergeben. Das Lebendige, Anrührende, Zerbrechliche in Elisabeth Schwarzkopfs Stimme bleibt dann aber meist verborgen. Und wohl auch mit vielen teuren Setups, denn so intensiv durfte ich ihre Darbietung bisher nicht erfahren. Dieser Eindruck steigert sich spürbar, als ich den Audio-Note-Übertrager AN-S4 zwischen System und Vorstufe schalte. Stefan Wörmer, Deutschlands AN-Statthalter, warf ihn freundlicherweise ins Rennen, um sicherzugehen, dass hier alles bestmöglich abläuft. Es ist mir klar, dass sich ein solches Fluidum nur schwer in Worte fassen, kaum in das Format eines Testberichts pressen lässt. Daher werte ich das jetzt eher als einen offenen Bericht. Wie sonst soll ich das Erlebte vermitteln? Einfach nur System X gegen Y vergleichen? Das hätte ich machen können, und das IO Gold hätte auch in so einem harten Vergleich gut dagestanden. Dabei wäre allerdings das auf der Strecke geblieben, was dieses System und überhaupt die meisten Produkte von Audio Note ausmacht: Ein klanglicher Zauber, der sich bestimmt nicht jedem erschließt. Wenn das allerdings der Fall ist, beschert einem diese Elektronik Erlebnisse, die man woanders schwerlich bekommen kann.
Info
Tonabnehmer Audio Note (UK) IO Gold
Konzept: Moving-Coil(MC)-System
Ausgangsspannung: 0,04 mV/5 cm/s
Ausgangsimpedanz: 1 Ω
Idealer Anschlusswiderstand: 3 bis 4 Ω
Frequenzbereich: 10 bis 50 kHz, +/-2 dB
Kanaltrennung: < 30 dB (bei 1 kHz)
Gewicht: 20 g
Abspielgewicht: 2 bis 3 g (2,5 g optimal)
Nadelträger: Titan
Diamant: AN Type 1 Diamond
Garantiezeit 2 Jahre
Preis: um 9200 €
Kontakt
Audio Note Deutschland
Soltauer Straße 44
29646 Bispingen
Telefon +49 5194 5050599