Audia Flight FL CD Three S – Alte Schule für das neue Jahrtausend
Audia Flight demonstriert beeindruckend, dass sich die CD-Wiedergabe nicht hinter HiRes-Streaming verstecken muss.
Was willst du denn mit dem Ding, mit dieser aussterbenden Gerätegattung? So deutete ich zumindest die mitleidigen Blicke einiger Freunde, als ich ihnen mitteilte, dass der neue CD-Player aus dem Hause Audia Flight bei mir eingezogen sei. Dieser sei doch bestimmt NOS, unkte man, wer produziere denn heute außer einigen Consumer-Firmen noch diese Technik aus den Achtzigern? Ein neuer Streamer, ein hochwertiger DAC, das könne beeindrucken, aber einen CD-Player brauche kein Mensch mehr. Leise Zweifel nagten an mir. Ist dem tatsächlich so?
Mitnichten! Auf der HIGH END 2019 präsentierten fernöstliche Traditionsfirmen wie TEAC oder Luxman mächtige (SA-)CD-Laufwerke, die man in den seligen Achtzigern als „Boliden“ bezeichnet hätte. Längst nicht alle Märkte dieser Welt sind auf Streaming umgestiegen, in manchen Ländern wie Japan und Teilen Koreas möchte man keinen „Computer“ im Hörraum. Der Tonträger soll gefälligst haptisch verfügbar sein, so die einhellige Darstellung der Vertriebsfirmen zu diesem sympathischen Phänomen, den Zeitgeist zu unterlaufen. Und es soll ja auch Menschen geben, mich eingeschlossen, die eine fünfstellige Zahl an Silberlingen in ihrer Tonträgersammlung beherbergen und kein Interesse haben an einem mehrjährigen Ripping-Marathon. Also her mit dem FL CD Three S, den man beim deutschen Vertrieb auch einfach „FLCD3S“ abkürzt.
Neues zum Firmenjubiläum von Audia Flight
Audia Flight wurde 1996 von Massimiliano Marzi und Andrea Nardini gegründet und begeht nächstes Jahr sein 25-jähriges Firmenjubiläum. Ziel der beiden Köpfe hinter dem gar nicht so italienisch klingenden Firmennamen war es von Anfang an, auf höchste Singnaltreue bedachte Geräte zu produzieren. Kontinuität mit stetiger, aber nie hektischer Entwicklung, so könnte man die Firmenphilosophie des Unternehmens bezeichnen, das im 70 Kilometer nördlich von Rom gelegenen Civitavecchia seinen Sitz hat. Die komplett im heimischen Werk produzierten Geräte zeichnen sich durch ein eher konservatives Design mit behutsamer Veränderung und eine hochwertige handwerkliche Verarbeitung aus.
Positiv überrascht ist man von der moderaten Preispolitik der Italiener, die bei Modellwechseln nicht das im High-End-Bereich mittlerweile übliche Spiel exponentieller Preisentwicklung mitmachen. So brauchte die Wachablösung des „kleinen“ CD-Players CD3 hin zum CD3S immerhin zehn Jahre, und die Preissteigerung bewegte sich dabei im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate. Wenn man bedenkt, dass dies im High-End-Markt auch ganz anders aussehen kann, dann freut man sich über die konservative Seriosität in Civitavecchia.
Äußere und innere Werte neu gedacht
Was also ist neu an der überarbeiteten Version? Das Facelifting hat ausschließlich das Anzeigefeld betroffen, das nun wie bei allen anderen Geräten aus der aktuellen Produktion geschwungen daherkommt, die feingliedrigen Bedienungsknöpfe und die aus dem Vollen gefräste Fernbedienung sind identisch geblieben. Der FLCD3S verfügt jetzt über eine abschaltbare, digitale Lautstärkeregelung, die es ermöglicht, das Gerät als alleinige Quelle an eine Endstufe oder an Aktivlautsprecher anzuschließen; ein Traum für Minimalisten. Die größten Veränderungen haben sich freilich im technischen Innenleben ergeben, insbesondere bei der Wandlersektion, was nach zehn Jahren technischer Kontinuität gerade im digitalen Bereich nicht verwundert. Die bis dato verwendete 24/192-Mulitbit-Sektion auf der Basis des CS4398 von Cirrus Logic wurde durch die neueste Generation der 4493EQ-Chips aus dem Hause AKM ersetzt, die Daten bis 32/384 und DSD512 verarbeiten. Sowohl bei Produzenten als auch bei Hörern erfreuen sich die AKM-Chips zunehmender Beliebtheit, spricht man ihnen doch im Gegensatz etwa zu den ESS Sabre einen größeren musikalischen Flow zu, wobei dieser aber letztendlich auch immer von der spezifischen Implementierung im Gerät abhängig ist. Und die ist hier mehr als vielversprechend, und das bereits „out of the box“.
Audia Flight spielt mit dem Raum
Kam mir der alte CD3, so wie ich ihn auf Messen immer wahrgenommen habe, doch recht direkt und nach vorne spielend vor, so wirkt die Neuentwicklung beim ersten Hören eine Spur zurückhaltender, dafür aber räumlicher. Die Bühne scheint sich nicht nur leicht nach hinten, sondern auch in der Breite verlagert zu haben. Bemerkenswert ist, dass sich die vier Herren des Emerson-Quartetts, die gerade Bartóks Viertes Streichquartett zum Besten geben, mit ihren Streichinstrumenten weder im unendlichen Raum verschwinden noch unnatürlich groß erscheinen. Der FLCD3S schafft es vielmehr, einen etwas größeren Abstand zwischen den Musikern zu imaginieren, ohne diese aber in ein komplett neues Abstandsverhältnis zueinander zu setzen. Es ist lediglich das virtuelle Raumvolumen gewachsen, was zur Folge hat, dass die herausgeschleuderten Pizzicati im vierten Satz nicht kalt an den Instrumenten kleben bleiben, sondern quasi aus dem hinteren Raumteil auf den Hörer zukommen. Alle Achtung, das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Vorgängermodell und kann in dieser Kombination aus musikalischem Fluss und prägnanter Fokussierung auch sonst nicht von vielen mir bekannten CD-Playern geleistet werden. Dies allein wäre schon die Anschaffung des FLCD3S wert.
Mehr als nur ein CD-Player
Aber es wäre im fortgeschrittenen Digitalzeitalter doch ein bisschen wenig, nur die Wandlerchips auszutauschen. Die Ingenieure aus dem Hause Audia Flight geben uns noch eine stattliche Anzahl an Filter- und Samplingmöglichkeiten an die Hand, die bereits im reinen CD-Betrieb einsetzbar sind, jedoch erst vollends zur Geltung kommen, wenn man – was dringend zu empfehlen ist – die Variante mit dem eingebauten Digitalboard ordert, das einen kompletten Stand-alone-DAC ersetzt. Besitzer eines externen DACs müssen jetzt ganz stark sein, denn für einen Komplettpreis von 3000 Euro bekommt man hier einen CD-Player und einen Wandler, die bereits einzeln den Anschaffungspreis wert wären.
Das optionale Board eröffnet zusätzlich zwei optische Schnittstellen, einen AES/EBU-Eingang, einen Coax-Anschluss und eine USB-Schnittstelle. Der USB-Eingang ist auf 32 bit/384 kHz und DSD512 ausgerichtet. Die Digitaleingänge können separat benannt und mit unterschiedlichen Upsampling-Frequenzen, Digitalfiltern und für optionalen Dither programmiert werden. Einziger Wermutstropfen dabei ist, dass die „Programmierung“ der unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten über die zierlichen Knöpfe der Fernbedienung erfolgen muss; hat man das Prinzip aber einmal verstanden, so klappt auch dies nach kurzer Eingewöhnungszeit vorzüglich.
Mit Filter oder ohne Filter?
Die Beschäftigung mit den verschiedenen Filter- und Dithering-Möglichkeiten sollte man behutsam und entschleunigt angehen lassen. Zunächst ist festzuhalten, dass der FLCD3S sowohl als CD-Player wie auch als Streaming-DAC im Werksmodus schon äußerst feinsinnig spielt. Die diversen Filtervarianten sind ein Zubrot und in keiner Weise essenziell für den Klang. Grundsätzlich muss man ohnehin beachten, dass es sich um Abstufungen im Rahmen des Feintunings handelt. Deswegen wäre es auch nicht seriös zu erzählen, Filter 1 klinge „direkt“, Filter 2 „weich“, Filter 3 „neutral“ usw.
Vielmehr ist es so, dass die Rezeption der einzelnen Filter von allerlei Varianten abhängig ist: Da wären zunächst die Aufnahme selber und vor allem auch die akustischen Bedingungen des Hörraums zu nennen. Aber mehr noch spielt die individuelle Physiologie des Gehörs eine gewichtige Rolle. So mag eine spezielle Filterwirkung überhaupt nicht wahrgenommen werden, eine andere wiederum deutlicher. Mein Tipp: Lassen Sie sich Zeit. Hier ist es womöglich gar nicht schlecht, dass die Einstellung der Filter über die Fernbedienung ein wenig mühselig ist. Hören Sie in Ruhe, nehmen Sie die Abstufungen wahr und tauchen Sie in das jeweilige Klangbild ein. So habe ich einige Zeit mit dem Opener des neuen Albums des jungen britischen Flötisten und Saxofonisten Chip Wickham verbracht, der sich mühelos virtuos in den Fußstapfen solcher Jazzgrößen wie Yusef Lateef oder Alice Coltrane bewegt. Dieses in bester Space-Jazz-Manier produzierte Album überrascht zu Beginn mit einem mäandernden Klangteppich aus Harfenglissandi, tiefen Flötenskalen und brummelnden Synthiesounds. Je gewählter Filterstufe verschoben sich die Harfenklänge minimal hinter Wickhams Flöte oder bewegten sich parallel dazu auf einer Linie. Dass dies jedoch kein allgemein gültiges Ergebnis ist, zeigte sich spätestens bei einem Wechsel der Lautsprecher. So waren die Unterschiede bei meinen Magnetostaten deutlicher vernehmbar als beim Abhören mit der Wharfedale Linton, und symmetrisch über Kopfhörer nochmals ein ganz eigenes Filterverhalten. Aber in der Summe bin ich mit jeder Filtereinstellung glücklich geworden.
Digitale Spielwiese
Nicht vorenthalten möchte ich Ihnen meine Erfahrung mit der Funktion des „SRC Bypass“. Mithilfe der Abtastratenkonvertierung (Sampling Rate Conversion) rechnet der DAC des FLCD3S die Bittiefe/Quantisierung und die Sampling-Frequenz des eingehenden Signals auf 32 bit/784 kHz hoch. Diese Funktion dem Klang soll laut Audia Flight zu mehr „Analogität“ verhelfen. Aktiviert man nun die Bypass-Funktion, entfällt das Upsampling. Für mein Gehör und meinen Geschmack fand ich dieses Feature entscheidender als alle Filtermöglichkeiten; und zwar in der Möglichkeit, das Upsampling zu umgehen, das für mich doch ein wenig auf Kosten der klanglichen Fokussierung geht.
Nun gut, das ist natürlich auch eine Haltungsfrage, aber wenn ich „analog“ hören will, dann greife ich konsequent zu Vinyl. Und überhaupt: Bei den langen Hörstunden, die ich mit dem FLCD3S verbracht habe, hat sich nicht auch nur zu einer Sekunde der Eindruck digitaler Härte und Sterilität eingestellt. Gleichzeitig waren dabei immer die Vorzüge digitaler Auflösung und Transparenz zu vernehmen. Wenn Marcus Miller mit seinem unnachahmlichen Slapping-Stil den Talking-Heads-Klassiker „Burning Down The House“ in eine beinharte Funknummer verwandelt, dann stehen die angerissenen Basssaiten knochentrocken im Raum, der Groove aber bleibt immer beweglich. So muss digitale Musikwiedergabe in den 20ern des 21. Jahrhunderts klingen. So und nicht anders.
So und nicht anders
Nein, ich bediene jetzt nicht das Klischee, dass italienische High-End-Geräte besonders musikalisch mit einem Schuss mediterraner Wärme klängen, besonders gut Operngesang reproduzierten und von ausgesuchtem Design seien. Wer dies beim FLCD3S hören und sehen mag, bitteschön. In meinen Ohren und Augen haben wir es hier mit einem extrem hochwertig verarbeiteten Gerät zu tun, das sich auf der Höhe des technisch Machbaren bewegt und dabei ganz uneitel nur ein Ziel verfolgt: Musik in all ihren Facetten so erklingen zu lassen, dass wir dabei vergessen, einer technischen Reproduktion zu lauschen. Wenn man sein audiophiles Handwerk versteht, dann in Civitavecchia.
Wir meinen
Ein CD-Player für das 21. Jahrhundertmit komplettem DAC-Board. Technik und Musikalität Hand in Hand auf höchstem Level. Die CD lebt.
Info
CD-Player Audia Flight FL CD Three S
Frequenzbereich: 0,5 Hz bis 20 kHz, ±0,1 dB
Upsampling-Option für Digitaleingänge: 32 bit, bis 768 kHz
Dynamikbereich der Wandlersektion: 126 dB
Gesamte harmonische Verzerrung (THD) + Rauschen: < 0,01 % Signal-Rausch-Abstand (S/N ratio): besser als −113 dB maximale Ausgangsspannung: 2,5 VRMS Ausgangsimpedanz: 200 Ω Digitalausgang: PCM S/PDIF > RCA Coax
Stromverbrauch Standby-Betrieb: < 0,5 W/30 W
Maße (B/H/T): 45/11/43 cm
Gewicht: 10 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 2700 € (optionales Digitalboard 360 €)
Kontakt
Sieveking Sound GmbH & Co KG
Plantage 20
28215 Bremen
Telefon +49 421 68 48 93-0