Ein Bindeglied namens Angus
Im Juli hatten wir Gelegenheit, Soulnote in Japan zu besuchen. Auf dem Weg dorthin war ein kurzer Abstecher nach Hongkong eingeplant – liegt ja fast auf der Strecke. Das Reiseziel: die heiligen Hallen von WestminsterLab und Lumin; unser Gastgeber: Angus Leung, dem das erstgenannte Unternehmen gehört und der für das andere die Fäden als Marketing-Mann spinnt. Gehen wir am besten chronologisch an die Sache. Heute: Tag eins unserer Reise.
Was für ein surreales Gefühl …
Nach 14 Stunden Flug klettern wir aus dem Airbus und mir wird schlagartig gewahr, dass Hongkong in den Tropen liegt. Ziemlich heftig sogar. Die Auswirkung spüren wir am ganzen Körper: entspannte 34 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit, die Mitteleuropäer an erfrischende Cocktails, kaltes Bier und Mittagsschläfchen denken lässt. Ein kurzer Gewitterschauer während unserer Ankunft bringt keine Abkühlung, sondern verschärft die Situation nur noch.
Unser Gastgeber kennt da kein Mitleid. Er ist das Klima gewöhnt. Außerdem sind wir nur auf Stippvisite in der aufregenden Metropole und haben uns viel vorgenommen. Kaum 40 Minuten aus dem Flieger sitzt unsere dreiköpfige Reisegruppe auch schon im Van. Angus Leung steuert zielstrebig Richtung Fanling. Falls Sie das Bedürfnis verspüren, auf der Karte danach zu suchen: Der Ortsteil liegt zentral am nördlichsten Zipfel Hongkongs.
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… zu den übrigen Teilen unseres Asien-Reiseberichts:
Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin, Hong Kong (1) – diese Geschichte
Zu Gast bei … WestminsterLab und Lumin, Hong Kong (2)
“A Cosy Place”
Der Gründer und Mitinhaber von WestminsterLab hatte mir vor Monaten beim Besuch in München beschrieben, wie straff er und sein Mitstreiter Felix Fen sich organisieren müssen. Wie wir nun mit eigenen Augen sehen, befindet sich die Fertigung des Unternehmens in einer winzigen Garage. Oder präziser: dahinter. Im Innenhof einer mondänen Wohnanlage führt uns Leung durch eine überdachte Parkbucht, direkt zu einer unscheinbaren, silbrig glänzenden Metalltür. Drinnen – vorher bitte die Schuhe ausziehen – empfängt uns sein Kompagnon, der gerade damit beschäftigt ist, eine Reihe von Platinen mit Komponenten zu bestücken.
Sooo klein ist die Werkstatt übrigens nicht: Ich schätze den Hauptraum auf knappe 13 bis 15 Quadratmeter. Völlig normal in Hongkong, der nach Monaco am dichtesten besiedelten Aggregation überhaupt. Am Arbeitstisch ist genug Raum, dass beide parallel fertigen oder an Projekten arbeiten können. Direkt vor ihnen hängt eine Armada von Werkzeugen und Hilfsmitteln aller Art. Darüber Lagerkästen mit schier endlosen Massen kleiner Bauteile, in ihrem Rücken befindet sich eine Regalwand, die nahezu alle Zutaten der Geräte und Kabel bereithält.
Perfekte Organisation
Die Planer eines schwedischen Möbel-Riesen wären blass vor Neid, könnten sie erleben, wie effizient und ergonomisch sich Leung und Fen organisiert haben: Alles, was erforderlich ist, um eine Quest-Vorstufe zu montieren, liegt ein bis zwei Armlängen entfernt. Im Handumdrehen zaubert Angus kleine Kisten aus den Regalen, zeigt uns erlesene Zutaten, die sauber und zumeist in gematchten Gruppen vorsortiert sind: Transistoren, PlasmaProtect-Klemmen von WBT, Ringkerne (kleine wie große), Abstandhalter zur Platinenmontage und vieles mehr.
In einem benachbarten Lager(chen) warten größere Teile wie Platinen und Gehäusesegmente. Leung zeigt uns dort auch Prototypen, die er aufgehoben hat. Eine Plattentellerauflage etwa, aus eben jenem Carbongeflecht, das als Isolator und Resonanzschlucker in den Geräten zum Einsatz kommt. Oder Gehäusevarianten, die so nie in Serie gingen. Auf einem Wandboard entdecke ich zwei kompakte Lautsprecher – offenbar lassen die Tüftler ihrer Fantasie freien Lauf.
Bildergalerie
100 Prozent Handarbeit
WestminsterLab hat augenscheinlich gut zu tun. Überall sehen wir vormontierte Platinen für die Endstufe Rei oder Segmente des Vorverstärkers Quest. In einem Rohrsystem oberhalb der Lagerregale wartet alles, was für die Montage der hauseigenen Kabelfamilien erforderlich ist, die freilich auch als Innenverkabelung zum Einsatz kommen. Ergänzend zu seiner fernmündlichen Beschreibung für unseren Test demonstriert uns Felix Fen, was es bedeutet, blankpolierte Einzelleiter in die Teflonmäntel zu führen, alles zu verdrillen und später in weitere Schirme zu verpacken.
Schon bei dem kurzen Kabelstück, das er während der Demonstration zur Hand nimmt, sieht das knifflig aus. Kaum auszumalen, was es bedeutet, wenn ein Kunde fünf Meter Lautsprecherkabel ordert. Die Referenz-Strippen im FIDELITY-Hörraum beweisen aber: Die beiden bekomen es hin. Zugleich belegt die kurze Vorführung, dass Angus Leung nicht übertrieb, als er mir erklärte, dass etwa die Arbeitswoche eines Mitarbeiters in jedem Kabelsatz steckt.
Und dann noch ein kurzer Soundcheck
An einer der schmalen Wände des Raums steht eine kleine Anlage mit viel WestminsterLab, einem TechDAS-Dreher und zwei Serenade Signature von Penaudio. Wir erblicken sogar eine Neuheit. WestminsterLab arbeitet gerade an einem komplexen Phonoentzerrer mit MM- und MC-Eingängen. Eine miniaturisierte Variante der Elektronik bekommen wir ebenfalls zu sehen: Ein kleines Modul, das für den Einbau in den luxuriösen Vorverstärker Quest gedacht ist.
Gekonnt “modulisiert”
Ein kurzer Höreindruck überzeugt uns von der überragenden Qualitäten der Kette. Trotz beengter Gegebenheiten musiziert das System transparent, erstaunlich offen und mit einer räumlichen Tiefenstaffelung, die mich ein wenig neidisch macht. Erst bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass der Raum an vielen Stellen akustisch behandelt ist. Über einen guten Teil der Decke erstreckt sich ein Diffusor, hinter den Boxen hängen Absorber und direkt auf den Lautsprechern thronen beruhigende Steinplatten. Allerdings diene das System lediglich zum ersten Überprüfen der Komponenten und als Stütze während der Entwicklung, wie ich erfahre. Für ihre eigentliche Anlage haben die beiden eine weitere Räumlichkeit gemietet – dazu mehr im zweiten Teil …
Ergänzendes Schmökerwerk
Sie möchten schlauer sein als andere FIDELITY-Leser? Oder zumindest so wirken? Dann empfehlen wir ergänzend zum Reisereport die Lektüre unserer Lumin- und WestminsterLab-Tests. Die finden Sie gleich nebenan … gratis und in Farbe:
Endverstärker Amp und Lumin Streamer X1
Intermezzo 1: Angus und Felix
Als Angus Leung uns am Flughafen einsammelte und nach Fanling fuhr, glänzte er mit Wissen zu Gebäuden und Konstruktionen in der Umgebung. Abgesehen davon, dass er als Einheimischer die meisten Ortsteile und Gebäude benennen kann, offenbarte er ein ausgewachsenes Faible für Brücken und schwärmte vom neuen Flughafen der Stadt. Der liegt auf einer riesigen künstlichen Insel. Irgendwann zwischen seinen Ausführungen fällt mir wieder ein, dass Leung ursprünglich Architektur in Großbritannien studierte.
Sein Interesse an HiFi erwachte freilich schon früher: Zunächst erforschte er die Elektronik, lernte die Baugruppen und ihre Funktionen kennen. Später reparierte er Geräte, optimierte Schaltungen und fing schließlich an, eigene Komponenten zu entwickeln. Noch während seines Studiums in London gründete er sein Unternehmen WestminsterLab. Zur gleichen Zeit lernte er während eines Jobs in einem Audio Repair-Shop Felix Fen kennen – damit waren alle Zutaten beisammen.
Vom Übergangsjob ins HiFi-Bussiness
Wieder zurück aus Großbritannien trieb ihn die HiFi-Leidenschaft (und sein exzellentes Englisch) ins Marketing von Pixel Magic, die damals gerade damit begannen, ihren ambitionierten “Sidekick” Lumin an den Start zu bringen. Parallel vertiefte er seine Zusammenarbeit mit Felix, verlor sich nach Feierabend in immer detaillierteren Entwicklungen. Den “professionellen” Anfang machte der Endverstärker Unum, der seine Verwandtschaft zur aktuelleren Rei kaum verbergen kann. Schließlich kam auch die Vorstufe Quest hinzu.
Tatsächlich fertigen die beiden ihre Geräte mit einer Detailliebe, die für ein Zwei-Mann-Unternehmen an Wahnsinn grenzt: Angus zeigt uns eine Netzaufbereitung, die auf einem der Schreibtische für die Verarbeitung bereitliegt. Die Rückseite der Platine ist vollständig freiverdrahtet – mit unzähligen Lötpunkten allein in diesem kleinen Detail. Die aufwendige Handverdrahtung ist übrigens keine Verlegenheitslösung.
Für seinen eigentlichen Arbeitgeber Lumin wirkten Angus und Felix an der Entwicklung einer Ableitung der Rei-Endstufen mit. Die bildet als “Amp” den kraft- und schwungvollen Antrieb für die Lumin-Vorstufe P1. Schraubt man die massive Endstufe auf, entdeckt man Komponenten und Schaltungen ähnlich der Rei auf lupenrein geprinteten Industrie-Platinen. Dass WestminsterLab auch die Disziplin der CAD-geführten Schaltungsoptimierung beherrscht, beweist unter anderem das Haupt-Board der Vorstufe Quest.
Intermezzo 2: Hongkong, die erste
“Neeee, nicht international! Wir wollen das, was Einheimische machen, gern Seafood. Hauptsache, keine Touristen [wie wir], die beiden sind dabei”, hatte unser Reisebegleiter Krey Baumgartl von der IAD noch vorm Abflug mit Angus verabredet. Die beiden hatten die “Authentizität” unseres Besuchs bereits vorher geplant, wollten ihre redaktionellen Gäste aber zumindest fragen, ob das OK ist. Isses …
Mit Angus Leung im Seafood-Paradies
Nach einer weiteren Fahrt im Van lenkt Angus Leung links auf einen kleinen Parkplatz. Der Fischereimarkt von Tuen Mun im Westen Hongkongs sei eine sichere Bank für guten Fisch, erfahren wir auf dem Weg. Schon das Konzept des Markts wirkt auf uns exotisch: Man deckt sich in einem von dutzenden Fischläden mit fangfrischen (und durchweg noch lebenden) Leckereien ein und geht in eins der Restaurants, die direkt gegenüber wie am Schnürchen aufgereiht liegen. Von Luxus bis zur Imbissbude ist für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei.
Wir entscheiden uns für die goldene Mitte und betreten ein kleines Restaurant, das hinter einer Galerie aus Hochhäusern liegt. Eine kurze Verhandlung mit dem Sous-Chef, und schon beginnt der wohl leckerste Fischabend meines Lebens. Eine kleine Anmerkung sei noch erlaubt: Die deutsche “Es wird aufgegessen, was auf den Tisch kommt”-Mentalität und das asiatische “Nur ein voller Tisch ist ein guter Tisch” sind inkompatibel! Man hätte uns vorher sagen sollen, dass “Doggybags” zum festen Programm gehören … es verkommt also nichts. Wie dem auch sei: Wir wählten die Variante “extrasatt”.
Hier geht’s zum zweiten Teil unserer Asien-Reise.
Infos
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