Album-Doppel: Klassiker vs. Klassiker
Ach, die Blumenkinder! Sogar der Namenszug „Beatles“ ist mit Blumen geschrieben – roten Hyazinthen.
Es war der Sommer ’67, der Sommer der Liebe. Die Welt bestand aus duftenden Blüten, fröhlichen Drogen, Friedens-Botschaften, ein bisschen Buddhismus und Hinduismus – und alle hatten sich lieb. Die Beatles posierten in LSD-traumbunten Band-Uniformen mit Orchester-Instrumenten in der Hand. Das war englische Music-Hall-Nostalgie, ein Brocken skurriler, heiler Welt britischer Machart. Um sie herum: eine Collage von Gesichtern, die etwas großspurig zur „Gemeinschaft der neuen freien Menschen“ hochstilisiert wurde. Man erkennt Schriftsteller, Philosophen, Schauspieler, Karl Marx neben Oliver Hardy. Auch Musiker sind darunter, Bob Dylan, Karlheinz Stockhausen und noch mal die Beatles als Wachsfiguren. Rechts, versteckt auf einem Puppen-Shirt: sogar ein Gruß an die lieben Stones. Ebenfalls im Gespräch waren Gandhi, Jesus und Hitler, schafften es dann aber doch nicht aufs Cover. Als Kinder mochten wir solche Bastelarbeiten, kriegten aber kein Geld dafür. Die Designer ließen sich ihren Spaß mit fast 3000 Pfund bezahlen – und da war das Pfund noch mehr als 10 DM wert.
Noch heute ist Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band das berühmteste aller Beatles-Alben. Eine Art Konzeptalbum, denn das Titelthema klingt wiederholt an, die Music-Hall-Elemente ziehen sich durchs ganze Werk. Dazwischen immer wieder psychedelische Momente, Orchester-Häppchen, Streicher, Bläser, Mellotron, Jahrmarktorgel und Sitarklänge. Mit „Sgt. Peppers“ nahm der britische Artrock seinen Anfang. Einige der Songs wurden sogar echte Hits: das naive „A Little Help From My Friends“ mit Ringos bravem Gesang, das LSD-verschwurbelte „Lucy In The Sky With Diamonds“, das nostalgische „When I’m Sixty-Four“ mit den warmen Klarinetten, das ambitionierte „A Day In The Life“ mit psychedelischer Sinfonik. Hier werde Popmusik zu Kunst, meinten die Kritiker damals. Man hat aus dem Konzeptwerk demonstrativ keine einzige Single „ausgekoppelt“.
Was hat die Popularität des Plattencovers zum Erfolg dieser Musik beigetragen? Und was die Popularität der Musik zum Erfolg des Covers? Fest steht: Keine Plattenhülle der Pop-Geschichte wurde häufiger kopiert, imitiert, parodiert als Sgt. Peppers. Eines der ersten Beispiele dafür lieferten Frank Zappa und die Mothers Of Invention mit We’re Only In It For The Money – das war schon Anfang 1968. Der erste Eindruck: Das Zappa-Coverbild ist düsterer, grimmiger – eine bissige Parodie. Statt blauem Himmel: Gewitter. Statt relaxter Palme: trivialer Weihnachtsbaum. Statt Wachsfiguren-Doubles: verkrüppelte Dummys. Statt Blumen: Obst und Gemüse. Statt der Gemeinschaft freier Menschen: Soldaten, Vampire, der Tod, sogar der amtierende US-Präsident. Viele der Gesichter der Collage – auch die Freiheitsstatue – tragen einen schwarzen Balken wie auf Zeitungsfotos. Bei der Erstausgabe traute sich die Plattenfirma übrigens nicht, dieses Cover offen zu zeigen. Man versteckte es auf der Innenseite des Klappalbums.
Frank Zappa, der Realist und Satiriker, hatte für die utopischen Hippie-Botschaften der Beatles wenig übrig. Ihm war es wichtiger, die amerikanische Wirklichkeit zu benennen – zum Beispiel die Tatsache, dass immer wieder Cops auf Jugendliche schießen. Auch das Artrock-Konzept von Sgt. Peppers wird ihn nicht besonders beeindruckt haben, schließlich war die musikalische Pop-Montage Zappas ureigene Erfindung. Das Album Money ähnelt geradezu einem Musik-Hörspiel und übertrifft damit die „Psychedelik“ von Sgt. Peppers bei weitem. Nicht nur das Plattencover, auch die Songs sind Parodie. „Who Needs The Peace Corps?“, „Absolutely Free“ oder „Take Your Clothes Off When You Dance“ machen sich gezielt über die Hippie-Mode und den Drogen- und Freiheitskult lustig. „Flower Punk“ parodiert zudem Jimi Hendrix’ „Hey Joe“, einen weiteren Hit von 1967: „Hey punk, where you goin’ with that flower in your hand? – Well, I’m goin’ up to Frisco to join a psychedelic band.“
Als besonders peinlich dürfte Zappa die hippiebunten, nostalgischen, urbritischen, dabei militärisch anmutenden Brassband-Uniformen empfunden haben, in denen sich die Beatles auf ihrem Cover zeigen. Auch diese Albernheit wusste er zu persiflieren: Die Mothers tragen beim Foto historische Frauenkostüme. Der überlegene Sardoniker Frank Zappa im kurzen Kleidchen mit Spitzenkragen und mit Pippi-Langstrumpf-Frisur: Das ist wirklich irritierend und provokant. Aber dann wäre da noch der Titel seines Albums: Ist er nur Selbstironie? Oder Kritik am Kommerzialismus der Beatles? Vielleicht sogar ein Stück Wahrheit? Immerhin war Zappa – nach eigenen Worten – nur deshalb im Pop-Geschäft, weil er wünschte, von seiner Musik leben zu können. Lieber wäre er Avantgarde-Komponist geworden, Edgar Varèse war sein Vorbild. Aber als Realist wusste er: Avantgarde-Komponisten können in den USA verhungern.