Album-Doppel: Queen – The Verve
Ganz in Schwarz
Ein bisschen Glamour musste schon sein im Jahr 1974. Die Musiker der noch jungen Band Queen wandten sich dafür an den Fotografen Mick Rock, der mit eleganten Fotos von David Bowie und Iggy Pop bekannt geworden war. Für die Hülle ihres zweiten Albums wollten sie etwas Auffälliges und Exquisites, das zudem den Aufbau der Platte widerspiegeln sollte. Die A-Seite, weitgehend vom Gitarristen Brian May geprägt, war die „Side White“. Die B-Seite, nur mit Kompositionen von Freddie Mercury, war die „Side Black“. Auf der A-Seite gab es das Stück „White Queen“, auf der B-Seite „The March Of The Black Queen“. Mick Rock fotografierte die Band daher in Weiß und in Schwarz. Das „weiße Foto“ wanderte auf die Innenseite des Klappcovers: Es zeigt die vier Musiker weiß gewandet vor weißem Hintergrund. Das „schwarze Foto“ kam auf die Frontseite. Nur die vier Köpfe sind erkennbar im Schwarz – und Freddie Mercurys Hände, über der Brust gekreuzt.
Das Foto wurde ein Klassiker. Das Licht von oben, die Augenhöhlen dunkel, die vier Musikerköpfe in einer Raute, aufrecht wie „Statuen von der Osterinsel“, so ein Journalist. Rock, der Fotograf, hatte sich zu diesem Motiv durch PR-Shots von Marlene Dietrich inspirieren lassen, legendäre Kunstfotos in Schwarz und Weiß. Ein Porträt zum Sternberg-Film Shanghai Express hatte es ihm besonders angetan. Da blickt die Dietrich nach oben, die Finger am Unterkiefer, die Kippe in der linken Hand, und ringsum ist alles dunkel. Richtig berühmt wurde Rocks Foto der Queen-Musiker, als es 1975 für das Video zum Riesenhit „Bohemian Rhapsody“ als Vorlage diente. Doch nur ein Jahr zuvor wirkte der Glamour-Effekt des Plattencovers eher übertrieben. Denn 1974 kannte kaum jemand diese Band, geschweige denn die Gesichter der Musiker. Ihr erstes Album hatte in Deutschland die Charts nur aus der Ferne gesehen. Die Musiker äußerten daher auch Bedenken, ob das Foto nicht doch zu protzig wirke für ein zweites Album. „Sie sahen auf dem Bild nach viel mehr aus, als sie damals waren“, sagte Rock. Er konnte die Bedenken der Musiker aber zerstreuen.
Mit Queen II machte die Band einen großen Sprung nach oben – Platz 5 in den britischen Albumcharts. Die Kritiker aber blieben skeptisch. Der Melody Maker schrieb: „Es ist noch in der Schwebe, ob diese Band den Durchbruch schafft. Wenn ja, werde ich meinen Hut aufessen oder so etwas. Vielleicht wollen sie den Erfolg zu sehr, es fehlt alle Tiefe in Sound und Gefühl.“ Doch der große Durchbruch kam, spätestens mit dem vierten Longplayer, dem Nummer-1-Album A Night At The Opera (Deutschland: Platz 5) und der Nummer-1-Single daraus, „Bohemian Rhapsody“ (Deutschland: Platz 7). Wer will, kann die Zutaten zum Erfolg schon auf Queen II versammelt finden. „The March Of The Black Queen“ ist eine Art Vorübung zu „Bohemian Rhapsody“. „The Fairy-Feller’s Master-Stroke“ nimmt „Seaside Rendezvous“ vorweg. „Procession“ ist der Prototyp für „God Save The Queen“, „Nevermore“ ein Anlauf zu „Love Of My Life“. Nur fehlten 1974 einfach noch die Klarheit, das Pathos, der Mut zur ungebremst prätentiösen Protzerei. Das Albumcover immerhin war ein Anfang.
Rund 20 Jahre später stand die Band The Verve ebenfalls vor ihrem zweiten Album. Ihr Freddie Mercury hieß Richard Ashcroft, ihr Brian May war Nick McCabe. Ähnlich wie bei Queen ging es darum, die musikalische Richtung des Debütalbums ein bisschen zu korrigieren. Sogar den Bandnamen – ursprünglich ohne Artikel – musste man leicht abändern, weil das Label Verve eine Klage androhte. Ähnlich wie bei Queen sollte der eigentliche Durchbruch der Band erst eine Weile später folgen. Das Albumcover entstand in mehreren Etappen. Erst wurden die Musiker in Schwarzweiß fotografiert. Dann wurden die Fotos nachkoloriert. Und dann hat man die Porträts in bewährter Rauten-Formation an die Innenwand einer Londoner Lagerhalle projiziert – daher die Striche in den Gesichtern, es sind Wandstrukturen. Unten sieht man die offene Tür der Halle mit der Silhouette des Drummers Pete Salisbury.
Aufwendig verliefen auch die Studioaufnahmen für A Northern Soul. Eine Menge an Zeit, Drogen und Emotionen war im Spiel. Allein die Ecstasy-Party zur Eröffnung der Sessions dauerte zwei Wochen. Richard Ashcrofts kleiner Abstecher nach London wegen Herzensdingen summierte sich auf drei Monate Abwesenheit. Der erfahrene Produzent Owen Morris meinte hinterher: „Die Aufnahmen waren ein Prozess, den ich niemals mehr durchstehen möchte.“ Den hochbegabten Gitarristen McCabe nannte er „einen totalen und äußersten Albtraum“. 1995 waren Bands wie Oasis, Blur und Pulp so richtig angesagt. „Alternative Rock“ hieß in England „Britpop“. The Verve brachten in diese Szene einen psychedelischen und souligen Unterton herein – einen hypnotischen Sog, wabernde Gitarrenstürme und einen Gesang, der zuweilen an Jim Morrison und Mick Jagger erinnert. Dieses Album wächst mit jedem Hören. Viel Abwechslung hat es allerdings nicht zu bieten, die William-Blake-induzierte Stimmung zieht sich durch alle zwölf Stücke. Es sind „songs in the key of pain“, wie der Kritiker Nick Southall schrieb. Nach dieser Studioerfahrung trennte sich die Band erst einmal für eine Weile. Sie müssen alle ziemlich erschöpft gewesen sein.
The Verve: A Northern Soul (Hut CDHUT 27)