Album-Doppel: Herb Alpert / Soul Asylum
Wer um 1950 ein Teenager in den USA war und ambitioniert Trompete spielte, wollte natürlich Jazzmusiker werden. Auch Herb Alpert bemühte sich in seiner Jugend, „wie Harry James und Louis Armstrong und Miles zu klingen“.
Aber dann hörte er den neuen Trompetenstar des Bop, Clifford Brown, und war ernüchtert: „Das war nahezu entmutigend. Der Kerl war so gut!“ Nach seinem Studium versuchte sich Herb Alpert daher lieber als Songwriter und Sänger – bis er hörte, was der Gitarrist Les Paul mit Multitrack-Techniken zustandebrachte. „Das versuchte ich dann mit der Trompete. Boom! Ich hatte meinen eigenen Sound!“ – nämlich den Trompetenklang vervielfacht im Multitrack, ein weich-verschwommener Sound. Bald danach hatte Alpert auch die Idee für einen eigenen Stil – bei einem Stierkampf in Tijuana. „Die Aufregung der Menge, die traditionelle Mariachi-Musik, die Trompetenfanfare, die den Kampf ankündigte, das Geschrei, das Schnauben der Stiere – da machte es klick!“ Die Aufnahme The Lonely Bull wurde 1962 sein erster Hit. Seine Band nannte er Tijuana Brass, obwohl er darin fast der einzige Bläser war.
Drei Jahre später entstand Whipped Cream & Other Delights, bereits sein viertes Album. Zwölf Instrumentalstücke mit dezenten Mariachi-, Latin-, Jazz- und Rock’n’Roll-Zutaten im damals populären Easy-Listening-Stil – die ideale Radiomusik. Ein gewisser Sol Lake hatte ihm drei Nummern geschrieben, die übrigen waren vertraute Popsongs oder Jazzstandards. Passend zum Albumtitel hatten die Namen aller Stücke irgendetwas mit Leckereien zu tun: „Green Peppers“, „Butterball“, „Peanuts“ usw. Am bekanntesten wurde „A Taste Of Honey“, noch heute eine weltberühmte Radio-Melodie, die bei Alpert aber nirgendwohin führt, sondern mehrfach abbricht und dann neu ansetzt. Begleiten ließ er sich auf diesem Album von professionellen Studiomusikern aus der legendären „Wrecking Crew“ von Los Angeles, darunter Leon Russell (Piano), John Pisano (Gitarre), Chuck Berghofer (Bass) und Hal Blaine (Schlagzeug).
Whipped Cream & Other Delights wurde Herb Alperts erste Nummer eins in den amerikanischen Albumcharts. Er überflügelte damit 1966 selbst die Beatles und die Rolling Stones. Die Platte war so erfolgreich, dass er danach nicht mehr umhinkonnte, auch live aufzutreten, weshalb er dann aus seinem Studioprojekt eine echte Band formte. Ein Teil des großen Erfolgs war allerdings dem Plattencover geschuldet. Die Dame in der Sahne heißt Dolores Erickson – sie war damals ein angesagtes Fotomodell, hatte diverse lokale Miss-Wahlen gewonnen und wurde auch für andere Plattenhüllen abgelichtet. Beim Fototermin saß sie auf einem Hocker, hatte eine weiße Decke über den Beinen und trug einen Bikini – aber es sollte natürlich aussehen, als wäre sie nackt unter der Sahne. 1966 wirkte dieses Cover in den USA noch aufreizend sexy. Alpert fürchtete, es sei möglicherweise sogar zu gewagt: „Ich dachte, die Zensur würde es kippen.“ Bei Auftritten mit seiner neu geformten Band machte er gelegentlich die Bühnenansage: „Leider können wir das Albumcover nicht für Sie spielen.“
Um seine Tijuana-Brass-Alben zu vermarkten, hatte Alpert 1962 eine eigene Plattenfirma gegründet: A&M Records. Das Kürzel steht für Alpert & Moss – Jerry Moss war der Geschäftspartner. A&M wurde zu einer großen Erfolgsgeschichte. Bei diesem Label waren Quincy Jones, Cat Stevens, Joe Cocker, Supertramp, Rick Wakeman, Peter Frampton, Police, Sting und viele andere Weltstars unter Vertrag. 1988 wurde auch die Band Soul Asylum gesignt – für die vier Rocker aus Minneapolis ein großes Ding. Allerdings waren sie bei ihrem alten Label noch zu einer letzten Plattenproduktion verpflichtet. Aus lauter Freude über den Deal mit Alperts Firma beschlossen sie, diese letzte Platte nach dem berühmtesten Cover ihres neuen Labelchefs zu gestalten. Auch der Albumtitel – Clam Dip & Other Delights –, das Backcover und die Liner Notes wurden zur liebevollen Parodie. Und weil die Scheibe nur eine EP war und lediglich sechs Stücke enthielt, hat man die Stücktitel in zwei Sprachen abgedruckt, damit sogar die Songliste dem Original möglichst ähnlich sah.
Der Stil von Soul Asylum liegt zwischen Hardrock und Glamrock mit kleinen Abstechern Richtung Punk. Das härteste Stück auf der EP ist der Opener „Just Plain Evil“, der die Kritiker damals an Aerosmith erinnert hat. Die Platte erschien zunächst in Großbritannien und enthielt drei Coverversionen. Für die US-Edition wurden zwei davon durch eigene Stücke der Band ersetzt. Spätere CD-Editionen enthalten alle acht Songs sowie vier Bonustracks. Als der gute Geist der Band galt ihr Bassist Karl Mueller: „Es stand nie außer Frage, wer Dolores Erickson auf dem Cover doubeln sollte“, schreibt der damalige Manager von Soul Asylum. Allerdings hätte man sich beim Fotografen des Originalcovers ein paar gute Tipps holen können. Der hatte nämlich seinerzeit fürs Foto Rasiercreme benutzt, die erstens nicht zerläuft und zweitens auch nicht zu riechen beginnt. Der arme Karl Mueller, der 2005 an einer Krebserkrankung gestorben ist, musste für den Covershot stundenlang in Schlagsahne, Sauerrahm und Meeresfrüchten sitzen.
Herb Alpert’s Tijuana Brass: Whipped Cream & Other Delights (A&M, 1965)
Soul Asylum: Clam Dip & Other Delights (Twin/Tone, 1989)