Arme braucht man immer zwei
Update für den Solid Wood. Aber nicht via US-Buchse …
Das Thema „Zweittonarm“ ist ja selbst unter den absoluten Vinylfreaks höchst umstritten. Was die einen als „Zweitarm-Krankheit“ sehen, ist bei den anderen Pflicht, nämlich der Besitz einer weiteren, doch bitteschön anders klingenden Tonabnehmer/Tonarm-Kombi, die später nicht selten zum hauptsächlich benutzten Spielzeug wird. Ein typisches Beispiel ist wohl die inzwischen sattsam bekannte Methode, zusätzlich zu einem hochgelobten, meist sehr teuren High-End-Abtaster noch das gute alte Denon DL-103 zu betreiben. Weil es bezahlbar ist, so schön klingt, ja sogar der auf dem gleichen Laufwerk montierten, bis aufs Zahnfleisch analytischen Pretiose mitunter zeigt, wo der (Spaß-)Hammer hängt … Eigentlich ziemlich witzig, quasi zur Selbstkasteiung die Plattenrillen bis ins letzte Stäubchen auszuloten, um hinterher aufatmend Musik mit einem Oldie-Tonabnehmer zu genießen, der eher nonchalant, aber durchaus spannend mit dem brilliert, was er eben nicht kann. Entschuldigung, jetzt ging gerade mal wieder mein Zynismus mit mir durch. Zeit für ein Geständnis: Auch bei mir läuft die betagte Gold-Variante des 103 als gehätschelter Zweitwagen 🙂
Wunsch: erfüllt
Karl Wirth (Wirth Tonmaschinenbau) sieht das Thema Zweitton arm – mit dem Blick des Technikers über seine Drehmaschinen – etwas pragmatischer: Die Kunden, so der Macher der bekannten Acoustic-Solid-Laufwerke, hätten es halt verlangt, auch bei den eher klassisch designten Laufwerken des Hauses, die auf dem Chassis normalerweise keinen zweiten Montageplatz bieten. Also höchste Zeit, sich etwas auszudenken, etwas sprichwörtlich Solides, ohne gleich die Zargen einem kompletten Umbau zu unterziehen. Der naheliegende Kandidat für eine solche Aktion ist der Wood MPX, der in seinen zahlreichen Inkarnationen über die Jahre immer mehr an Gewicht zulegte, nun ein echter Hingucker und ein Masselaufwerk par excellence ist, das mit netto 35 Kilogramm auf seine drei Spikes drückt. Wer ihn auspacken darf, der lernt das eherne Plattenspieler-Gesetz solcher Wuchtbrummen mit den eigenen Bandscheiben auswendig. Geht es doch darum, absolut unerschütterlich den Teller zu drehen, nicht die kleinste Vibration zuzulassen, um den Mikrokosmos des Abtastvorganges nicht zu beeinträchtigen. Allein schon der 60 Millimeter hohe, massive Aluminium-Plattenteller garantiert für Laufruhe, das acht Zentimeter dicke, furnierte Multiplex-Chassis bildet beim Wood MPX schließlich ein regelrechtes Fundament, um die Buchse des Tellerlagers von äußeren Einflüssen abzuschirmen. Was das Tellerlager angeht, so sitzt inzwischen die beste Lagertechik, die Acoustic Solid zu bieten hat, im Chassis, es ist das berühmte „gegossene“ Lager, bei dem ein auch beruhigend wirkender Spezialkunststoff sowohl die horizontale als auch die vertikale Führung der Stahlachse gewährleistet. Sogar der Lagerboden, auf dem die Achse via Keramikkugel aufsitzt, ist inzwischen aus gegossenem Material. Und zehn Jahre Garantie auf dieses außergewöhnliche Lager sprechen wohl Bände … Ein Ölfläschchen liegt dem Laufwerk bei, ebenso wie eine Stroboskop-Scheibe, Werkzeug und Baumwollhandschuhe. Und noch ein Hinweis: Um das Lager nicht zu beschädigen, sollte man die Bedienungsanleitung fanatisch genau befolgen. Zusätzliche Lasten stören einen Acoustic Solid Wood nicht einmal ansatzweise, weshalb eine notwendigerweise verstellbare Montagemöglichkeit für eine weitere Armbasis schnell gefunden war, nämlich das dritte, hintere Standbein des Laufwerks. Zwischen dem höhenverstellbaren Spike und dem Multiplex-Chassis klemmt nun eine 15 Millimeter starke Trägerplatte, die mit einem Zwischenstück und drei Alu-Säulen eine weitere Montagefläche auf die richtige Höhe bringt. Das Ganze ist mithilfe ordentlicher Stahlschrauben genauso stabil und massiv, wie es aussieht. So sind wir es von der schwäbischen Manufaktur ja gewohnt. Darüber hinaus ist diese Armbasis verstellbar und somit fl exibel genug, um mit verschiedenen Tonarmen zurechtzukommen; weitere Basisplatten für das ja sehr große Tonarm-Angebot sind für den versierten Hersteller sicher alles andere als ein Problem, ebenso ließen sich Höhenunterschiede (so dicke Plattenteller berücksichtigt nicht jeder Tonarm) über die Länge der drei Alustäbe ausgleichen.
Ecke: ab
Den Platz für die frei stehende Motordose – dafür war die freundlich abgeschrägte, hintere Ecke des Chassis gedacht – nimmt nun teilweise die neue Armbasis ein, was kein Problem darstellt; wir rutschen das schwere Antriebsaggregat etwas weiter vor und nach außen, erfreuen uns an dem völlig ruhig laufenden Rundriemen und beobachten, wie die Steuer-Elektronik die Drehzahl des Synchronmotors perfekt einstellt, im Vergleich zu manch anderen String-Antrieben ein Rundum-Sorglos-Paket, das Freude macht, nicht zuletzt deswegen, weil der Durchmesser der Pulley-Scheibe vernünftigerweise groß genug gewählt wurde. Übrigens ist der Lauf des schweren Plattentellers schlicht perfekt, es ist nämlich nicht nur ein Gerücht, dass manche Dreher, die sogar ein High-End-Schild aufgeklebt haben, den Höhenschlag von Schallplatten gleich mal mit dem Höhenschlag des Plattentellers verstärken – undenkbar für den „Metaller“ Wirth, der sichtlich stolz auf seinen Präzisionsmaschinen-Park ist.
Aber wie stellt man so ein ungefedertes Masse-Laufwerk am besten auf? Präzise „ins Wasser”, klar, und dann optimalerweise auf ein 150-Kilo-Rack mit Federfüßen, Eigenfrequenz unter fünf Hertz. So was gibt es tatsächlich. Ersatzweise tut es ein schweres Möbel, dem kann man mit ein paar Hundert Schallplatten nachhelfen. Und wenn Sie mich fragen, dann ist Holz die beste Lösung, eine zugegeben subjektive Empfehlung, die aus jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem Thema herrührt. Beim Spezialfall “schwingender Fußboden” (Altbau) haben Sie keine andere Wahl, als eine massive Trägerplatte bombenfest (Stichwort: Schwerlastdübel) an die Wand zu montieren, aber bitte schön nicht „altarmäßig“ genau zwischen die Lautsprecher, denn dort gehört ein Laufwerk, entgegen landläufiger Ansichten, keinesfalls hin.
Die Basis des Schallplattenklanges bildet das Laufwerk. Erst in zweiter Linie spielen Tonarm und Tonabnehmer ihre Rolle. Deshalb macht es überhaupt keinen Sinn, einen Top-Abtaster auf einen Spielzeug-Plattenspieler zu montieren. Der Wood MPX ist preisunabhängig eine völlig ernst zu nehmende Maschine und ein angemessenes, echtes und endgültiges Werkzeug für fanatische Vinyl-Liebhaber. Die Tonarm- und Systemauswahl ist mit dem Wood nach oben hin offen, denn er kann die Klangqualität dieser Komponenten stets realisieren. Mit der Zusatz-Armbasis wird das Spielfeld nur noch vergrößert; die bei unserem Exemplar dort zur Demo montierte Kombi aus Rega-Arm und DL-103 reizt das große Laufwerk natürlich keineswegs aus, weit mehr Einsichten in die herausragenden Fähigkeiten des Wood offenbaren da schon der WTB 213 plus Ortofon MC 30 Supreme Classic, das in dem übrigens ohne Antiskating-Einrichtung gelieferten – dazu kein Einspruch von meiner Seite – Acoustic-Solid- Tonarm gut aufgehoben ist. Der über die Jahre offenkundig gereifte Tonarm funktioniert prächtig, hätte aber, nebenbei bemerkt, einen flexibler höhenverstellbaren Lift verdient; ein Schönheitsfehler, den auszubügeln den umtriebigen Schwaben leichtfallen sollte.
Hintergrund: schwarz
Top-Laufwerke reduzieren die Laufgeräusche der Nadel subjektiv sehr stark und bieten tiefere Einblicke ins detaillierte Klanggeschehen durch einen pechschwarzen Hintergrund. Der Wood MPX macht da keine Ausnahme, seine Laufruhe ist exemplarisch, ja stoisch, ohne gleich unbeteiligt zu wirken. Nicht selten, so lehrt bittere Erfahrung, tendiert der Klang haltlos dimensionierter Plattenspieler-Boliden ins Langweilige; Lebendigkeit und Antritt gehen bei ihnen zugunsten schierer Wucht verloren. Zu dieser enttäuschenden Riege von Schau-mich-an-Posern zählt der Wood mit Sicherheit nicht, gleichwohl bietet er Druck und Souveränität genug, um sich souverän und mir nichts, dir nichts in die S-Klasse seiner Gattung zu katapultieren. Und das ist mehr als nur erstaunlich im Hinblick auf den Preis! Zumal dieses Laufwerk gelöst, frei und differenziert aufspielen und große Klangbilder malen kann – wieder ein untrüglicher Hinweis auf sein gewaltiges Potenzial, das jede Investition in Spielpartner rechtfertigen würde. Im Wood steckt, so viel ist sicher, bedeutend mehr, als man nach der landläufigen Preisgestaltung im Analogsektor erwarten würde, übrigens auch jene unerschütterliche Schwere und Erdigkeit, die innere Ruhe vermittelt und auch bei hoher Aussteuerung keinen Klangbrei produziert. Flüsterleise Passagen meistert er ebenfalls mit Bravour und jeder Menge Feindynamik, wie es sich eben für ein Spitzenlaufwerk gehört.
Weiter dran drehen, sprich spielen darf man noch gerne mit der untergelegten Ledermatte und der Acryl-Auflage, hier spielt sich insbesondere bei der Tieftonwiedergabe noch Verblüffendes ab. Aber Tellerauflagen sind genau jenes i-Tüpfelchen, hinter denen Plattenfans zu Recht feine Klangregler vermuten. Und nicht vergessen: Tonarmhöhe nachjustieren.