Abbey Road Studios, Studio One
Der Profi-Musiker Stefan Gawlick ist weltweit unterwegs. Nicht nur in Konzertsälen, sondern auch in Tonstudios. Grund genug, den Blick dieser Serie der Saalvorstellungen etwas zu weiten und auch mal etwas Studioluft zu schnuppern.
Die Abbey Road Studios – früher oder später mussten wir zu dieser Legende von einem Musikraum kommen. Es ist das älteste und größte Tonstudio der Welt, das mit den berühmtesten Aufnahmen, gleich welchen Genres. Den Zebrastreifen vor dem Eingangsgebäude dürfte so ziemlich jeder kennen, und auch der bescheidene Eingang mit der hübschen Lampe über der Tür ist zur Ikone der Popkultur geworden.
Die Geschichte geht zurück in das Jahr 1929, als die Grammophone Company ein mondänes Wohnhaus für 16 500 Pfund kaufte und dann für zu der Zeit unglaubliche 100 000 Pfund umbauen ließ. Ende 1931 wurde eröffnet, der Eigentümer hieß nicht mehr Grammophone Company, sondern schon EMI, woran sich lange nichts mehr änderte.
Edward Elgar weihte das Studio One mit dem London Symphony Orchestra ein, sie nahmen den BBC-Proms-Hit Land of Hope and Glory auf, eine Produktion, die wiederum zur Legende wurde.
Natürlich wurde im Laufe der kommenden 95 Jahre immer wieder um- und angebaut, um den sich ändernden Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Letztlich präsentiert sich aber gerade der größte Raum, das Studio One, auch heute noch mehr oder minder in seiner ursprünglichen Form.
Wenn man darin spielt, irritiert zunächst die enorme Deckenhöhe von zwölf Metern. Das sorgt zwar für ordentlich Luftvolumen, das dem Klang hilft, kann aber auch Probleme bringen, weil man nicht immer kontrollieren kann, was von da oben zurückkommt. Das Berliner Teldex Studio, hier vor zwei Ausgaben beschrieben, ist übrigens bei gleicher Grundfläche ein paar Meter flacher und daher leichter zu kontrollieren.
Dieser spezielle Hall von oben sorgt allerdings auch für eine besondere Signatur im Klang, die man beispielsweise bei den strahlenden Blecheinsätzen in James-Bond-Filmen hören kann: ein nicht zu langer Hall, der über eine gewisse Härte verfügt und auch hohe Töne „groß“ wirken lässt.
Die Ruhe und Beschaulichkeit früherer Produktionen, wie sie beispielsweise in den Memoiren des EMI-Produzenten Suvi Raj Grubb beschrieben wird, ist mittlerweile Geschichte. Heute geben sich die Musiker die Klinke in die Hand, die Belegung des teuren Raums im Herzen von Westminster ist durchgetaktet, damit die Zahlen stimmen.
Auch wenn es natürlich Konzertsäle gibt, die beeindruckender klingen, ist es immer ein Erlebnis, hier zu spielen, denn nur wenige Säle vermitteln dieses Gefühl, „sacred ground“ zu betreten.
Ein besonderes Schmankerl ist es übrigens, wenn man mal einen Blick in die Mikrofonschränke werfen darf. Was sich hier im Laufe der letzten Jahrzehnte angesammelt hat, ist schlichtweg einzigartig. Ich kenne kein Studio der Welt, das über einen ähnlichen Fuhrpark verfügt, womit nicht nur die Auswahl, sondern auch die schiere Masse gemeint ist. Natürlich begegnet man immer wieder ein paar Neumann U67. Aber gleich 18 Stück?
Ich weiß nicht genau, welche Räume von den buchbaren Führungen abgedeckt werden. Wenn Sie aber einmal die Gelegenheit haben, ein Master in der Regie des Studio One zu hören, wissen Sie für immer, wie eine Stereoanlage klingen sollte.
Musiktipps – Aufnahmen mit raumtypischem Klang
Alles von EMI aus England, The Beatles, James Bond, Indiana Jones, Herr der Ringe, Harry Potter, Elton John … und so fort