Aavik U-380 – Dänische Dreifaltigkeit
Wenn es nach dem Willen der dänischen High-End-Manufaktur Aavik geht, dann ist „Integriert“ das neue „Separat“.
Eins der berühmtesten Bilder des belgischen Malers René Magritte zeigt eine Pfeife, darunter der Satz: „Ceci n’est pas une pipe.“ Das ist keine Pfeife. Natürlich ist da eine Pfeife zu sehen. Etwa nicht? Was will mir der Künstler sagen?
Ein Telefonat mit Michael Børresen. Es geht um den Vollverstärker Aavik U-380. Das Gerät, dessen analogen Part Børresen entwickelt hat, steht mit einem Preis von 36 000 Euro im Katalog der dänischen Manufaktur. Ich stelle die naheliegende Frage: Was macht einen Vollverstärker so teuer? Die Antwort von Børresen: „Das ist kein Vollverstärker.“
Das sagt er natürlich nicht. Nicht wörtlich. Tatsächlich sagt er dieses: „Hier geht es doch gar nicht um den Verstärker. Schau dir die Module an! Die Phonostufe! Den DAC!“ Es fallen die Namen der hochkarätigsten Spezialisten auf diesen Gebieten. „Der U-380 ist denen ebenbürtig!“
Der Aavik U-380, wie Michael Børresen ihn verstanden haben möchte, ist: eine Weltklasse-MC-Phonostufe mit fein einstellbarer Impedanz; ein superber D/A-Wandler mit wahlweise ein oder zwei DAC-Modulen für PCM und DSD; eine analoge Verstärkersektion in Class-D-Technik, die sich klanglich mit den besten Class-A-Amps messen möchte. Alles vereint in einem expressiv designten Gehäuse von beeindruckender Fertigungsgüte.
Dass gleichzeitig kein Netzkabel mitgeliefert wird, die flachen Metallfüßchen in Wirklichkeit Aufnahmen für die separat zu erwerbenden Darkz-Tuningfüße des Tochterunternehmens Ansuz sind und die Fernbedienung aus dem Hause Apple stammt: Schrulligkeiten. Wobei Børresen durchaus alles nachvollziehbar zu begründen weiß. Etwa so: Wann haben Sie zuletzt eine neu erworbene High-End-Komponente mit der Beipackstrippe ans Netz angeschlossen? Eben.
Ein Hoch der Ungleichbehandlung
Frisch ausgepackt präsentiert sich der U-380 als knapp 17 Kilo schwere Audioskulptur. Auf dem obersten Brett meines Racks, wo er allein schon wegen des stolz über die ganze Gehäusetiefe präsentierten, CNC-gefrästen Markennamens hingehört, wirkt er, als entstamme er wahlweise dem Batcave oder Darth Vaders privatem Hörraum. Trotz zahlreicher Eingänge, einer potenten DAC-Sektion und einer anpassbaren Phonostufe sind auf den ersten Blick keinerlei Displays zu erkennen, die über den jeweiligen Betriebszustand informieren. Einzige Bedienelemente sind drei Druckknöpfe und ein großer Drehknopf – um nicht zu sagen: eine Drehscheibe, prominent mittig in der Front platziert. Sie wird eingefasst von einem Ring aus weißen LEDs – und da haben wir es, das Display. Der Drehgeber ist das Eingabegerät, über kurzen oder langen Druck auf die Knöpfe lässt sich zwischen Pegelregelung, Balance, Quellenwahl, Gain und Phono-Eingangsimpedanz umschalten. Das funktioniert gut, und man fühlt sich dabei ein wenig wie in einer Luxuslimousine – Stichwort i-Drive bzw. Command-Controller.
Die Phonostufe des ansonsten unsymmetrischen U-380 ist volldiskret symmetrisch erdfrei aufgebaut. Die Verstärkung obliegt bipolaren Transistoren in besonders rauscharmer (Aavik gibt enorme 94 dB Störgeräuschabstand an) BISS-Bauform. Børresen bevorzugt diesen Typ gegenüber Feldeffekt-Transistoren, denen er ein gedecktes Klangbild attestiert. Die Impedanz-Anpassung des U-380 bietet inklusive der Eckwerte 50 und 10 000 Ohm beeindruckende 18 Stufen. Dank des geschmeidigen Bedienkonzepts ist die Umschaltung im sprichwörtlichen Handumdrehen erledigt.
Beim integrierten D/A-Wandler geht man bei Aavik einen ungewöhnlichen Weg, was die Verarbeitung der Formate PCM und DSD betrifft. Nichts wäre heute einfacher, als beide durch denselben Wandler zu schicken. Aber die Dänen setzen auf Ungleichbehandlung und haben zwei DAC-Module entwickelt: eines ausschließlich für PCM bis 24 Bit Auflösung und 192 Kilohertz Samplingfrequenz mit einem Wandlerchip des Typs Burr-Brown 1794A, und eins für DSD, auf dem das analoge Signal am Ausgang eines Tiefpassfilters bereitsteht. Der Kunde hat die Wahl: Serienmäßig ist der U-380 mit dem PCM-Modul bestückt, kann in dem Zustand sogar mit zwei Phonostufen ausgerüstet werden – oder der Käufer entscheidet sich zusätzlich zum PCM-DAC für die DSD-Platine. Dann bleibt nur noch Platz für einen Phono-Eingang.
Weil die DACs vom zentralen Class-D-Verstärker mit Strom versorgt werden, sorgt eine Armada von Spannungsreglern auf den Modulen dafür, dass dort vom hochfrequenten Werkeln des Schaltnetzteils nichts zu spüren ist. Vier Clocks kümmern sich um jitterarmes Timing: einer am S/PDIF- und gleich zwei am asynchronen USB-Eingang; der vierte Taktgeber dirigiert das Upsampling und den DAC. Ausnahmslos alle digital zugespielten Signale durchlaufen im U-380 ein Upsampling auf 200 Kilohertz. Wieso diese ungewöhnliche Zahl? Børresen: „Die Frequenz musste über der höchstmöglichen von außen zugeführten Samplingfrequenz von 192 kHz liegen. Und der Burr-Brown-Chip akzeptiert maximal 200 kHz. Damit stand 200 kHz fest.“
Die Leistungsverstärkung geschieht in einer Baugruppe des dänischen Schaltverstärker-Spezialisten Pascal Audio. Michael Børresen macht keinen Hehl daraus, dass, stünde mehr Platz zur Verfügung, eine Class-A-Endstufe sein Favorit wäre. Im dicht gepackten U-380 ist daran nicht zu denken, zumal eine Leistungsverstärkung geboten werden soll, die ihre Bezeichnung auch verdient. Daher die Entscheidung für das Pascal-Modul M-Pro2, das hier mit einer modifizierten Eingangsstufe zum Einsatz kommt.
Spannend ist die Implementation der Lautstärkeregelung. Der Pegel wird über ein Widerstandsnetzwerk geregelt, das in der Gegenkopplungsschleife der Verstärkerschaltung liegt. Weil Gegenkopplung und Verstärkungsfaktor direkt zusammenhängen, verringern sich beim Leiserdrehen die harmonischen Verzerrungen. Jeder Eingang hat so eine Eingangsstufe – und die Quellenwahl erfolgt durch Stummschalten der inaktiven Inputs.
Dann sind da noch die Spulen beim Aavik
„Tesla-Spulen“ nennt Aavik die aus grau isoliertem Draht kunstvoll gefertigten Wickel, die eine lange Platine direkt hinter der Frontplatte einnehmen. Mit den spektakuläre Blitze erzeugenden Tesla-Trafos aus dem Physikunterricht haben die nichts zu tun. Michael Børresen will den großen Nikola Tesla auch eher als Inspirationsquelle für seine eigene Methode der Störunterdrückung in einer Hochfrequenzumgebung verstanden wissen. Die genaue Wirkungsweise kennt nur er – aber entscheidend ist ohnehin: Klingt es denn gut?
Oh ja. Sehr gut sogar. Ganz hervorragend sogar, um genau zu sein.
Michael Børresen hat nämlich recht. Der Aavik U-380 ist kein Vollverstärker mit Phono und Digitaleingang. Jedenfalls nicht die Sorte Vollverstärker, bei der man fragt: „Und, taugen der DAC und der Phonoeingang was?“ Von diesem Typus Integriertem könnte der U-380 nicht weiter entfernt sein. Hier lässt keine der drei Sektionen auch nur den geringsten Zweifel daran, dass sie klanglich mit dem Allerbesten mithalten will, was der Markt an separaten Komponenten zu bieten hat. Im Verbund ergibt das ein Gerät von geradezu spektakulärer Ausgewogenheit. Angemessene analoge und digitale Signallieferanten vorausgesetzt, löst sich der ewige Wettstreit zwischen Vinyl und HD-Stream in höchstem audiophilem Wohlgefallen auf. Digital und Analog klingen hier tatsächlich identisch: glasklar breitbandig, bei Bedarf schockierend dynamisch und, Achtung, Schokoladenseite: holografisch räumlich.
FIDELITY: Welche Wirkung haben die Tesla-Spulen, die im U-380 anscheinend gar nicht mit dem Musiksignal verbunden sind?
Michael Børresen: Im Bereich der elektromagnetischen Störungen ist alles miteinander verbunden, selbst wenn keine direkte Verbindung besteht. Die Störfrequenzen verbreiten sich durch eine Vielzahl parasitärer Kapazitäten über die Platinen, Schaltnetzteile, Trafos etc. […] So können aber auch Störungsspitzen selbst von Baugruppen aus erkannt und ausgelöscht werden, die allein durch die gemeinsame Stromversorgung mit dem Rest des Geräts verbunden sind. Eben deswegen ist ja die Störstrahlung so ein Thema, denn sie verbreitet sich einfach durch alles: durch Kabel mit Antennenwirkung, durch den Netzanschluss, durch Streaming und die Internetverbindung. Gerade da ganz besonders.
Legen wir eine Jazz-Platte auf den Teller des dps 3 und senken das Lyra Kleos in die Einlaufrille der A-Seite von Sketches Of Spain. Links klackern die Kastagnetten, als stünde ein Spanier aus Fleisch und Blut hinter der Box. Wenig später ertönen Schellen, und ihr flirrend-silbriges Klingeln ist haarfein und gleichzeitig plastisch auseinandergedröselt. Rechts setzt rhythmisch punktgenau ein Kontrabass seine Noten, während erst ein sachte atmender Flötist, dann Miles Davis höchstselbst leibhaftig zwischen den Boxen steht. Ich werde diese Platte musikalisch auch weiterhin eher unterhaltsam als anspruchsvoll finden – aber, meine Herren, wie man sich hier doch iberisch groovend in virtuellen Räumen verlieren kann!
Der unvermeidbare Vergleich mit meinem bauer audio phono, ebenfalls ein reiner MC-Entzerrer, fiel derart deutlich zu Gunsten des Aavik-Moduls aus, dass man dem Dänen glatt eingebaute Abwehrmaßnahmen unterstellen möchte. Ich schätze den minimalistischen bauer audio als extrem sauber und offen spielendes Genusswerkzeug. Als Zuspieler für den U-380 wirkte er aber geradezu indisponiert, während dem Lyra-System beim direktem Zuspiel regelrecht Flügel wuchsen.
Ähnlich chancenlos war mein D/A-Wandler, Aquas La Voce. Beim Erstkontakt mit dem Aavik hing der italienische DAC an einem der drei Hochpegeleingänge und reizte die Endstufe – zur Erinnerung: 600 Watt an 4 Ohm! – mit überwältigender Detailfülle und mitreißender Dynamik angemessen aus. Anspieltipp: die Steve Gadd Band mit 70 Strong – was für ein Drumsound! Das Umstecken des vom Innuos Zenith Mk III kommenden USB-Kabels in die entsprechende Buchse des Dänen erdete das Geschehen. Das Klangbild entspannte sich, gewann an Weite und Tiefe, wurde feiner und, ja, kultivierter. Auch hier führte kein Weg zurück – der Aavik-DAC ist absolute Weltklasse!
Und es geht noch besser. Michael Børresen ließ die provokante Bemerkung fallen, ohne Tuningmaßnahmen zeige der U-380 nur 30 Prozent seines Potenzials. So brachte der Paketdienst eine Woche später einen Satz Ansuz-Füße mit Titankugeln namens Darkz C2t und ein Netzkabel Ansuz Mainz A2. Die Füße, die auf harte vertikale Ankopplung bei gleichzeitiger horizontaler Bewegungsfreiheit setzen, vervollständigen den mit den passenden Gegenstücken ausgerüsteten U-380 unübersehbar und machen sich klanglich mit einem Zugewinn an Luft und Offenheit bemerkbar. Das Netzkabel, das in meiner Anlage ein querschnittstarkes Exemplar von TMR ersetzte, sorgte für ein Plus an Eleganz – als seien einige bislang nicht wahrgenommene Ecken und Kanten der Musik abgeschliffen und poliert worden.
Nun denn: Vollverstärker oder nicht? Fest steht: Der Aavik U-380 ist eine Klanglupe. Er extrahiert aus digitalen wie analogen Signalen ein Maximum an Information – und macht daraus grandios Musik. Trotzdem will ich den Dänen nicht vorbehaltlos empfehlen. Wenn Sie sich partout nicht von Ihrer Phonovorstufe trennen wollen: Ignorieren Sie den U-380. Dito wenn Ihnen Ihr DAC ans Herz gewachsen ist. Den U-380 anzuschaffen und seine Fähigkeiten nicht vollständig zu nutzen wäre ein Frevel. Der dänische 3-in-1-Integrierte will das alleinige Zentrum einer exquisiten, minimalistischen analog-digitalen Anlage sein. Wer ihm diese Verantwortung überträgt, wird nicht enttäuscht werden.
Wir meinen
Ein spektakulärer Vollverstärker, der in einem kompakten, eigenständig designten Gehäuse Phonoentzerrung und D/A-Wandlung von selten erlebter Güte vereint.
Info
Transistor-Vollverstärker Aavik U-380
Konzept: Class-D-Vollverstärker mit MC-Phonoentzerrer und DAC in modularer Bauweise
Eingänge analog: 3 x Line-In (Cinch), wahlweise 1 x oder 2 x Phono-MC In (Cinch symmetrisch)
Eingänge digital: 1 x USB (PCM 24/192, optional DSD bis DSD128), 2 x BNC S/PDIF (24/192), 2 x Toslink optisch (24/96)
Ausgänge: 1 x Pre-Out (Cinch), 1 x Lautsprecher (bananenfähige Schraubklemmen)
Ausgangsleistung (8/4 Ω): 300/600 W
Besonderheiten: IR-Fernbedienung, Phono-Impedanz einstellbar, 2 x Trigger 12 V (Ferneinschaltung), RS-232-Schnittstelle, vorbereitet für Ansuz-Darkz-Gerätefüße
Maße (B/H/T): 44/10/37 cm
Gewicht: 17 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 36 000 €
Kontakt
Aavik Acoustics
Rebslagervej 4
9000 Aalborg
Dänemark
Telefon +45 40 511431