Borresen, Aavik und Ansuz – Die Schwingung macht’s
Borresen, Aavik und Ansuz sind junge Unternehmen. Hinter den exklusiven Produkten der Dänen stecken jedoch Erfahrungen und Forschungsergebnisse aus drei Jahrzehnten – garniert mit einigen verblüffend neuen Denkansätzen.
„Zuerst haben es die Briten im Zweiten Weltkrieg bemerkt“, erklärt uns Michael Børresen im Fertigungsraum seines Unternehmens. Um uns herum stehen eine Handvoll Tische, an denen Mitarbeiter damit beschäftigt sind, Kabel zu löten, Platinen zu bestücken oder Baugruppen vorzubereiten. „Eigentlich hätten ihre Radar-Flugzeuge gegnerische U-Boote schneller und effektiver entdecken müssen. Sie hatten da oben, in einigen tausend Metern Höhe, alle Vorteile auf ihrer Seite.“ Zumindest theoretisch, denn letztlich kam es ganz anders: „Zerstörer unten auf dem Wasser erwiesen sich als die besseren U-Boot-Spürnasen.“ Er wedelt dabei mit leicht gespreizten Fingern vor seinem Gesicht.
Auf dem Werktisch vor uns steht ein bemerkenswertes wie eigenartiges Konstrukt: ein offener Aavik P-300. Der vergleichsweise kompakte Leistungsverstärker besitzt zwei gegenüberliegende Reihen großer Siebkondensatoren. So weit nichts Ungewöhnliches. Dazwischen jedoch, auf einer eigenen Platine angeordnet, liegt eine ganze Armada spiralförmig verdrillter Kabelstücke.
„Forscher haben schließlich herausgefunden, dass es der unablässige Wellengang des Atlantiks war. Schiffe wogen pausenlos auf und ab, während Flugzeuge in der Luft geradlinig vorangleiten.“ Erneut wedelt Børresen mit der Hand vor seinem Gesicht. „Die Wellenbewegung erzeugt eine Modulation. Die sorgt dafür, dass der Schiffsradar ständig seine Position und gewissermaßen seinen Blickwinkel verändert. Das ist wie mit der Hand vorm Gesicht: Hält man sie still, verdecken die Finger einen Teil des Sichtfelds. Bewegt man sie konstant auf und ab, sieht man jedoch alles. Man bekommt alle Informationen. Genau das ist der Trick an unserer Elektronik.“
Keine drei Stunden vorher waren wir am Aalborger Flughafen eingetroffen. Vergisst man mal kurz, dass Grönland dazugehört, liegt die idyllische Großstadt im nördlichsten Zipfel Dänemarks. Lars Kristensen hatte uns eingesammelt und ohne Umwege in ein idyllisch gelegenes Restaurant am Limfjord entführt – links ein Yachthafen, rechts der Blick auf eine Hebebrücke, dazwischen das kleine Bistro mit seiner geschäftigen Terasse.
Seit drei Jahren ist er Mitinhaber und Verkaufsleiter des Firmentrios Børresen Acoustics apS, Aavik Acoustics und Ansuz Acoustics. Und er ist ein geborener Vertriebsmann, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Als ich meinen ersten Besuch auf einer HIGH END absolvierte, 2001 dürfte das gewesen sein, war ich gleich zu Beginn der Show in einer der Demonstrationen von Nordost gelandet, wo Kristensen damals noch in gleicher Funktion tätig war. Kaum fünf Minuten später war ich überzeugt, nicht ohne ein Valhalla-Lausprecherkabel weiterleben zu können. Seine heutige Empfehlung ist weniger kostspielig, aber ebenso treffsicher: Zur Begrüßung gönnen wir uns ein Grimbergen. Ironischerweise kein dänisches, sondern ein belgisches Bier.
Im Jahr nach unserer ersten Begegnung war Kristensen in Børresens Firma Raidho Acoustics eingestiegen. Mit ihrer erlesenen Flotte von Schallwandlern sorgten die beiden für reichlich Wirbel im High-End-Segment. 2017 kam es dann aber zu Meinungsverschiedenheiten, in deren Folge sich die beiden Gründer mit einem Teil des Teams aus ihrer Firma verabschiedeten. Fortan widmeten sie sich der Dreifaltigkeit ihres neuen Vollsortiments: Børresen für die Lautsprecher, Aavik für die Verstärkung und schließlich Ansuz für die Verkabelung sowie alles, was man an Zubehör benötigt … nur Quellgeräte überlassen sie bislang anderen.
„Warum drei separate Marken?“, wollen wir wissen. „Das hat zwei Gründe“, klärt Kristensen auf: „Zum einen als Absicherung. Läuft einer der drei Zweige nicht wie geplant, könnten wir ihn abstoßen, ohne die übrigen unnötig in Mitleidenschaft zu ziehen. Und dann sollte es ein Statement sein. Unsere Produkte ergänzen sich natürlich hervorragend und sind füreinander geschaffen. Aber man kann einen Aavik-Verstärker auch mit anderen Lautsprechern als denen von Børresen betreiben – oder umgekehrt. Die unterschiedlichen Markennamen? Nun ja, sie sollten Eintrittshürden in unser exklusives Sortiment vermeiden.“
Kaum dass wir angestoßen haben, trifft der Namensgeber der Boxen-Manufaktur ein. Michael Børrensen begrüßt uns freundlich, setzt sich, bestellt und geht ohne Umschweife in medias res, setzt zu Ausführungen über Kondensatoren, Verstärkerschaltungen sowie Chassis- und Lautsprecherkonstruktion an. Seine technischen Beschreibungen gehen in die Tiefe und haben eine solche Komplexität, dass ich mich sofort ärgere, den Notizblock im Auto gelassen zu haben. Nicht um mitzuschreiben, sondern um ihm die Möglichkeit zu geben, mir in ein paar Skizzen zu illustrieren, wovon genau er da eigentlich spricht. Doch meine Reaktion erweist sich als unbegründet. Wie unsere anfangs geschilderte Szene verdeutlicht, zählt er zu jenen Entwicklern, die sich an praktischen Problemen und Herausforderungen orientieren und die ihre Technologien entsprechend bildhaft darstellen können. Obwohl wir bereits seit vier Uhr morgens auf den Beinen sind und einigen Ärger mit einer Verzögerung des Hinflugs hatten, ist es die reinste Wonne, seinen überaus anschaulichen und gestenreichen Erklärungen zu folgen.
Noch ehe der Lunch auf dem Tisch steht – zur Mittagszeit gönnen wir uns nur ein paar Fischhappen –, lernen wir, dass er seine Chassis ohne Eisen konstruiert. Ein Permanentmagnet aus dem Metall ändere sein Verhalten abhängig von der Entfernung zur Spule. Und da die Spule unentwegt in Bewegung ist, sind keine Konstanten möglich. Für einen gleichmäßigeren Antrieb setzt er deshalb auf mehrere kostspielige Neodym-Magneten, die in einem Korb aus Aluminium und anderen nichtmagnetischen Metallen verankert werden. Die Gehäuse seiner Lautsprecher sind zudem mit einer innovativen Bassreflexöffnung ausgestattet. Statt eines großen Querschnitts besitzen sie einige kleine Auslässe, in denen Röhrchen unterschiedlicher Länge stecken. „Auf die Weise brechen wir die Resonanz des Bassports auf, erhalten statt einer problematischen mehrere kleine Resonanzen, die weit oberhalb des Arbeitsbereichs der Reflexöffnung liegen.“ Sein Slogan „Re-Think Loudspeakers“ scheint wirklich eine Passion zu sein.
Mit Schwingungen kennt er sich aus wie kaum ein anderer. Børresen studierte Ingenieurswissenschaften in Aalborg, und bereits für seinen Abschluss befasste er sich mit Resonanzen sowie Schwingungsmustern, wandte sein Wissen später auch für Entwicklungen außerhalb der HiFi-Branche an. Ziel seiner Entwicklungen sei es, das Resonanzverhalten der Lautsprecher und Geräte zu verstehen und zu kontrollieren, erklärt er uns. Resonanzen ließen sich nicht vermeiden. Also müsse der Entwickler dafür sorgen, dass sie in Frequenzbereichen stattfinden, in denen sie keinen Schaden anrichten können. Das erfordert natürlich umfassende Kenntnisse über das Verhalten der eingesetzten Werkstoffe. Wie tief Børrensen in der Materialforschung steckt, werden wir schon bald erfahren.
Doch zunächst geht es zum Firmenstammsitz, einem Gebäude am südlichen Ortsrand von Dänemarks nördlichster Großstadt. An der Raumaufteilung des Gebäudes kann man ablesen, dass es sich um eine Firma, Verzeihung, um drei Firmen handelt, die seit ihrer noch gar nicht so lange zurückliegenden Gründung schnell über sich selbst hinausgewachsen sind. Der Haupteingang führt ohne Umweg in ein überschaubares Gemeinschaftsbüro, in dem Entwicklung, Verkauf, Marketing und Vertrieb an gerade einmal vier Schreibtischen stattfinden. Durch eine Tür zur Linken gelangen wir in den kompakten Elektronik-Produktionsraum, wo wir auf den erwähnten halb montierten P-300 stoßen. Die zahlreichen mausgrauen Kabelstücke ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich … und Børrensen setzt zu seiner Weltkriegs-Anekdote an.
„Die elektrische Fluktuation bringt mehr akustische Informationen in den Hörraum.“ Mit Fluktuation meint er eine winzige Zeitachsenmodulation: Die vielen kleinen Spiralen gehören zu einem Schwingkreis, der das Signal unablässig verschiebt. „Nur dass ich das richtig verstehe“, hake ich verblüfft nach, „die Verstärker erzeugen Jitter?“ „Nein“, berichtigt Michael Børresen, „Jitter verzerrt die Phase und das Timing innerhalb eines Signals. Unsere Schaltung moduliert es in seiner Gesamtheit. Es zittert auf der Zeitachse, bleibt für sich gesehen aber unberührt.“ Für uns bleibt damit nur eine Frage, die bei unserem Rundgang allerdings unausgesprochen bleibt: Wie um alles in der Welt kommt man eigentlich auf sowas?
Die Schaltung steckt nicht nur in den Verstärkern. Wie wir kurz darauf an einem der anderen Arbeitsplätze sehen, verbaut Børresen sie – freilich in abgewandelter Form – auch in Kabeln, Stromverteilern und in den neuen LAN-Switches von Ansuz. Jede einzelne der kleinen Kabelspiralen wird im Produktionsraum von Hand zugeschnitten, verdrillt, gewickelt und auf die Platinen gelötet. Das kann je nach Gerät schon mal mehrere Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Handwerklich aufwendigere Komponenten, Signal- oder Lautsprecherkabel sind uns noch nicht untergekommen.
Wir gehen zurück in den Bürobereich. Eine weitere Tür führt in ein kleines Lager, über das wir in die Chassis-Produktion gelangen. Nicht nur für seine frühere Firma Raidho war Børresen als Entwickler tätig, er entwickelt auch Treiber und Lautsprecher für Scansonic. Wer die Modelle der drei Manufakturen kennt, wird sofort optische Ähnlichkeiten finden. Und auch technisch besteht ein hoher Verwandtschaftsgrad. Sämtliche Lautsprecher verwenden als Hochtöner ultraleichte Bändchenmembranen. Die übrigen Chassis bestehen aus einem extrem steifen, dennoch aber federleichten Kompositmaterial. „So leistungsfähige Treiber wären vor zwanzig Jahren noch gar nicht machbar gewesen“, betont er, als wir uns einige gerade fertiggestellte Exemplare ansehen. Trotz der Ähnlichkeiten hat jede seiner drei Marken ihre Eigenständigkeit. „Die Kerbe an der Seite der Børresen-Lautsprecher wurde von BMWs M-Modellen inspiriert“, verrät Lars Kristensen, als wir eines der großen Topmodelle im Lager erspähen. Die Autos der Bayern haben am Kotflügel, direkt neben den Türen, eine ähnlich geformte Öffnung. Die sieht übrigens nicht nur gut aus – am vorderen Ansatz der Vertiefung sitzt der Mehrfach-Flowport.
Damit ist unser Rundgang aber noch nicht beendet. „Wir haben vor einiger Zeit einen weiteren Gebäudeflügel angemietet, den wir gerade ausbauen“, erklärt Kristensen. Aus dem kleinen Lagerbereich gelangen wir in einen riesigen Saal, der zukünftig das Hauptlager bilden soll. Eine unscheinbare Tür führt in den großen Hörraum der Manufaktur. Dort bitten die beiden uns, auf dem großen Sofa Platz zu nehmen.
Man müsse die Komponenten einer Anlage als Gesamtes betrachten, setzt Lars Kristensen an. Egal ob Verstärker, Player, Lautsprecher, Rack oder Kabelhalter … alles füge Resonanzen hinzu, verändere die bestehenden Muster und habe Einfluss auf das Verhalten der kompletten Wiedergabekette. Um das zu demonstrieren, gönnen wir uns Billie Eilish von Vinyl. Als Verstärker dient Aaviks U-380, der Børresens Zweieinhalbwege-Standbox 03 antreibt. Augenblicklich zieht uns ein dumpfes, tief grollendes Fundament in seinen Bann. Nach wenigen Augenblicken ertönt die Stimme der Amerikanerin holografisch, natürlich und mit einer derart betörenden Tiefe und Plastizität im Hörraum, dass man sie körperlich vor sich wähnt. Hätten die Dänen uns gefragt, was man an der Anlage noch verbessern könnte, hätten wir wahrscheinlich erstmal ratlos mit den Schultern gezuckt.
Kaum ist der Song ausgeklungen, zeigt uns Kristensen eine kleine Sammlung von Plattengewichten, die von den Kabelführungen und Gerätefüßen der „Darkz Resonanz“-Reihen abgeleitet sind. Im Sortiment von Ansuz sind sie noch nicht zu finden. Mehrfach bitten wir Billie, ihre Darbietung zu wiederholen – jedes Mal mit einem anderen Auflagegewicht. Die entsprechenden „Quality Level“ der übrigen Darkz tragen die Namenszusätze „A“, „C“, „D2“ sowie „D CT“, was unterschiedlichen Materialkompositionen von Aluminium über Kupfer bis zu Titan entspricht. Die Wirkung der Auflagen haut uns im wahrsten Sinne um. In klar nachvollziehbaren Abstufungen straffen sie den Bass und lassen die Wiedergabe plastischer sowie aufgeräumter erscheinen. Zudem hauchen sie der elektronischen Produktion eine unglaubliche Natürlichkeit ein. Dabei belassen wir es für den Augenblick …
Am nächsten Morgen erklimmen wir im neuen Gebäudeteil eine kleine Treppe, die uns am Vortag gar nicht aufgefallen war. Sie führt hinauf in eine große Gemeinschaftsküche nebst angeschlossenem Konferenzraum. Vorbei an einem großen Weinkühlschrank gelangt man aus dem Treppenhaus in einen weiteren Hörraum, in dem wir unseren Hörparcours fortsetzen. Michael Børresen musste sich heute, am zweiten Tag unseres Besuches, wegen eines weiteren Termins entschuldigen, im kleineren der beiden Testzimmer vertritt ihn jedoch sein Kompaktmonitor 02. Angetrieben wird auch er von Aaviks Integriertem U-380 – und auch diesmal liegt der Fokus auf dem Zubehör von Ansuz. Das lasse sich einfach schneller wechseln als ein Vollverstärker oder ein Lautsprecher, so die plausible Erklärung.
Zum Anfang gönnen wir uns die neuen LAN-PowerSwitches, vergleichsweise ausladende Netzwerkverteiler für bis zu sieben Geräte – Anschluss Nummer acht nimmt der Router in Beschlag. Auch die Switches werden in vier Varianten angeboten, die sich hinsichtlich der verbauten Materialien und der Komplexität ihrer „Fluktuations-Schaltung“ unterscheiden. Wir hören diesmal eine reichhaltigere Titelauswahl von den werkseigenen Vorführ-Samplern: Etwas Leonhard Cohen, Trentemøller und weitere bekannte, aber nicht zu ausgetretene High-End-Standards. Unsere Eindrücke decken sich mit denen vom Vortag: Die ohnehin beeindruckende Performance der optisch „lifestyligen“ wie dezenten Kette verfeinert sich mit jedem Schritt hin zur Supreme-Version des LAN-Switches deutlich nachvollziehbar.
Als Nächstes geht es an die Lautsprecherkabel. Auch hier führen Kristensen und sein Team ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Materialien und Ausstattungen vor, vom einfachen Alu-Mantel bis hinauf zur Strippenvariante „D CT“ mit Titan-Steckerkapseln. Diese enthält obendrein den Fluktus-Schaltkreis und lässt die Wiedergabe unerhört offen, transparent und räumlich tönen. Vor allem besitzt die Kette in ihrer maximalen Ausbaustufe eine Natürlichkeit und einen „Swing“, der uns völlig vergessen lässt, dass wir digitale Medien in CD-Qualität über ein Computernetzwerk hören. Das von Michael Børresen beschworene „Mehr an Informationen“ erhält dadurch eine greifbare Dimension. Die Musik sei schon immer auf der CD gewesen, hatte er am Vortag gesagt. Man habe sie nur herauslocken müssen …
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