Aus dem Fruchtkörbchen
Rockmusik als Kunstprojekt – so starteten The Velvet Underground in die Schallplattenwelt.
Der Mentor und Produzent ihres ersten Albums war kein Geringerer als der heute legendäre Pop-Art-Künstler Andy Warhol (1928–1987). Der hatte einfach nur eine Band für seine neue Muse gesucht, für Christa Päffgen, genannt „Nico“, das singende Supermodel aus Germany. Dabei war Warhol auf die Formation um Lou Reed und John Cale gestoßen, die schon seit drei Jahren durch die New Yorker Szene tingelte. Dank Warhol, dem Enfant terrible der Kunstszene, und Nico, dem „Popgirl ’66“, bekamen The Velvet Underground nun tatsächlich einen Plattenvertrag. Auf dem Cover stand der Name Andy Warhol, nicht etwa der Name der Band. Auch die Banane: unverkennbar ein Warhol, speziell für dieses Plattencover geschaffen. Bei der Originalausgabe des Albums wurde Warhols Banane noch auf einen abziehbaren Sticker gedruckt. Wenn man ihn entfernte, kam darunter die nackte Frucht zum Vorschein – die Farbe des Fruchtfleischs war ein dubioses Rosa-Orange. Die Herstellungkosten für diese Sonderanfertigung mit Sticker sollen nicht ganz unerheblich gewesen sein.
Nur auf drei Stücken ließ die Band Warhols Muse singen. Durch ihren germanischen Akzent und ihre fragile Intonation wirkt die schöne Nico hier mehr wie eine artifizielle Figur, eine Underground-Installation. Immerhin hat sie, die kurzzeitig mit Lou Reed liiert war und auch von Leonard Cohen vergöttert wurde, später eine richtige Karriere als Musikerin gemacht. Ob der Gesang von Lou Reed, der die Silben gerne so provozierend dehnte wie ein Mick Jagger, wesentlich überzeugender klang, darüber lässt sich streiten. Die elf Songs handeln, kaum überraschend, von Drogen und Sex – einer heißt einfach „Heroin“. Das Beste an der Musik ist wahrscheinlich noch John Cales elektrisch verstärkte Bratsche, mit der er in einigen Stücken ausgiebig den Orgelpunkt spielt, was zeitweise fast indisch anmutet. Cale war von den Vätern der Minimal Music inspiriert.
Trotz Warhol, Nico und Banane: Das Debütalbum von The Velvet Underground war 1967 ein Riesenflop. Später allerdings hat man die „Bananenplatte“ maßlos gehypt und für ihre Pionier- und Einflussfunktion gefeiert. Selbst seriöse Gazetten wählten sie unter die „besten“ Platten aller Zeiten. Die Songs des Albums wurden auch entsprechend häufig gecovert, und zwar von nicht ganz unbedeutenden Künstlern wie z. B. Beck, Jeff Buckley, Nick Cave, Elvis Costello, Duran Duran, Bryan Ferry, Nina Hagen, Billy Idol, Morrissey, Orchestral Manoeuvres In The Dark, Iggy Pop, R.E.M. und den Simple Minds. Fast ebenso häufig wurde das Albumcover gecovert. Man trifft die Banane auf vielen späteren Plattenhüllen wieder, auch einmal halb geschält oder etwas überreif, ganz in Grün, mit der amerikanischen Flagge bedruckt oder aber nur die Schale allein. Oftmals hat sich die Banane sogar in eine andere Frucht verwandelt, eine Gurke oder Zucchini, eine Ananas oder Avocado, eine Karotte, Zitrone oder Peperoni.
Neu war die Variation „Apfel“, die 2009 das Album Popsongs zierte. Man konnte den Apfel sogar – wie das Bananen-Original – vom Cover abziehen, darunter erschien eine weitere Frucht. Der Warhol dieses Albums heißt Sven Helbig. Er hat nicht nur das Cover mitgestaltet, sondern ist der Initiator, Produzent und einer der Arrangeure von Popsongs. Helbig ist ein erfahrener Crossover-Musiker und -Komponist und war Mitbegründer der Dresdner Sinfoniker. Er hat auch mit Popmusikern gearbeitet (u. a. Rammstein, Pet Shop Boys) und Neue Klassik komponiert. Für das Album Popsongs konnte er das renommierte Fauré Quartett gewinnen, ein Klavierquartett, das sozusagen Streichtrio und Klaviertrio in einem ist (Violine, Viola, Cello, Klavier). Die 1995 gegründete Formation hat sich vor allem mit Werken der Romantik hervorgetan: Schumann, Mendelssohn, Brahms, Mahler. Popsongs zu spielen war für das Quartett 2009 eine ganz neue Erfahrung.
15 eher unbekannte Songs standen Pate – darunter Stücke von Peter Gabriel, den Pet Shop Boys, Steely Dan und den Beach Boys. Erfreulicherweise sind die rein instrumentalen Klavierquartett-Arrangements mit viel Fantasie und Können gemacht und tragen dem hohen Spielniveau des Fauré Quartetts Rechnung. Die Songs wurden praktisch von einem Biotop in einen anderen umgesiedelt, wie es Sven Helbig beschreibt. Der Kritiker Thomas Bednarz bringt es letztlich auf den Punkt: Die Melodien wurden „analysiert, auseinandergenommen und neu arrangiert. Man kann kaum noch mitsingen oder mitsummen, und plötzlich erstrahlt das ganze Stück in einem neuen Licht.“ Selbst Neil Tennant von den Pet Shop Boys kann in der Bearbeitung von „Dreaming Of The Queen“ nicht mehr als „Fragmente“ des eigenen Songs wiederfinden. Den größten Spaß hatten die Mitglieder des Fauré Quartetts übrigens bei der Aufnahme des Stücks „Chop Suey!“ von der Metal-Band System Of A Down – hier wird das klassische Klavierquartett streckenweise zur dissonant-motorischen Klangmaschine. Das letzte Stück des Albums ist übrigens John Cales „Satisfied“ – da schließt sich der Kreis zu The Velvet Underground.