Musical Fidelity Nu-Vista CD-Player – Musikalischer Goldgräber
Dass die scheinbar veraltete CD sehr viel Wohlklang bieten kann, belegen highendige Wiedergabespezialisten zur Verblüffung feiner Ohren stets aufs Neue. Der Nu-Vista CD von Musical Fidelity will jedenfalls musikalische Schätze aus den digital verschlüsselten Informationen heben – und das, ganz bescheiden, in Referenzqualität.
Fotografie: Harald Wittig
Antony Michaelson, der Gründer und Chefdenker der englischen High-End-Schmiede Musical Fidelity, ist ein Mann nach dem Geschmack eingeschworener Audiophiler. Seit 37 Jahren arbeitet der auch über eine fundierte musikalische Ausbildung verfügende Brite wie besessen an seinen Wiedergabekomponenten, um das hehre Ziel jedes highfidelen Geräts zu erreichen: den endgültigen, glückselig machenden Wohlklanggipfel. Bekanntlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesen Gipfel zu erreichen, und jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, verfolgt dabei seinen eigenen Weg, lässt sich hinsichtlich Technik, Design und Bauweise von ganz bestimmten grundlegenden Überzeugungen leiten. Antony Michaelson ist ein Anhänger der Röhrentechnik, die Glaskolben haben es ihm angetan. Schon früh erkannte er, dass in der anachronistischen Technik vor allem sehr viel Wohlklang-Potenzial steckt – sofern die bestmögliche Röhrentechnik unter idealen Arbeitsbedingungen zum Einsatz kommt. Genau das hat Musical Fidelity mit der Nu-Vista-Serie erreicht. Die selbst bei den fledermausohrigen Mitgliedern der exklusiven Highender-Clubs inzwischen bestens beleumundeten Komponenten machen auch äußerlich Eindruck und sind – angefangen bei den Vollverstärker-Boliden V800 und V600, über den Phono-Preamp Nu-Vista Vinyl bis hin zu unserem Testkandidaten, dem CD-Player Nu-Vista CD – in Röhrentechnik aufgebaut.
Wobei keine gängigen Glaskolben Verwendung finden, sondern die, wie wir noch sehen werden, in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Nuvistoren. Damit nicht genug, können die Nu-Vista-Geräte mit jeder Menge Edelbauteilen und feinster Technik aufwarten. Das gibt es nicht zum Sparpreis: So schlägt der Nu-Vista CD mit knapp 9000 Euro zu Buche und ist damit in bester Gesellschaft mit den Vollverstärker-Vettern V600 und V800, für die rund 6000 beziehungsweise 10 000 Euro aufgerufen werden. Aber dass das Besondere für den extravaganten Geschmack auch seinen Preis hat, leuchtet ein, zumal der Nu-Vista CD tatsächlich ein besonderer Player ist.
Hightech-Röhrenzwerge
Die Musical Fidelity Nu-Vista-Serie verwendet in ihren Verstärker-Elementen Elektronenröhren als aktive Bauelemente. Allerdings handelt es sich keineswegs um glimmende Glaskolben. Nein, Antony Michaelson vertraut auf Nuvistoren, eine Sonderbauform der Elektronenröhre in miniaturisierter Form. So nüchtern und technisch könnten wir es stehen lassen – und würden dabei die beinah kultische Verehrung, die diese vergleichsweise spät, gegen Ende der 1950er Jahre entwickelten Röhren genießen, kaum nachvollziehbar machen. Deswegen ein paar Anmerkungen zu den Kultröhren: Nuvistoren besitzen ein Metallgehäuse und einen Keramikboden und sind deshalb längst nicht so empfindlich wie die Glaskolben. Dank ihrer geringen Größe – Nuvistoren sind echte Zwerge – waren und sind Leiterbahnen direkt mit ihnen bestückbar. Aus ihrer Bauweise ergeben sich im Vergleich zu Glasröhren andere elektrische Daten wie eine erhöhte Steilheit, also ein sehr viel günstigerer Verstärkungsfaktor, herausragend geringe Mikrofonie sowie exzellente HF-Eigenschaften. Aus diesem Grund kamen Nuvistoren in erster Linie in Fernsehtunern oder HF-Verstärkern zum Einsatz. Außerdem ersetzte die Nuvistortriode 13CW4 in den weltberühmten Röhrenmikrofonen Neumann U47 und U48 die ebenfalls legendäre Mini-Triode VF14m. Zumindest erschien Neumann die 13CW4 ein würdiger Nachfolger der VF14m zu sein – wenngleich die mit ihr bestückten Neumänner definitiv anders klingen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Nuvistoren sollten dem Transistor Paroli bieten, konnten seinen Siegeszug aber nicht aufhalten, obwohl sie ihm in puncto Hitzeresistenz klar überlegen sind. Nur Eingeweihte wissen, dass Nuvistoren beispielsweise in Geräten von Rhode & Schwarz verbaut wurden und dass diese angeblich veralteten Geräte immer noch einwandfrei funktionieren. Ein Röhrenfan und Entwicklerfuchs wie Antony Michaelson weiß das selbstverständlich, und so entschied er sich bei seinem Nu-Vista CD für die Nuvistor Triode 7586, die seinerzeit als UHF-Verstärker und Oszillator-Triode mit Gewinn zum Einsatz kam. Dabei kommen selektierte N(ew)O(ld)S(tock)-Nuvistoren zum Einsatz, die Militärspezifikationen erfüllen. Diese neuwertigen Oldtimerchen bekommen allerdings neue Sockel – die Originale sind nicht mehr aufzutreiben. Angeblich schaffen diese technischen Wunderwerke eine Spieldauer von 50 000 Stunden, realistischer und damit Glasröhren noch immer weit überlegen seien 15 000 Betriebsstunden, so Jürgen Reichmann vom deutschen Musical-Fidelity-Vertrieb Reichmann Audiosysteme.
Vier der winzigen 7586er-Nuvistoren werkeln in der analogen Ausgangsstufe des Nu-Vista CD in Single-ended-Schaltung. Das vom potenten Wichtelquartett kompetent verstärkte Signal liegt an den symmetrischen und unsymmetrischen Analog-Ausgängen des CD-Spielers an. Bei beiden Ausgängen wurde herstellerseits größter Wert auf erstklassige Signalqualität gelegt. Dazu gehört, dass der sogenannte „Tube Buffer“ eine Impedanzanpassung vornimmt, sodass stets ein stabiles Signal an den Endverstärker – beispielsweise, um in der Familie zu bleiben, einen V600 oder V800 – ausgegeben wird. Dieser Aufwand ist keineswegs selbstverständlich und belegt, dass der Hersteller keine halben Sachen macht.
Folgerichtig sieht es auch im Inneren des Players ausgesprochen ordentlich aus: Jede Sektion hat ihr eigenes Chassis, alles folgt einem logischen und wartungsfreundlichen Aufbau. Die Digitalsignale wandelt ein Wandler-Chip von Burr-Brown, ein 1795, der mit 32-Bit-Auflösung und achtfachem Oversampling arbeitet, eine höchstmögliche Abtastrate von 192 Kilohertz bietet und zu den besten DACs seiner Machart gehört – Hersteller Texas Instruments bezeichnet den BB 1795 nicht umsonst als seinen Flaggschiff-Chip.
Das Digitale stärken
Als ob der Hersteller zum stolzen Preis auch noch mehr Wert anbieten wollte, kann der Nu-Vista CD auch externe Digitalsignale wandeln, beispielsweise von einem am Rechner hängenden USB-DAC. Es gibt insgesamt vier Digitaleingänge, davon sind jeweils zwei als elektrische und optische Schnittstellen für das S/PDIF-Format eingerichtet. Die Anwahl des Ausgangs kann über die Taster an der Gehäusefront – instruktiv mit „coaxial“ und „optical“ beschriftet – erfolgen. Alternativ ist das Einstellwerk auch über die Fernbedienung aus massiven Aluminiumschalen zu erledigen. Die entsprechende Rückmeldung gibt das in sattem Grün leuchtende und sehr gut ablesbare LC-Display. Bei erfolgreicher Eingangswahl vermeldet das Display beispielsweise „Coaxial 1 Locked“ – es liegt also ein Digitalsignal am elektrischen Eingang 1 an. Allerdings synchronisiert sich der Nu-Vista CD nicht etwa auf das Eingangssignal, sondern reclockt es beim 192-Kilohertz-Upsampling. Das ergebe praktisch Jitterfreiheit, sodass die Digitalsignale optimal weiterverarbeitet werden. Am Ende steht dann der Nu-Vista-Klang, der bald beschrieben sein soll.
Zuvor noch ein Wort zur Gesamterscheinung des CD-Players: Er wirkt mit seiner fetten Frontplatte aus gebürstetem Aluminium und mit den massivem Kühlelementen an den Seiten eher wie ein mächtiges Vollverstärker-Aggregat. Diese Opulenz wäre an und für sich nicht notwendig. Aber der Nu-Vista CD strahlt in seiner Massivbauweise so viel unerschütterliche Selbstsicherheit aus, dass technikbegeisterte Highender dem Boliden voller Ehrfurcht begegnen. Dass manche Lebenspartner/Innen diese Verehrung nicht zwingend teilen, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Verarbeitung des Players dem Anspruch und der Preisklasse entsprechend ausgezeichnet ist, sei ergänzend hinzugefügt.
Musikschätze heben
Als notorischer CD-Käufer und -Hörer freue ich mich besonders über den Musical Fidelity Nu-Vista CD und beschließe, die von Steve Wilson kunstvoll remasterten Yes-Klassiker The Yes Album und Close To The Edge mit meinen vor Jahrzehnten erworbenen Vinyl-Originalen sowie den HiRes-Ausgaben in 24-bit/192-kHz-Auflösung hörenderweise zu vergleichen. Dabei vertraue ich letztlich auf die Kompetenz meines Super-Kopfhörerverstärkers Violectric V200, der meinen stets zuverlässigen AKG K 702 Studio antreibt – und mich ab dem Eröffnungsriff von „Yours Is No Disgrace“ beeindruckt: Was der Nu-Vista aus einer CD rausholt, kann unmöglich in Nullen und Einsen geschrieben sein. Diese Offenheit, dieses Feindynamikspektrum, diese Impulstreue, mit der die markanten Bassfiguren von Chris Squire und die Rimshots von Bill Bruford die Membranen anregen, suchen Ihresgleichen. CDs sind allenfalls bessere MP3s? Ha, von wegen. Was eine gut produzierte CD enthält, kann, der Nu-Vista macht’s als Goldgräber ohrenfällig, sehr musikalisch sein. Spätestens bei Steve Howes jazzigem Solo bin ich dem beleibten Briten verfallen: „Es perlet so herrlich“, denke ich und springe dann ganz ungeduldig zu „I’ve Seen All Good People“ und lausche dem grandiosen A-capella-Intro und Jon Andersons eigentümlichem Tenor in der Strophe. Dann mal den Tonträger geschwind gewechselt und „Close To The Edge“, das Prog-Werk schlechthin, gehört. Selten – wenn überhaupt – hatte der Mittelteil dieses Langstücks mit Rick Wakemans Orgelfinale so viel sakrale Anmut, klang er so protzig-eindrucksvoll wie ihn die Macher wohl intendierten. Dass Steve Wilson bei seinen Remixen noch mehr aus dem Material rausholen konnte, wird deutlich beim Vergleich mit den alten LPs. Ob Wilson angesichts des Nu-Vista-Goldklanges ebenfalls in Verzückung geriete? Auszuschließen ist das nicht. Wie auch unbedingt festzustellen ist: Die HiRes-Ausgaben beider Yes-Werke spielen dann doch in einer höheren Liga. Denn der Klang ist noch offener, besitzt noch mehr Räumlichkeit und offenbart dem neugierigen Ohr Feindetails, welche die CD letztlich nicht zu liefern vermag. Da wir es mit einem Röhrengerät zu tun haben, stellt sich die Frage aller Fragen: Klingt dieser CD-Spieler besonders warm? Klare Antwort: Nein. Denn mit „Wärme“ im Sinne von tonaler Verfärbung hat dieses Gerät ebenso wenig am Hut wie Leica-Objektive der 1960er und 1970er Jahre mit flauen, mäßig scharfen Bildergebnissen. Aber: Er hat einen eigenen klanglichen Fingerabdruck, der, bei neutraler, signaltreuer Auslegung, am besten als kraftvoll und souverän beschrieben ist. Nicht auszudenken, was dieser CD-Player im Verbund mit einem V800 aus demselben Hause zu leisten vermag. In meinen Fuhrpark integriert, veredelt er das Digitale nicht etwa mit etwas analogem Katzengold, sondern stärkt das Analoge im Digital-Zeitalter. Bravissimo.
Wir meinen
Ein dank optimaler Signalverarbeitung und Nuvistoren-Ausgangsstufe klanggewaltiger Edel-CD-Player und -DAC, der bei hoher Signaltreue so kraftvoll wie feindynamisch aufspielt.
Technische Daten
Funktionsprinzip: CD-Player und DAC
Eingänge/Schnittstellen: 2 x coaxial S/PDIF, 2 x optisch S/PDIF, bis maximal 24 bit/192 kHz bzw. 24 bit/96 kHz
Ausgänge digital: 1 x coaxial S/PDIF, 1 x optisch S/PDIF, bis maximal 24 bit/192 kHz bzw. 24 bit/96kHz
Ausgänge analog: 2 x unsymmetrische RCA, 2 x symmetrisch XLR
Besonderheiten: Röhrenausgangsstufe mit vier Nuvistoren Triode 7586
Ausführung: silber
Lieferumfang: Netzkabel, Fernbedienung, Spikes, Schraubendreher, Zertifikat, Bedienungsanleitung
Maße(B/H/T): 48/19/39 cm
Gewicht: 19 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 8999 €
Kontakt
REICHMANN AudioSysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach im Schwarzwald
Telefon +49 7728 1064
Mitspieler
USB-Interface und D/A-Wandler: Mutec MC-3+USB, Mytek Digital Stereo192-DSD DAC, Violectric V800
Plattenspieler: Sony PS-X75
Tonabnehmer: Denon DL-103
Phonovorverstärker: Violectric V600
Rechner: Apple MacBook Pro/Wortmann MultiBook/Samsung Galaxy Tab A
Musikserver: Audiodata MusikServer II
Softwareplayer: Audirvana Plus 3/Foobar 2000/Onkyo HF Player/jRiver
Kopfhörer und Kopfhörerverstärker: AKG K 702 Studio, Violectric HPA V200
Aktivlautsprecher: Geithain RL 906
Kabel: Vovox, AudioQuest, Klotz