Signal Projects Poseidon Netzfilterleiste – Griechisches Schwergewicht
Wasser fließt. Strom fließt. Eine Netzleiste mit dem vielversprechenden Namen Poseidon weckt daher meine Neugier
Fotografie: Ingo Schulz
Ein kurzer Ausflug in die griechische Mythologie frischt das Gedächtnis auf: Ja, Poseidon ist der Gott des Meeres und ganz nebenbei auch ein Bruder des Zeus. Sollte mit einer Netzleiste namens Poseidon der Strom – und damit die Musik – gar göttlich fließen?
Kurz nach dem Eintreffen besagter Poseidon-Netzleiste wundert es mich nicht mehr, dass der Hersteller Signal Projects einen derart imposanten Produktnamen für sein neuestes Opus gewählt hat: Nick Korakakis, der Mann hinter Signal Projects und damit auch Schirmherr der Poseidon, stammt aus Griechenland. Und er hat offenbar Großes erschaffen.
Im Jahr 2007 gründete Korakakis, ein aus der Studiotechnik kommender Musik- und Audio-Enthusiast, seine Firma in der britischen Musikhauptstadt Manchester. Inzwischen hat er an seinem Firmensitz einen beeindruckenden Maschinenpark errichtet, der es ihm ermöglicht, seine Produkte komplett unter dem eigenen Dach zu fertigen; lediglich einige Rohstoffe lässt Signal Projects noch aus Japan und Chile zuliefern. Zur Umsetzung des Vorhabens, eine möglichst große Fertigungstiefe zu erreichen, gehört auch, dass man, anstatt sich einfach auf renommierte Zulieferer zu verlassen, eigene Cinch-, XLR- und sogar Netzstecker aus dem vollem Aluminium fräst.
Eyecatcher
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Zunächst muss Poseidon aus einer noblen Holzkiste, die an die Verpackung einer edlen Weinflasche erinnert, herausgewuchtet werden. Und „wuchten“ ist hier im wortwörtlichen Sinne gemeint: Die Poseidon bringt zehneinhalb Kilo auf die Waage und übertrifft damit locker die allermeisten ihrer Artgenossen.
Auf den ersten Blick fallen die insgesamt acht Steckplätze ins Auge. Praktischerweise sind sämtliche Netzanschlüsse mit Schutzklappen versehen. Damit wird zum einen das Verschmutzen eines ungenutzten Steckplatzes, zum anderen das Eindringen hochfrequenter Störungen verhindert. Auf der Schmalseite gibt es noch den Anschluss für die Netzzuleitung. Für den perfekten Stand der zweifellos als vollwertige High-End-Komponente anzusehenden Netzleiste und die bestmögliche mechanische Ankopplung an ihre Stellfläche werden an der Unterseite noch vier Spikes eingeschraubt.
Die Qual der Wahl hat der Kunde übrigens, was die Farbe der Poseidon angeht: Zur Auswahl stehen Aluminium natur, Schwarz, Champagnerfarben und ein – so finde zumindest ich – äußerst attraktives Anthrazit. Uwe Klose vom deutschen Vertrieb Applied Acoustics gewährt im Gespräch noch weit tiefere Einblicke in die Produktion der Netzleiste. Wie groß der fertigungstechnische Aufwand bei der Poseidon ist, lässt selbst abgebrühte Tester aufhorchen. So wird zunächst einmal das Gehäuse der Netzleiste mit immensem Aufwand aus einem massiven Block T6-Aluminium herausgefräst. Dieses „lösungsgeglühte und warmausgelagerte“ Spezial-Aluminium wird üblicherweise im Flugzeug- und Raumschiffbau verwendet.
Der üppige Materialeinsatz erklärt dann auch das hohe Gewicht der Poseidon. Des Weiteren werden alle zugelieferten Einzelteile, wie der schon erwähnte Kaltgeräteanschluss und auch alle Metallteile, die sich in den Steckdosen befinden, nochmals hartbeschichtet und veredelt.
Die vier ersten Steckplätze nach der Anschlussbuchse sind mit speziell entwickelten Filtern ausgestattet und ausschließlich für Quellgeräte wie Plattenspieler, D/A-Wandler oder Streamer gedacht. Die danach folgende Buchsenreihe bietet ebenfalls gefilterte Steckplätze, etwa für Vorverstärker und Phonovorstufen. Endstufen und leistungsstarke Vollverstärker finden ihren Platz in der vierten, hoch stromfähigen Steckdosenreihe.
Auf Kundenwunsch kann die Konfiguration der Steckplätze übrigens individuell mit Signal Projects abgestimmt und entsprechend variabel angefertigt werden. Doch ob nun serienmäßig oder nach Wunsch bestückt: Um jegliches Brummen oder mechanische Vibrationen auszuschließen, wird das Innenleben jeder Poseidon mit einem roten Kunstharz ausgegossen.
Zugangsberechtigungen
Bevor wir zum ausführlichen Hörtest dieses Netzboliden kommen, widmen wir uns noch ein wenig den beiden Netzkabeln aus gleichem Hause, die vom Vertrieb mitgeliefert wurden. Sie stammen ganz offensichtlich aus unterschiedlichen Serien, doch sowohl das Monitor als auch das Lynx sind beides handgefertigte Kabel, bei denen nicht nur die beachtlichen Durchmesser, sondern auch die Anschlussstecker auffallen.
Gleichwohl sind beide Kabel recht flexibel, dabei nicht allzu schwer oder gar widerspenstig, sodass auch leichtere Komponenten beim Anschluss ihren angestammten Platz behalten.
Zuerst probiere ich das Netzkabel „Monitor“ an meinem Vorverstärker aus, der erfahrungsgemäß am empfindlichsten auf netzseitige Veränderungen reagiert. Klanglich verhält sich das Monitor sehr neutral, bietet einen stabilen und großzügigen Raumeindruck, in dem jedes Instrument seinen auch größenmäßig richtigen Platz einnimmt, zudem weiß es Gesangsstimmen bestens darzustellen – eine tadellose Performance, die kaum zu toppen sein dürfte.
Doch der Umstieg auf das größere Lynx von Signal Projects ist fast schon eine Art musikalische Offenbarung. Zum einen wird der virtuelle Raum jetzt noch stabiler und größer dargestellt, ohne in Übertreibung zu verschwimmen. Zum andern scheint der gesamte musikalische Fluss eine komplett andere Dimension zu erreichen. Manchmal meine ich, die Musiker atmen zu hören, aber auch das Ausklingen gezupfter
Gitarrensaiten oder die dezenten Klappen- und Ventilgeräusche eines Saxofons sind mit dem Lynx noch deutlicher wahrnehmbar, ohne dass sie der eigentlichen Musik ablenken.
Hörspiele
Angespornt durch die positiven Eindrücke von Monitor und Lynx integriere ich nun die Poseidon-Netzleiste, die im Grunde genommen viel zu schön zum Verstecken ist, in mein System. Um die Unterschiede der beiden Netzkabel nochmals nachvollziehen zu können, dient im ersten Versuch das Monitor-Netzkabel als Zuleitung zwischen Wandsteckdose und Poseidon.
Entsprechend den Empfehlungen von Signal Projects findet der Micro-Seiki-Plattenspieler einen freien Platz in einer der Steckdosen für Quellen, während sich Vorverstärker, Phonovorstufe und Endverstärker auf die feinen hinteren Plätze verteilen. Jetzt rasch eine Platte auflegen, Tonarm absenken und zurück auf den Lieblingshörplatz, bevor die ersten Takte von Cigarettes After Sex von der gleichnamigen Band erklingen.
Der Opener, schlicht mit „K“ betitelt, glänzt mit recht halliger Stimme und einer sogar noch mehr verhallten Gitarre. Dieser Song mit seiner verführerischen Zerbrechlichkeit hat mir in den vergangenen Wochen schon mehrfach dazu gedient, feinfühlige Reaktionen meiner Anlage auf klangliche Veränderungen, die durch Zubehör verursacht werden, genauestens auszuloten.
Mit der Poseidon anstelle meiner zuvor verwendeten Netzleiste (aus renommiertem Hause) bekomme ich auch gleich das richtige Gefühl für diesen ruhigen, sehr intensiven Song. Der räumliche Eindruck geht nun erheblich weiter in die Tiefe, aber auch über die Basisbreite der Lautsprecher hinaus. Hier stimmt einfach alles, was Instrumente, Sänger und auch den subtilen Rhythmus der Musik angeht.
Eine Einspielung von Tschaikowskys Klavierkonzert Nr.1 mit Swjatoslaw Richter an den Tasten beweist mir, dass meine Anlage mithilfe der Poseidon in der Lage ist, auch Feinheiten wie die Saitenanschläge eines Konzertflügels bestens herauszuarbeiten. Etwas lauter und spürbar grobdynamischer geht es dann sogleich mit dem Pop-Klassiker „Blue Monday“ von New Order zur Sache – in einer Lautstärke, die gerade noch vernünftig meinen Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite erreicht … Auch hier scheinen plötzlich Dynamik und Bass geradezu grenzenlos.
Lynx hat recht
Nach all den positiven Erfahrungen mit dem Signal Projects Monitor kommt nun das aufwendigere Lynx-Netzkabel an dessen Stelle zum Einsatz, um als Zuleitung zur Poseidon zu dienen. Ehrlich gesagt hatte ich mir dadurch schon eine gewisse Verbesserung erhofft, doch das Lynx schafft es, mich regelrecht zu flashen. Es hievt die ohnehin exzellente Netzleiste nochmals auf einen höheren Level. Der Bass wirkt mit Lynx noch präziser, noch kontrollierter, zugleich scheint sich die Musik räumlich noch ein bisschen weiter auszudehnen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glatt behaupten, dass mit dem Lynx einfach mehr vom Strom beim Hörer ankommt.
Filterspielchen
Die bisher noch ungenutzten drei Steckplätze für Musikquellen belege ich nun mit digitalen Zuspielern. Die Filter der Steckplätze arbeiten so effektiv, dass sich klanglich beim Quercheck mit Musik vom Plattenspieler und dessen Phonovorstufe keinerlei Unterschied heraushören lässt. Dreht sich dann eine CD im Laufwerk oder wird der D/A-Wandler mit einem digitalen File vom Mac mini gefüttert, erklingt die Musik nun viel glaubwürdiger aus den Lautsprechern. Sehr bemerkenswert, dass jegliche Härten oder unangenehme Höhen, die oftmals mit digitalen Zuspielern in Verbindung gebracht werden, schlichtweg verschwunden sind. Das macht das Zuhören nicht nur angenehmer, sondern lässt die Musik tatsächlich entspannter fließen.
Alle im Fluss
Am stärksten waren die klanglichen Verbesserungen durch die Poseidon-Netzleiste übrigens wahrzunehmen, als sie nach einiger Zeit aus dem High-End-System entfernt und wieder zurück zum Vertrieb geschickt werden musste. Noch während ich die Poseidon in ihre schicke Holzkiste bette, überlege ich – um den Trennungsschmerz zu mildern – schon konkret, wie viele Lynx-Netzkabel ich mir demnächst wohl zulegen muss.
Wir meinen
Poseidon lässt Strom und Musik ungehindert fließen, vor allem mithilfe seines Assistenten Lynx.
Netzfilterleiste Signal Projects Poseidon
Ausführungen: 20A, 30A, 40A
Farben: Aluminium natur, Schwarz, Champagner, Anthrazit
Besonderheiten: individuelle Filterbestückung auf Wunsch, Spikes
Maße (B/H/T): 51/8/12 cm
Gewicht: 10,5 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preise: 2800 € (20A)/3600 € (30A)/4400 € (40A)