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Album-Doppel Deep Purple

Album-Doppel: In den Fels Gehauen – Deep Purple

In den Fels gehauen – Deep Purple

Wahrscheinlich haben die fünf Engländer erst einmal geschluckt, als ihr Manager Tony Edwards mit der Idee ankam, ihre Köpfe auf ein Symbol des US-amerikanischen Patriotismus zu montieren.

Den felsigen Mount Rushmore in South Dakota zieren seit 1941 die Porträts der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln. Das Cover des Albums Deep Purple In Rock zieren die Köpfe von Ian Gillan, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Roger Glover und Ian Paice (von links nach rechts). Vielleicht hatte der Manager ja das Gefühl, seine Band bräuchte auf dem US-Markt etwas Starthilfe. Ziemlich monumental und großspurig wirkte die Cover-Montage damals. Heute: eher angemessen. Immerhin hat dieses Album den Hardrock erfunden.

Deep Purple Deep Purple: In Rock, EMI Harvest 157505 1

Auch ohne das Cover war der Albumtitel In Rock genial – denn das Vorgängerprojekt lief unterm Motto In Concert und präsentierte die Band mit dem Royal Philharmonic Orchestra und einem Konzertwerk des Keyboarders Jon Lord. Einige von Lords Bandkollegen hatten da eher widerwillig mitgemacht, auch wenn das Konzert in der Royal Albert Hall für das Standing der Band Gold wert war. Bandgitarrist Ritchie Blackmore fürchtete, nun ein Leben lang mit Orchestern auftreten zu müssen, sollte man das Band-Image nicht auf der Stelle in eine andere Richtung korrigieren können. Also machten Deep Purple ihr erstes echtes Rockalbum – bis dahin hatten sie eher in einem Graubereich zwischen Psychedelik, Beat und Klassik-Adaption agiert. Doch das Beispiel der Konkurrenzband Led Zeppelin ermutigte sie, nun endlich einmal richtig in die Saiten und die Tasten und auf die Trommeln zu hauen. Möglichst hart, möglichst laut, möglichst krachig.

Und es geht gleich richtig los. Die ersten 50 Sekunden der Platte bieten eine Lärmorgie mit Leadgitarre, die jeder Freejazz-Kapelle damals Ehre gemacht hätte. „Woffle“ nannte die Band ihre explosive Einleitung. Dazu inspiriert hatte sie ein ähnlicher Sound-Exzess der Steve Miller Band am Beginn des Albums Children Of The Future (1968). In manchen Ländern erschien Deep Purple In Rock ohne diese ersten 50 Sekunden – die Lizenzfirmen fürchteten ihre Käufer damit zu vergraulen. Als äußerster Kontrast folgt dann dem Lärmbeginn ein sanftes Orgel-Extempore zwischen Bach-Figur und Blues-Skala. Erneuter Kontrast: Bei 1:32 legt das Stück so richtig heavy los – das Riff ist bei Jimi Hendrix abgekupfert, der Text eine Verballhornung von Rock’n’Roll-Lyrics. Dann gibt es noch ein geradezu jazziges Call & Response zwischen Orgel und Gitarre, ein rockiges Blackmore-Solo und ganz zum Schluss des Stücks natürlich eine Reminiszenz ans lärmige „Woffle“ vom Beginn. Der Titel des Openers: „Speed King“. Ein Fanal der Rockgeschichte.

Auch die übrigen Stücke auf In Rock wurden Klassiker – allen voran das zehnminütige Child In Time, dessen Anfang und Schluss sich auf der Schülerparty wunderbar für einen Stehblues eigneten, wogegen die ekstatische Heavy-Rock-Rakete im Mittelteil die Tanzpaare erschrocken auseinandertrieb. Ian Gillan entwickelte in diesem Stück erstmals seine Falsett-Kreischtechnik, wobei eine zu eng geschnittene Hose mitgeholfen haben soll. Der Lohn kam prompt: Gillan wurde 1970 für die erste Plattenaufnahme des Musicals Jesus Christ Superstar in der Hauptrolle engagiert.

The Many Faces of Deep Purple

V.A.: The Many Faces Of Deep Purple (3 CD), Music Brokers MBB 7170

Die Platte In Rock blieb nicht nur das Lieblingsalbum der Deep-Purple-Musiker, sie war ihr musikhistorisch wichtigstes – und das Mount-Rushmore-Motiv lebte in vielen Bildzitaten fort. Auf dem Cover von The Many Faces Of Deep Purple sind bereits rund ein Dutzend Bandmitglieder in den Fels gehauen, vom Gillan-Vorgänger Rod Evans bis zum Lord-Nachfolger Don Airey. (Der Highway im Vordergrund ist dem Logo „Interstate“ geschuldet.) Dieser 3-CD-Pack ist weniger ein Tribut an die Musik von Deep Purple als vielmehr eine Compilation aus sonstigen Aktivitäten der diversen Purplianer. Wir hören Nicky Simper (Ur-Bassist der Band) mit der Formation Warhorse, Tommy Bolin (Intermezzo-Gitarrist) mit Energy, Rod Evans (Ur-Vokalist) mit Captain Beyond und andere Raritäten.

Aber natürlich dürfen einige der großen Deep-Purple-Songs nicht fehlen. Hammondorgel-Legende Jon Lord rockt das jazzige „Lazy“ mit seinem Blues Project und verwurstet „Pictures Of Home“ mit Band und großem Orchester. Enge-Hosen-Sänger Ian Gillan meistert „Child In Time“ und „Smoke On The Water“ auch mit seiner Band Gillan. Und Alltime-Drummer Ian Paice startet mit dem Weltraum-Veteranen William Shatner („Captain Kirk“) zum gemeinsamen „Space Truckin’“.

Die unterhaltsame Compilation bietet außerdem ein Wiederhören mit der mysteriösen Band Funky Junction. Dahinter steckt niemand Geringeres als die irische Rockformation Thin Lizzy, die 1972 das Angebot erhielt, ein Album mit Deep-Purple-Songs aufzunehmen. Das Geld konnte das Trio gut gebrauchen, also waren sie einverstanden – allerdings nur unter einem Alias-Namen. Daher: Funky Junction. Drei Deep-Purple-Coverversionen vom kaschierten Thin-Lizzy-Album lassen sich hier neu entdecken. Darunter sind das damals noch ganz frische „Fireball“ sowie das große Fanal des Hardrock: „Speed King“.

 

Deep Purple: In Rock, EMI Harvest 157505 1
V.A.: The Many Faces Of Deep Purple (3 CD), Music Brokers MBB 7170

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