Konzerthaus Dortmund
Der Niedergang von Kohle und Stahl ist die Ursache für einen weitreichenden Strukturwandel in vielen traditionellen Industriestädten.
Fotografie: Stefan Gawlick
Sie müssen sich nicht nur einem veränderten Markt anpassen, sondern auch als Stadt neu definieren. Für uns Musiker hat das auch einen positiven Aspekt, denn im Zuge dieser Entwicklung sind einige neue Konzertsäle entstanden, in denen wir nun arbeiten dürfen.
Der Konzertsaal im Bochumer Musikforum Ruhr ist die jüngste Errungenschaft des Ruhrgebietes, das Konzerthaus Dortmund dagegen schon recht etabliert.
In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Idee einer „Philharmonie für Westfalen“ geboren, die in Dortmund ihren Platz bekommen sollte. Sie war zuerst als Teil der Westfalenhallen angedacht, doch schon bald schwenkte man um zu der Idee einer eigenständigen Halle mitten in der Stadt, um ein bisher eher schwieriges Viertel aufzuwerten. Ein ehemaliges Kino sollte umgebaut werden, allerdings prognostizierten alle befragten Experten diesem Plan keinen wirklichen Erfolg. Ein moderner, akustisch optimal konzipierter Konzertsaal, der den vielen an ein solches Haus gestellten Wünsche gerecht werden soll, braucht natürlich Platz, und so wurde das Kino abgerissen und im Jahre 2000 der Grundstein für die Philharmonie gelegt.
Dass sie schon im September 2002 eröffnet wurde, sagen wir jetzt lieber nicht zu laut, um nicht den Verantwortlichen anderer Großprojekte die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Und noch eine in dieser Kategorie gehörige Information: Der Bau hat gerade mal 48 Millionen Euro gekostet, für Säle dieser Klasse eine geradezu lächerliche Summe. Und jetzt bin ich auch schon ruhig.
Erklärtes Ziel war es, die Akustik des Wiener Musikvereins nachzubilden, was nach Meinung fast aller meiner Kollegen (und meiner) nicht gelungen ist – zum Glück. Die Akustik in Wien ist großartig, aber auch sehr eigen. Und funktioniert dort sehr gut. Andere Säle dürfen allerdings gerne ihren eigenen Fingerabdruck entwickeln. Das hat das Konzerthaus fraglos geschafft. Der Nachhall ist hier mit üppigen zwei Sekunden schon dicht an der Wiener Vorlage, allerdings verträgt der Saal deutlich mehr Schalldruck, bleibt bei hohen Lautstärken durchhörbarer. Im Leisen muss man dafür die Töne mehr „füttern“, nicht wie in Wien einfach nur antippen. Damit kommt diese Akustik in ihrer Bedienbarkeit für Musiker im Vergleich zu den meisten anderen Sälen ein gutes Stück entgegen, was weniger Umstellung am Konzertabend erfordert und das Leben auf Konzertreise deutlich erleichtert. Trotz seiner 1550 Sitzplätze wirkt der Saal von der Bühne aus eher klein und familiär, man hat während des Spielens nicht das Gefühl, die ganz große Keule auspacken zu müssen, um auch die letzten Reihen erreichen zu können.
Hinter der Bühne sieht es indes nicht ganz so rosig aus: Die Garderoben für das Orchester liegen zwei Etagen unterhalb der Bühne, eng und fensterlos. Und die langen Treppen nach oben sorgen vor allem bei Kolleginnen, die auf hohen Absätzen zur Bühne unterwegs sind, für einige Anspannung – vor allem, wenn das Instrument in den Händen den Gegenwert eines mittleren Einfamilienhauses repräsentiert.
Ist der Weg dann aber geschafft, haben die Musikerinnen und Musiker noch einen schönen Abend vor sich, denn im Konzerthaus in Dortmund spielt es sich wirklich außergewöhnlich angenehm.
Musiktipp – Aufnahme mit konzertsaaltypischem Klang
Viktor Ullmann: Klavierkonzert, Klaviersonate Nr. 7, Variationen op. 3a | Moritz Ernst (Klavier), Dortmunder Philharmoniker, Ltg. Gabriel Feltz | Capriccio C5294