Standlautsprecher KEF Q950 – Sein statt Schein
„Könnt ihr nicht öfter günstige Lautsprecher vorstellen?“, fragen Sie uns häufig. Nichts lieber als das, nur scheitert es oft an grundlegenden Qualitätskriterien. Zum Glück gibt es immer wieder überraschende Ausnahmen.
Fotografie: Ingo Schulz
Die Q-Serie von KEF stellt seit rund dreißig Jahren eine Art Transportvehikel für technische Innovationen in tiefere Preisregionen dar. Seit Mitte letzten Jahres gibt es die achte Generation der beliebten Einsteigerlautsprecher in Form dreier Stand- und zweier Regallautsprecher. Ein Center fürs Heimkino ist natürlich auch im Angebot, aber bislang kein passender Subwoofer. Angesichts der üppigen Bassmembranfläche der Q950 scheint separate Tieftonunterstützung aber auch überflüssig. Wenngleich der erste Eindruck ein trügerischer ist – von den drei Tieftönern, die sich auf der Front stapeln, ist nur jener in der Mitte aktiv, die beiden anderen fungieren als Passivmembrane ohne eigenen Antrieb und werden lediglich vom Luftdruck im Gehäuse angeregt. Verglichen mit einem einfachen Bassreflexrohr eine ziemlich aufwendige, teure und in dieser Preisklasse eigentlich unübliche Konstruktionsweise, die aber handfeste Vorteile bezüglich der Präzision im Bass bietet. Bei konsequenter Ausführung dieses Konzepts behält man damit den Tiefton-Bonus einer Bassreflexkonstruktion, verzichtet aber auf Verschleppungen, die solcherart atmende Schallwandler häufig kennzeichnet.
Äußerlich unterscheidet sich die neue Q-Serie nur in Details wie den nun magnetisch haltenden Frontgittern – als optionales Zubehör, wofür ich angesichts des Preises sogar Verständnis habe – und der kleinen KEF-Kappe auf der Stirn statt eines schmalen Metallbandes zwischen den oberen Treibern von den Vorgängern. Inhaltlich aber hat mehr als nur ein Facelift stattgefunden, und das, obwohl die Lautsprecher günstiger wurden. Die in meinen Augen echten Weiterentwicklungen verstecken sich im oberen Koax-Treiber, dem für alle ernsthaften KEF-Lautsprecher identitätsstiftenden Uni-Q-Chassis. Im Grunde könnte man sich das Firmenschild also auch sparen, eine Box mit Uni-Q-Treiber erkennen neun aus zehn HiFi-Fans auf den ersten Blick als Produkt der britischen Kent Engineering & Foundry. Aber diese raffinierte Punktschallquelle, die uns in der Q950 als verhältnismäßig großes Acht-Inch-Modell begegnet, beschert KEF auch klanglich ein Alleinstellungsmerkmal und sorgt dafür, dass insbesondere die kleineren Modelle bei mir aufgrund ihrer außergewöhnlich geschlossenen Spielweise einen Stein im Brett haben. Der anderthalb Inch durchmessende Hochtöner dieser überarbeiteten Uni-Q-Einheit hat nun ein bedämpftes, sich nach hinten verjüngendes Röhrchen im Rücken, das rückwärtige Reflexionen strömungsoptimiert abführt. Eine neue, besonders verzerrungsarme Spule grenzt ihn bei 2,2 kHz nach unten zum Bass-Mitteltöner des Koax ab. Dieser wiederum läuft nach unten ungebremst, also ohne Korrektur, einfach aus, während die flache(n) Bassmembrane(n) übernehmen. Der sonst an dieser Stelle übliche Kondensator konnte aufgrund der Verzerrungsarmut des Uni-Q entfallen.
Die schwarze oder weiße Folierung der MDF-Kisten wird wohl niemanden vom Hocker hauen, aber Furnier oder gar Hochglanzlack ist bei einer derart knappen Kalkulation einfach nicht drin. KEF hat die verfügbaren Mittel konsequent an klangentscheidenden Stellen wie dem Hohlkammersystem im Inneren investiert, das das Uni-Q-Chassis vor Einflüssen der Tieftöner schützt. Das verfügbare Volumen der Bässe ist dadurch sogar gewachsen, zudem wurde die Aufhängung der Basstreiber überarbeitet, und sogar die Konusstruktur der Flachmembranen erhielt eine Optimierung. Das gilt nicht nur für den aktiven Acht-Inch-Treiber, sondern auch für die beiden passiven ABR-Bässe. An die Stelle des Bi-Wiring-Terminals mit KEF-typischer zuschaltbarer Brücke tritt bei der neuen Q950 ein einzelnes vertrauenerweckendes Paar Polklemmen. In meinen Augen gilt das allerdings nicht als Sparmaßnahme, sondern als astreine Verbesserung, weil ein potenziell störender Übergangswiderstand entfällt. Eine Box dieser Preisklasse ist mit einem vernünftigen Kabel allemal besser bedient als mit zwei eher unterdurchschnittlichen. Als einzigen echten Wermutstropfen empfinde ich die stabilisierenden Ausleger, auf denen die Q950 steht. Statt aus Aluminium wie bei der R900 sind sie aus Kunststoff gefertigt, lassen sich aber dennoch bequem von oben in der Höhe regulieren. Mit einem Seitenblick aufs Preisschild kann man auch damit prima leben.
Im Hörtest sah sich die Q950 mit einem illustren Feld von Mitbewerbern konfrontiert. Zwei davon muss ich gleich zu Beginn aussortieren: Einen Vergleich mit MartinLogan Expression ESL 13A und Nime Audio Elite One (beide in FIDELITY Nr. 35) verbietet die Fairness. Trotzdem bleiben mit der KEF R900, der B&W 702 S2 und der Heco Einklang einige hochkarätige und gleichwohl günstige Kontrahenten übrig, die aber nichtsdestotrotz mehr kosten als die wirklich unverschämt preiswerte KEF Q950. Das heillos überdimensionierte Frontend in Form des Seismograph-Plattenspielers im Verbund mit Audiospecials Phonolab befindet sich zwar weit jenseits einer realistischen Kombination, bietet aber zumindest allen Budget-Lautsprechern dieselben hochklassigen Arbeitsbedingungen. Selbiges gilt für die Heimdall-Verkabelung von Nordost. Die beiden Vollverstärker Marantz PM-10 und Hegel H360 sowie die Verstärkerkombination Stellar von PS Audio stellten abwechselnd ihre Watt-Kraft zur Verfügung. Den SACD-Player SA-10 von Marantz will ich nicht unterschlagen, obwohl er neben dem Analoglaufwerk kaum zum Einsatz kam.
Ausgesprochen positiv überraschte zunächst, dass sich zur immerhin mehr als doppelt so teuren KEF R900 keine Kluft auftat. Bei geschlossenen Augen und moderatem Pegel befinden sich beide durchaus auf vergleichbarem Klangniveau. Erst bei höheren Pegeln spielt die R900 ihre Unerschütterlichkeit aus und bleibt stupend stabil, während die Q950 im Mittelton zunehmend enger wirkt und den Schall stärker bündelt. Wirklich auffällig wird dies aber erst bei einer Lautstärke, wo auch die sonst so famos natürlich spielende Heco Einklang die Segel streichen muss. Sie zeigt gegenüber der KEF zwar einen etwas farbigeren und expressiveren Mittenbereich, was die Q950 aber locker mit größerer Bandbreite und deutlich strafferem Bass kontert. Im Sinne objektiv vollständiger Wiedergabe kann sie es sogar mit der B&W aufnehmen – auch wenn jene ein wenig präsenter und dynamischer zur Sache geht, überzeugt die KEF nicht zuletzt durch ihre sehr geschlossene und homogene Spielweise. Diese in sich stimmige Unaufdringlichkeit prädestiniert die Q950 zum Marathonläufer, man kann diesen Lautsprechern stundenlang zuhören, ohne zu ermüden. Musikalisch zeigen sie keine einseitigen Präferenzen, verhalten sich weder allzu wählerisch noch über Gebühr sezierend, wenn die Aufnahmequalität mal zu wünschen übrig lässt. Fast schon konträr zur optischen Dominanz der Bässe präsentiert die Q950 Bob Marleys „Exodus“ leichtfüßig und mitreißend rhythmisch, behände greifen die Bässe und das Uni-Q-Chassis ineinander, ohne dass ein Bruch hörbar wird. Auf der anderen Seite zeigt sie zwar die suboptimalen Aufnahmebedingungen während Johnny Cashs Auftritt At Folsom Prison, schmälert aber nicht den Hörgenuss durch schneidende Höhen oder quengelnde Überpräsenz.
Insgesamt hinterlässt die KEF Q950 aufgrund ihrer überraschend homogenen Spielweise einen sehr positiven Eindruck. Ihre langzeittaugliche Abstimmung beweist sie sogar an unterschiedlicher Elektronik, ohne Befindlichkeiten zu offenbaren. Am kräftigen Hegel agiert sie pfeilschnell und temperamentvoll, an der modernen Kombi von PS Audio gar athletisch sowie mit gestochen scharfem Stereopanorama (nachdem ich sie relativ stark eingewinkelt hatte). Der integrierte Marantz schließlich bringt Opulenz, Wärme und Hubraum ins Spiel. Attribute, die die Q950 erstaunlich erwachsen in Farbigkeit und große Gesten umsetzen kann. Preislich hinkt die Differenz zwar zu allen drei Verstärkern, aber daran ist allein das Etikett der KEF „schuld“.
Wir meinen
Die KEF Q950 gewinnt keinen Schönheitswettbewerb und taugt nicht als Statussymbol, überzeugt klanglich aber auf ganzer Linie.
Lautsprecher KEF Q950
Funktionsprinzip: 2,5-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Frequenzgang: 44 Hz–28 kHz (−3dB)
Wirkungsgrad: 91 dB
Nennimpedanz: 8 Ω (min. 3,2 Ω)
Übergangsfrequenz: 2,2 kHz
Ausführungen: Schwarz oder Weiß
Maße H/B/T: 1116/357/328 mm (mit Standfüßen)
Gewicht: 20,6 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: 1550 €
Mitspieler
SACD-Player: Marantz SA-10
Plattenspieler: Seismograph
Tonarm: Jelco SA-750L
Tonabnehmer: Etsuro Urushi
Phonovorverstärker: Audiospecials Phonolab
Vorverstärker/DA-Wandler: PS Audio Stellar Gain Cell DAC
Endverstärker: PS Audio Stellar S300
Vollverstärker: Marantz PM-10, Hegel H360
Lautsprecher: KEF R900, Heco Einklang, B&W 702 S2
Kabel: Nordost Heimdall2
Zubehör: Isotek, Harmonix, bFly-audio, Steinmusic, Solidsteel