ELAC Adante AS-61 – Kompakt ist hier nur das Gehäuse
ELAC und seine kleinen Klaren aus dem Norden mit Charme und Eleganz
Fotografie: Ingo Schulz
Verdammt lang her, dass ein Lautsprecher mich auf Anhieb beeindruckt hat. Liebe aufs erste Hinhören wird umso seltener, je mehr schöne Töchter kompetenter Mütter und Väter dem unersättlichen High-End-Tester zugeführt werden. Die Box fürs Leben zu finden habe ich schon länger aufgegeben. Aber die Reihe derer, mit denen ein anspruchsvoller Alleshörer wie ich auf lange Sicht gut leben kann, ist seit kurzem wieder ein wenig länger geworden. Die ELAC Adante AS-61 ist weder die schönste noch die edelste noch die spektakulärste Vertreterin der Gattung Lautsprecher. Aber sie macht auf Anhieb so viel richtig und gut, erlaubt sich so wenige Fehler, dass ich hier gerne das (an sich abgedroschene) Klischee vom Oberhalb-der-Preisklasse-Spielen bemühe. Kostet doch ein Pärchen 3000 Euro – und ist jeden Cent davon wert.
Gut, ich gebe zu, dass ich positiv vorbelastet bin, wenn es um die Erzeugnisse der Kieler Traditionsschmiede geht. Tun bei mir doch seit vielen Jahren gleich zwei Pärchen der Regalbox CL 82 in einer klangoptimierten Sonderauflage ihren Dienst als mietwohnungstaugliche Heimkinolautsprecher. Klein, aber (bass-)stark, ausgewogen und praktisch nicht kaputt zu kriegen. Keine Superbox, vielleicht nicht einmal High End, aber supersolides HiFi, das nicht auf die Begeisterung des kurzfristigen Überraschungseffekts setzt, sondern in meinen vier Wänden langfristig zu überzeugen wusste. ELAC halt.
Bei den Kielern sind konstruktionstechnisch freilich längst ganz andere Zeiten angebrochen. Für die Entwicklung von Lautsprechern wie der ELAC Adante AS-61 zeichnet federführend Andrew Jones verantwortlich. Der international renommierte Lautsprecherentwickler lotete früher schon bei KEF und TAD (Technical Audio Devices Laboratories, die Profidivision von Pioneer) die Meriten von Koaxialtreibern aus. Klar, dass auch die ELAC Adante AS-61 einen aus zwei mechanisch getrennten, aber auf einer Achse liegenden Chassis bestehenden Mittelhochtöner hat. Das Punktschallquellen-Prinzip, korrekt angewendet, sorgt für stupende Räumlichkeit und eine Präzision der Abbildung, wie sie mit herkömmlichen Mehrwege-Designs meist schwieriger zu erreichen ist, wenn überhaupt.
Auch die Tieftonsektion ist ein konstruktives Schmankerl, denn hier arbeitet ein innenliegender 20-Zentimeter-Treiber auf eine „Radiator“ getaufte Passivmembran. Soll heißen: Das von außen sichtbare Basschassis hat keinen eigenen Antrieb, sondern wird von dem inneren Treiber zur Schallabgabe angeregt. Der wiederum hilft eine ziemlich komplexe interne Bassreflexkonstruktion auf die Sprünge, die von ELAC kurz „ICC-Gehäuse“ (Interport Coupled Cavity) getauft wurde und im Prinzip aus zwei getrennten, akustisch aber pfiffig miteinander verbundenen Einzelabteilen besteht.
Lohn des Aufwandes ist ein verblüffend sauberer und verblüffend tiefer Bass aus einem nicht sonderlich voluminösen Kasten, der ohne längere rechtwinklige Kanten auskommt und bei dessen Bau auf maximale Stabilität geachtet wurde. Abgesehen vom passiven Basstreiber hält man im Hause ELAC von „kontrolliertem Mitschwingen“ ganz offensichtlich nicht viel. Umso mehr dafür von der zielgerichteten Vermeidung unerwünschter Wellen und Wirbel. Dazu verfügt der koaxiale Mittelhochtöner, der selbst in den obersten Lagen seine Noblesse behält, über eine separate geschlossene Kammer. Der Koaxialtreiber strahlt über einen sanft hornartig geformten Schallwandausschnitt in den Raum. Das Gehäuse der AS-61 hat an den Seitenwänden einen vertikalen Knick, der aus dem Schuhkarton einen Rhombus macht. Dieser gibt sich dank sauberer Hochglanzlackierung sehr handschmeichlerisch. Abgerundet wird der Eindruck eines unaufdringlichen Luxusprodukts mit sehr stabilen Bi-Wiring-Kabelklemmen sowie – optional und äußerst empfehlenswert – extra für die ELAC Adante AS-61 entwickelten Ständern, die fest mit dem Lautsprecherkorpus verschraubt werden und über von oben höhenverstellbare Schraubspikes verfügen. Da wurde ganz offensichtlich gehirnt, wie man Gutes noch besser machen kann.
So gern ich meine ELAC-Oldtimer habe – klanglich machen sie gegen die Adante-Linie keinen Stich. Kompakt sind bei der ELAC Adante AS-61 wirklich nur die Außenabmessungen. Hätte ich den ersten Hörtest mit Augenbinde absolviert und mir wäre dabei eingeflüstert worden, hier spiele eine Standbox mit etwa 1,20 Metern Höhe aus der 6000-Euro-Klasse, ich wäre wohl darauf hereingefallen. Dieser Lautsprecher klingt zwar so frappierend räumlich wie ein ganz kleines Zweiwege-System, aber er steigt deutlich tiefer als erwartet in den Basskeller hinab. Tiefer als es selbst manche kleine Standbox mit vergleichbarer Membranfläche vermag. Zudem spannt die ELAC Adante AS-61 klar umrissene Räume auf, in denen sie jedem Akteur einen klar definierten Platz zuweist.
Mein persönlicher Lackmustest für diesen wichtigen Teilbereich beim Ausloten des Lautsprecher-Klangpotenzials sind Sopranistinnen, gerne von einem klein besetzten Barockensemble begleitet. Weil man mit einer solchen Konstellation, sofern sie vernünftig und in einem akustisch günstigen Raum aufgenommen wurde, gleich mehrere Faktoren einkreisen kann: Wie ist es um die Tiefenstaffelung bestellt? Wie authentisch wirken die Größenverhältnisse? Und wie gut vermag der Schallwandler das Timbre einer Stimme wiederzugeben? Für den letzten Punkt ist es hilfreich, wenn man eine Sängerin oder einen Sänger aus dem „wirklichen Leben“ kennt. Emma Kirkby etwa, die man in ihren jungen Jahren die „Nachtigall des britischen Historismus‘“ nannte und deren vibratoloser Sopran in den 1980er und frühen 1990er Jahren Vorbild für viele wurde, die nach ihr kamen. Mit dem inzwischen verstorbenen Originalklang-Experten Christopher Hogwood am Cembalo und Anthony Rooley an der Laute sang Emma Kirkby für das Decca-Unterlabel L’Oiseau-lyre eine sorgsam zusammengestellte Sammlung von Liedern und Arien des englischen Barockkomponisten Henry Purcell ein. Auch 30 Jahre nach ihrem Entstehen leistet mir diese trocken und ohne Studiotricks aufgenommene Scheibe ausgezeichnete Dienste, wann immer es um die glaubwürdige Abbildung eines kleinen Ensembles geht. Mit der ELAC Adante AS-61 steht Emma Kirkby auf dem Höhepunkt ihres Stimmglanzes und ihrer überlegenen Artikulations- und Phrasierungskunst direkt vor dem Hörer. Ein Stück nach hinten versetzt traktiert Hogwood den aus Sicht der Originalklang-Puristen beinahe zu modernen Nachbau eines Cembalos aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit ganz viel Fingerspitzengefühl. Und Anthony Rooley zeigt den staunenden Kennern, wie ungemein sonor und farbenreich eine Langhals-Laute die Bühne mit schierem Wohlklang fluten kann. Unzweifelhaft das Verdienst der ELAC Adante AS-61, die gewiss keine analytische Akustiklupe sein will, sondern ein Wohlfühl-Lautsprecher für kleinere und mittlere Räume.
Es lohnt sich, mit verschiedenen Wandabständen und Einwinkelungsgraden zu experimentieren, denn je nach Aufstellung kann die kleine Adante (es gibt auch ein sehr feines Standmodell und sogar einen Centerlautsprecher für Heimkino-Fans im Portfolio) ultrapräsent mit einem leichten Verlust an virtueller Raumgröße klingen oder ein schier riesiges Panorama aufspannen, dessen Grenzen weit jenseits der Boxenebene liegen. Aufstellungsunabhängig bleibt der liebevolle Umgang mit Stimmen aller Art, sei es der raustimmige Dresdner Plattenbau-Bluespunker Andi Valandi oder die laszive Jazz-Chanteuse Norah Jones, die nie berückender als auf ihrem 2002er Debütalbum Come Away With Me über die Rampe kam. Das bunte Feuerwerk brannte ich im FIDELITY-Hörraum übrigens mit der Class-A-Endstufe Pass XA25 ab, die den luftigen Charakter der ELACs zu unterstreichen wusste, dabei allerdings keine Spielpartnerin für Dezibel-Orgien ist: Weil die ELAC Adante AS-61 kein dezidiertes Wirkungsgradmonster sein kann und will, darf man leistungsmäßig gerne noch ein, zwei Schippen drauflegen – eine dreistellige Wattzahl pro Stereokanal schadet gewiss nicht.
Die Zusammenarbeit der Ausnahmesängerin Malia mit Yello-Klangtüftler Boris Blank ist gleichwohl auch bei Zimmerlautstärke noch ein singuläres Ereignis mit Myriaden von Details, am besten von der inzwischen wieder aufgelegten LP gehört. Wem Blanks mit seinem Partner Dieter Meier betriebenes Projekt Yello immer ein wenig zu vertüftelt und zu versponnen erschienen ist, der sollte in Malias Album Convergence unbedingt hineinhören, denn Boris Blank gelingt es hier, das überwältigend Gute auf die Spitze zu treiben, aus intensiver Musik ein Hörabenteuer, eine Reise ins spannend Unbekannte zu machen. Und eine ideale Gefährtin für diese Tour ist ohne Frage die ELAC Adante AS-61, denn sie teilt stets mit, ob man gerade auf der akustischen oder auf der elektronischen Seite der musikalischen Wahrheit steht – ohne eine der Seiten an den Pranger zu stellen. Das ist charmant, ohne schönfärberisch zu sein; das geht ins Ohr, ohne sich anzubiedern. Und das ist atmosphärisch, ohne in Sentimentalität zu versinken.
Die ELAC Adante AS-61 mag kein brutal neutraler Abhörmonitor sein, dafür versteht sie es wie wenige Lautsprecher, eine unwiderstehliche Einladung zum Langzeithören auszusprechen. Hier hat man die Möglichkeit, tief in die Musik einzutauchen und nicht nach einer Weile erschöpft nach Luft schnappen zu müssen. Ein Wort scheinen die klaren Kleinen aus dem Norden überhaupt nicht zu kennen: Stress. Musik gleich welcher Couleur fließt entspannt und mit genau dem richtigen Timing, der richtigen Balance und dem nötigen Schuss Nachdruck. Selbst vollfett und saftig aufgenommene schwarze Scheiben wie das formidable Album Move (Kolibri Records) des virtuosen Hammond-B3-Organisten Tommy Schneider kommen über die ELAC Adante AS-61 mit swingender Eleganz, mit einem Augenzwinkern, einem Fingerschnippen, einem verschmitzten Lächeln daher. Zudem ist da dieses unwiderstehliche Jazzclub-Feeling, dieses Live-Gefühl – umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass diese Platte in den Luzerner Soundville-Studios entstanden ist.
Szenenwechsel: Auf den Plattenteller wandert das 1995er Album high/low der Alternativ-Poprocker Nada Surf – in einer audiophil angehauchten 180-Gramm-Pressung auf gelborangem Vinyl, zu haben nur bei den Konzerten der Band. Dass der Sound weniger audiophil geraten ist, stört über die ELACs deutlich weniger als über viele andere Lautsprecher. Weil sie viel von der Seele dieser Musik transportiert – ohne eine Rockbox im Sinne des Wortes zu sein. Für die Gelegenheitshörer von amtlichem, durchaus härterem Stoff lassen es die ELACs dennoch kaum an etwas fehlen. Und wenn es etwas mehr Fundament sein darf, gibt es, wie schon erwähnt, auch die größere Adante FS-61.
Am Ende greife ich in meinen Raritätenschrank und ziehe Joseph Haydns G-Dur-Sinfonie Nr. 100 heraus. Das London Philharmonic Orchestra musiziert unter Eduard van Beinum – in über die ELAC Adante gar nicht so historisch klingendem Mono. Obwohl LXT 2683 aus der Vor-Stereo-Ära der Decca stammt, transportiert die Scheibe doch viele Informationen über den Raum, in dem sich die Orchestermusiker für die Aufnahme versammelt hatten. Van Beinum pflegt ein schlackenloses, leichtfüßiges Dirigier-Ideal, das in der schwebenden Schwerelosigkeit der ELAC Adante AS-61 seine kongeniale Entsprechung findet. Eine echte Zeitmaschine.
ELAC Adante AS-61
Funktionsprinzip: Dreiwege-Kompaktlautsprecher mit Koaxialtreiber und akustisch geschlossenem Gehäuse
Bestückung: Koaxialtreiber mit 135-mm-Aluminium-Konus und 25-mm-Gewebekalotte, 165-mm-Aluminium-Konustreiber im Gehäuseinneren, Passivradiator mit 200-mm-Aluminium-Konus
Nomineller Wirkungsgrad: 85 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Besonderheiten: interne ICC-Konstruktion (Interport Coupled Cavity), magnetisch fixiertes Abdeckgitter, Doppelterminal; verschraubbarer Ständer optional (Paarpreis 600 €)
Ausführungen: Pianolack hochglänzend schwarz oder weiß
Maße ohne Stativ (B/H/T): 25/49/40 cm
Maße mit Stativ (B/H/T): 35/108/46 cm
Garantiezeit: 5 Jahre nach Registrierung
Paarpreis: 3000 €
Mitspieler:
Digitalquellen: Audio Note CDP-2.1x, CDT-3 + DAC-3, Marantz SA-10, Musical Fidelity M1 CLIC, Mark Levinson 390s
Plattenspieler: Audio Note TT-2, Clearaudio Innovation, Transrotor Dark Star Silver Shadow
Tonarm: Clearaudio TT-2 und Universal, Transrotor 309
Tonabnehmer: Clearaudio DaVinci, Transrotor Merlot
Phonoentzerrer: Audiospecials Phonolab 1.0, Clearaudio Absolute Phono, Esoteric E-02, Pass XP17
Vorverstärker: Mark Levinson No. 38s, Musical Fidelity M1 CLIC, Pass XP-12
Endverstärker: Mark Levinson No. 27, Musical Fidelity M1 PWR, Pass XA25
Vollverstärker: Hegel H360, Marantz PM-10 und HD-AMP1, NAD M32, Vincent SV-238 MK
Kabel: Audio Note, AudioQuest, HMS, in-akustik, Vovox
Zubehör: Harmonix, Subbase Audio