Bei Tannoy kann weniger so viel mehr sein
Über die britische Firma Tannoy muss man eigentlich keine Worte mehr verlieren.
Fotografie: Hersteller
Die meisten Liebhaber hochwertiger Musikwiedergabe hatten schon persönlichen Kontakt mit den Produkten des ältesten Lautsprecherherstellers der Welt oder haben zumindest Tests und Artikel darüber gelesen. Die meisten dieser Geschichten drehen sich um das berühmte Zweiwege-Koaxchassis, dessen Urform bereits 1947 das Licht der Welt erblickte und über dessen unzählbare Weiterentwicklungen hinreichend geschrieben wurde.
Warum also eine weitere darüber? Ganz einfach, weil Sie eine wichtige Sache vielleicht noch nicht wissen …
Watt kann, muss aber nicht
Die Modelle der Prestige Serie haben einen gutmütigen Impendanzverlauf und einen vernünftigen Wirkungsgrad, dennoch hört man häufig, dass nur sehr kräftige Röhren- oder Transistoramps für den „idealen Betrieb“ tauglich seien. Das hatte auch bei mir einen, wie ich heute weiß, falschen Eindruck hinterlassen und mich bis heute vom Test einer Tannoy abgehalten. Richtig ist zwar, dass die Prestigeserie mit kräftigen Verstärkern ganz hervorragend betrieben werden kann. Aber, und das überrascht vielleicht einige, einige der britischen Top-Lautsprecher spielen auch bereits mit schwächeren Verstärkern unglaublich gut. Wie immer gilt, dass die eigenen Hörgewohnheiten und die Wunschlautstärke viel wichtiger sind, als viele eigentlich gut gemeinte Leistungshinweise von Autoren, die in Tests meist ungewöhnlich laut lauschen.
Viele Modelle der Prestige Serie können, müssen aber nicht mit kräftigen Endstufen betrieben werden. Alle können, nein, sollten auch von Musikliebhabern mit „schwächeren“ Verstärkern probiert werden. Sie wären überrascht, wie gut diese recht großen Lautsprecher auch in Reihenhäusern und Wohnungen funktionieren, wo sie eben kein Orchester in Lebensgröße abbilden können. Dies gilt insbesondere bei der der Kensington GR. Diese nimmt in der Top Serie bezüglich ihres Leistungsbedarfs sogar noch einmal eine ganz besondere Stellung ein. Sie ist nämlich „eintakttauglich“: Bereits ein gut gemachter 300B Verstärker reicht hier nicht nur aus um faszinierend Musik zu hören, nein, er findet in der Kensington GR einen echten „Spielpartner“.
Beim Koax macht Tannoy niemand etwas vor
Das unter Kennern hoch geschätzte 10 Zoll große und perfekt gebaute Dual-Concentric-Chassis hat einen Alnicomagneten und gilt in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen seit Jahrzehnten als eines der besten Zweiwege-Koaxialchassis. Nicht ohne Grund wurden unzählige Musikaufnahmen in den letzten Jahrzehnten über eben solche Tannoy Systeme in Tonstudios auf der ganzen Welt eingesetzt. Die Bauteile der Frequenzweiche, inklusive der gesamten Verkabelung, werden übrigens auf minus 196 abgekühlt und die eingesetzten ICW-Kondensatoren werden nach strengen Vorgaben von Tannoy hergestellt.
Das Bi-Wiring-Anschlussfeld besitzt die tannoytypische Erdung über eine 5. Buchse, die, wenn die Lautsprecher dadurch richtig geerdet werden, einen kleinen, klar hörbaren klanglichen Fortschritt ermöglicht. Aufgrund der schmalen Bassreflexschlitze auf der Front des Gehäuses können die noch nicht allzu großen und 37 Kilogramm wiegenden Säulen erstaunlich nah an der Wand aufgestellt werden. Das Chassis erreicht seine ideale klangliche Kohärenz übrigens bereits bei einer Hörentfernung von nur etwa 2,8 Meter. Ein Wert, der gerade für Besitzer normaler Wohnzimmer wichtig ist. Wer hier nicht ehrlich zu sich selbst ist, wird den Kauf neuer Lautsprecher nicht selten schnell wieder bereuen.
Grinsen garantiert
Die Kensington GR ist perfekt gebaut, besitzt ein über Jahrzehnte immer wieder verbessertes Traumchassis, das übrigens weit weg vom Einheitsbrei vieler Lautsprecher-Hersteller entfernt ist, die sich aus den Regalen der großen Hersteller bedienen, ist einfach aufstellen und leichter zu betreiben als viele es vielleicht glauben. Und was passiert klanglich?
Bereits nach wenigen Minuten werden Sie grinsen, da bin ich mir absolut sicher, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie weder Ihrem Raum, dem Lautsprecher noch Ihren „kleinen“ Verstärkern das zugetraut haben, was Ihnen hier unvermittelt entgegenstrahlt. Eine förmlich den Hörer anspringende enorme Dynamik, eine Detailflut, die man gehört haben muss, um es zu glauben, ein extrem stabiles, schnelles und farbiges Tieftonfundament, das man einem Lautsprecher dieser Größe kaum zutraut und schließlich eine tiefe fast schon begehbar erscheinende Raumabbildung, die einen erst einmal mit offenem Mund zurücklässt. Ich muss mich schon wieder fragen, ob nicht einige Lautsprecherkonzepte längst vergangener Tage, gepaart mit den Vorteilen heutiger Fertigungstechniken, nicht in vielen Bereichen einfach noch immer die besseren sind. Und nur damit wir uns hier richtig verstehen: Ich spreche von den klangintensiven Resultaten bei einfacher Zimmerlautstärke, also einem Bereich, bei denen einige heutige Lautsprecher gerade anfangen überhaupt mal einige wenige leise Töne von sich zu geben. Die Kensington GR aber serviert schon bei geringen Pegeln alle Details und Facetten der Musik, egal ob feinste Anblasgeräusche, wichtige Rauminformationen oder das sinnliche Ein- und Ausschwingen von geradezu lebendig erscheinenden Tönen. Sie ist unglaublich schnell, unterschlägt nichts, seziert aber auch nichts, sondern, und das ist sicherlich eine ihrer Paradedisziplinen, sie zeigt eine ungeheure musikalische Geschlossenheit und klangliche Homogenität auf. Das alles übrigens ohne jede Einschränkung auf die musikalischen Stilrichtungen.
Hochton anpassungsfähig
Durch zwei kleine (schraubbare) Stecker auf der Front kann man schließlich noch geringfügig auf den Hochtonbereich und die technische Verträglichkeit gerade mit schwächeren Röhrenkonzepten einen Einfluss nehmen. Also alles gut und keinerlei Kritik? Doch, aber nicht ganz, denn es keine Kritik, sondern eine Warnung: Die kräftige Membran mit ihrer anfänglich recht harten zweifach ausgeprägte Sicke der Konusmembran braucht eine lange Einspielzeit. Bei einem neuen Lautsprecher würde ich dringend dazu raten, frühestens nach 400 Stunden eine abschließende Bewertung vorzunehmen, denn der Zuwachs an klanglichen Fähigkeiten in dieser Zeitspanne ist unglaublich
Gute 300B Verstärker können bereits alle ihre Fähigkeiten voll ausspielen und eine feine Class A Endstufe eines Freundes zeigte, erkennbar deutlich ohne Stress laufend, alle Vorteile der „heißen Transistoren“ auf. Kräftige Verstärker habe ich erst gar nicht getestet, denn die brauchte ich hier absolut nicht. Mein ganz besonderer Tipp: Der „kleine“ und preiswerte Air Tight Vollverstärker AM 201 H mit seinen 8 EL 84 Leistungsöhren. Das ist eine Kombination, die sogar lautstärkemäßig erst sehr spät Grenzen aufzeigt und dennoch spielend höchste klangliche Sphären erreicht.
Wer keine Party feiern will, seinen „schwachen“ Verstärker aber gerade wegen seiner klanglichen Vorteile liebt und nicht den Platz hat, große (Horn-) Lautsprecher zu stellen, bekommt mit der Kensington GR vielleicht seinen endgültigen Lautsprecher. Die Chancen dafür stehen sehr viel höher als manche bisher vielleicht glaubten.
Tannoy Kensington GR
Konzept: Zweiwege-Standlautsprecher mit 10-Zoll Koax-Chassis und Bassreflexgehäuse
Wirkungsgrad: 93 Dezibel
Belastbarkeit: 500 Watt
Anschlüsse: Bi-Wiring mit Erdung
Besonderheiten: Hochton anpassbar
Abmessungen (B/H/T): 41/110/34 Zentimeter
Gewicht: 37 Kilogramm
Garanatie: 5 Jahre
Preis: um 13.000 Euro
Kontakt
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