Auf Tuchfühlung mit Multiroom
Harman Kardon schickte uns drei muntere Vertreter seiner gut vernetzten Citation-Familie – der dokumentierte Selbstversuch eines Daten- und Digitalskeptikers.
Fotografie: Hersteller
„Aloha Schorsch, genau deine Kragenweite! Harman Kardon, schick und mit WLAN, drei Stück und der Citation 500 hat eine Weckfunktion – mit kaltem Wasserstrahl, glaube ich –, dann verpennst du keinen Abgabetermin mehr.“ Super, ganz lieb, Frau Kollegin. Erster April, und ich bin voll reingefallen. Die Kollegin kennt meine, in Stahlbeton gegossenen Vorurteile gegen sprechende Bierdosen und meine Phobie vor Preisgabe persönlicher Daten, egal ob an Apple, Amazon oder eben Google. Doch was soll`s?
So hübsch die drei kleinen Mitglieder der Harman Kardon Citation-Familie auch sind, ohne Google Chromecast die Tür zu öffnen, reagieren sie lediglich auf Bluetooth und erfüllen abgesehen davon nur dekorative Zwecke. Das dafür richtig gut, die große 500er in edlem Anthrazit, die zwei Kleinen für Büro und Dachgeschoss in dezentem Hellgrau. Der kuschelige Bezug besteht aus speziellem Akustik-Vlies von Kvadrat. Es unterstreicht nicht nur die hochwertige Erscheinung der Citation-Familie, sondern ist darüber hinaus schwer entflammbar, schmutzabweisend und äußerst strapazierfähig. Merkmale, die laut meines Herrenausstatters, angeblich unmöglich in einem Maßanzug aus Seide zu realisieren sind.
Ohne Google nix los
Außer einer freien Steckdose und etwas Stellplatz benötigt Harman Kardons Citation-Familie keine weiteren Kabel oder unterstützende Gerätschaften, solange eine stabile WLAN-Verbindung gesichert ist. Die drei Kisten sind schnell in der Wohnung verteilt und melden alsbald mit einem fröhlichen Klingeln ihre Betriebsbereitschaft. „Kein Medium“ und ein blaues Quadrat, mehr hat das Display momentan noch nicht zu bieten, auch das „Bedienfeld“ (ein zart angedeutetes Plus/Minus und zwei winzige LEDs) hilft nicht weiter. Ein Besuch der Online-Nervenklinik von Dr. Google schon! Er verschreibt unseren „mobile Endgeräten“ eine Rundaufbaukur mittels Google Play Music, Google Home und Google Chromecast. Diese Diagnose kostet mich nichts, die Therapie erfordert lediglich die Herausgabe sämtlicher Zugriffsrechte auf mein Telefonbuch, Fotos, Körperbewegungen und Blutdruckwerte.
Doch, oh Wunder, es regt sich was den den Geräten. „Netzwerkschlüssel eingeben“ verlangt das kleine, kristallklar abbildende Display. Der Assistent führt narrensicher durch die weiteren Schritte, noch eine kurze Stimmprobe und dann spreche ich die magischen Worte. „Okay, Google. Spiel Musik“. Doch Pustekuchen, dazu benötigt Google Zugriff auf meine gespeicherte Musik, meine Youtube-Einschlaf-Playlisten und die Liebesbriefe meiner Schulzeit. Was soll`s? Es dient der Forschung! Nochmal die magischen Worte: „Okay, Google. Spiel Musik“. Antwort: „Hallo Georg! Welche Musik soll ich spielen?“ „Okay Google, spiel irgendwas von Marilyn Manson“ Und was kommt? Die perfekte Zusammenstellung für den Abend nach einem nicht komplett perfekten Tag.
Harman Kardon steht für kraftvollen Klang
Es bietet sich Gelegenheit für erste klangliche Einschätzungen, denn immerhin gut produziert ist der Mainstream-Underground des bizarren Bürgerschrecks. Harman Kardons große Citation 500 bietet als aktives Stereosystem echten Gegenwert für den Kaufpreis von rund 650 Euro. Das Klangbild ist durchaus voll mit einem kräftigen Buckel im Grundton, aber hoher Sprachverständlichkeit. Der kraftvolle Bass lässt sich zwar nicht am Gerät regeln, aber ziemlich gut über die Stellfläche justieren – je stabiler, desto substanzieller donnert der Kraftprotz. Ihn auf der Mikrowelle oder dem Kühlschrank zu parken verbietet sich somit, was im Übrigen auch für die kleineren Modelle 300 und One gilt. Im Tiefton lässt sich Harman nicht lumpen, auch die 300er überzeugt mit sonorem Bass und stabiler Stereobühne, wenn auch beides nicht so erwachsen klingt wie beim großen Bruder. Zu meiner Überraschung schlägt sich sogar der kleine One sehr respektabel – hervorragend geeignet für Küche, Wasch- und Hobbykeller oder sogar im Büro.
Kommandos wie „Okay Google, Musik leiser“ funktionieren anfangs in grober Annäherung dessen, wie Google und ich „leiser“ interpretieren. Doch die Filzkisten lernen schnell. Während der ersten Tage fremdelte ich noch mit der Sprachsteuerung, das legt sich aber rasch, wenn man am Spülen ist und nasse Pfoten hat oder mit fettigen Chipsfingern auf der Couch weder das Handy noch die Citation anfassen mag. Das System lernt zügig, definierter auf meine Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, dass es fast unheimlich ist. Von ihrer unbeleuchteten und in Alufolie gepackten Wolke grüßen Huxley und Orwell und bewundern zähneknirschend die so reibungslos-unmerklich funktionierende Transformation des Individuums.
Komplexe Verschaltungsoptionen
Einige Tage später schlurfe ich im Halbschlaf Richtung Zähneputzen, ein „Okay Google, spiel Nachrichten“ etwas zu laut in Richtung der Citation One und meines Handys, und zack, auf einen Schlag ist für die ganze WG die Gefahr abgewehrt, zu verschlafen – Dank dafür habe ich nicht erwartet. Die Gruppenfunktion funktioniert schon mal tadellos, man sollte nur auf dem Schirm haben, welche Einheiten komusizieren. Ich kann nach Lust und Laune entweder die 500er im Erd- wie die beiden Kleinen im Obergeschoss sowohl einzeln, paarweise oder alle zusammen spielen lassen, jede Etage mit unterschiedlichen Stilen beschallen oder Videos vom Tablet über die Citation One an den Fernseher streamen, während die 500er sich um den Sound kümmert. Selbst bei Actionknallern beweist Harman Kardons große Citation hier Stehvermögen und macht ihrer Urahnin aus dem Pleistozän der Stereofonie alle Ehre.
Wer jetzt Appetit auf mehr bekommt und nach Mehrkanal und Tieftongewitter lechzt, dem kann bei den Citations familienintern geholfen werden. Die Modellvielfalt ermöglicht selbst anspruchsvolle Mehrkanallösungen mit futuristisch wirkenden, doch ausgewachsen spielenden Standlautsprechern sowie Subwoofern für das „echte“ Kinofeeling. Alles verbindet sich untereinander kabellos übers eigene Netzwerk, die Signalverarbeitung und -aufbereitung findet komplett im jeweiligen Lautsprecher statt. So macht die Multifunktions-Multiroom-Lösung den üblichen Gerätepark im Wohnzimmer überflüssig. Und noch einen Vorteil bietet die (signal)kabellose Zukunft: man kann den Rear-Speaker auch als autark agierenden Radiowecker missbrauchen. Der im Verhältnis zur Größe überraschend satte Sound von Harman Kardons Citation One ersetzt wirksam die in Täuschungsabsicht versprochene „Kaltwasser-Funktion“.
Der Spaß kommt mit der Nutzung
Spaß beiseite, seit der Assistent auf meinen Terminkalender in der Firma zugreifen kann, sind die morgendlichen Kommandos „Okay Google, meine Termine heute?“ und das folgende „Okay Google, die Nachrichten bitte!“ fest in mein psychomotorisches Programm gebrannt. Das seltsame daran ist, seit ich schon beim Zähneputzen weiß, was den Tag über ansteht und ich die Nachrichten, anstatt auf dem Tablet zu lesen, während des Duschens nach meine eigenen Themen sortiert von der kleinen One vorlesen lasse, bleibt mehr Zeit für den Kaffee und ich bin trotzdem früher im Büro. Und dass Marilyn Manson weder Morgens noch jeden Tag sein muss, hat Google mittlerweile auch verstanden.
Die drei Modell One, 300 und 500 machen richtig Lust auf mehr und mit Harman Kardons Citation-Familie lassen sich auch mondäne Anwesen stilistisch einheitlich beschallen. Die Fixierung auf Google und seine Dienste mag nicht jedem schmecken, ist aber unheimlich praktisch und läuft weltweit erprobt milliardenfach stabil, was sich nicht über jede proprietäre App der Mitbewerber sagen lässt. Dem stilvoll-dezenten Auftreten der Citations zum Trotz: Ist doch gar nicht so düster, die schöne neue Welt!
Preise
Citation One: um 200Euro, Citation 300: um 400 Euro, Citation 500: um 630 Euro
Kontakt
Harman Deutschland
Parkring 3
85748 Garching b. München
Telefon +49 724 711132