Bowers & Wilkins 800 D3 Messungen
Das Messlabor
Fotografie: Ingo Schulz
Diagramme: Anselm Görtz
Alle Messungen bei der Bowers & Wilkins werden mit dem PC-basierten Messsystem Monkey Forest mit einer Auflösung von 1 Hz oder kleiner bei einer Abtastrate von 96 kHz durchgeführt. Als Messmikrofon wird eine B&K-Kondensatorkapsel des Typs 4939 (Membrandurchmesser ¼ Zoll) zusammen mit einem Impedanzwandler des Typs 2670 eingesetzt. In Verbindung mit einer Kompensationsdatei erlaubt diese Kombination präzise Messungen bis 40 kHz. Verstärkt werden die Signale des Messmikrofons mit einem B&K-Messverstärker des Typs 2610, bevor sie von einem hochpräzisen 24-bit/96-kHz-Messfrontend für die Messsoftware zugänglich gemacht werden. Auf der Ausgangsseite stehen zwei kleine 20-W-Messverstärker für die Standardmessung zur Verfügung. Wenn es einmal ernst wird und Bedarf nach viel Leistung besteht, kommt ein Crown Reference I oder Crown I-T12000 HD zum Einsatz.
Der Messraum ist als reflexionsarmer Halbraum mit einem absolut schallharten Betonboden aufgebaut und ermöglicht Freifeldbedingungen ab ca. 100 Hz aufwärts. Das Messmikrofon wird dabei immer auf dem Boden platziert, sodass es für das Mikrofon keine sichtbaren Reflexionen von der Bodenfläche gibt. Messungen für den Frequenzbereich unterhalb von 100 Hz werden als Nahfeldmessungen direkt vor den Quellen durchgeführt und später in der Software mit der Fernfeldmessung automatisch kombiniert. Die Messentfernung sollte einer typischen Hördistanz entsprechen und kann maximal 8 Meter betragen. Kleine Lautsprecher werden meist in 2 Meter Entfernung, größere in 4 oder 8 Meter Entfernung gemessen.
Bowers & Wilkins 800 D3
Der in England ansässige Hersteller Bowers & Wilkins (B&W) blickt auf eine 50-jährige Firmengeschichte zurück. So lange auf einem Markt solide zu bestehen, der aktuellen Moden und Hypes ebenso ausgesetzt ist wie konjunkturellen Schwankungen, bedarf bestimmter Qualitäten, die in der High-End-Branche nicht immer selbstverständlich sind. Was ist nun das Besondere an den Produkten von B&W? Schon bei der Entwicklung hat B&W alles in der eigenen Hand. Alle Chassis werden im Haus entwickelt, Gleiches gilt für die Fertigung und Messtechnik. Spezielle Bauteile für die passiven Weichen werden vom renommierten Hersteller Mundorf zugeliefert – genau zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Lautsprechers.
Entwicklungstechnisch hat man somit alles in der Hand, woraus ein erheblicher Vorteil gegenüber Mitbewerbern erwächst, die auf das Angebot der bekannten Chassishersteller angewiesen sind und denen es dann schwerer fällt, sich abzuheben. Ein weiterer Punkt ist die aufwendige Fertigung der speziellen Gehäuseformen in höchster handwerklicher Qualität. Verfügt man über entsprechende Fähigkeiten und Fertigung im eigenen Haus, dann entstehen daraus erhebliche Vorteile hinsichtlich Kosten und Logistik. Die hohe Entwicklungs- und Fertigungstiefe ermöglicht so auch vergleichsweise (!) günstige Preise für den Endkunden. Ein Pärchen 800 D3 steht mit 30 000 € in der Preisliste. Zugegebenermaßen kann oder möchte nicht jeder so viel Geld für Lautsprecher ausgeben. Wer es dann aber doch tut, der bekommt das gute Gefühl mitgeliefert, auch einen entsprechenden Gegenwert in technischer und handwerklicher Hinsicht erworben zu haben – keineswegs selbstverständlich in diesen oder noch höheren Preisklassen. Hinzu kommt die geradlinige Preis- und Produktpolitik von B&W, die dafür sorgt, dass man nicht kurz nach dem Kauf feststellen muss, schon einen erheblichen Wertverlust erlitten zu haben. Der Gebrauchtmarkt beweist dann auch eine entsprechend hohe Preisstabilität der B&W-Produkte.
Messlabor vs. Hörerfahrung?
Nach diversen Hörtests (siehe auch FIDELITY Nr. 37) fand die B&W 800 D3 zusammen mit Ingo Schulz den Weg ins Aachener Messlabor. Dank einer sehr gut durchdachten Verpackung und entsprechender Hilfsmittel im Labor, wo man den Umgang mit schwerem Gerät gewohnt ist, gelang der Aufbau zügig und sicher. Hier galt es nun zu ergründen, wie sich der Lautsprecher aus messtechnischer Sicht darstellt. Eine gewisse Erwartungshaltung wurde bereits dadurch geweckt, dass speziell die 800er-Modelle auch unter Tonmeistern einen sehr guten Ruf genießen und in dem einen oder anderen größeren Studio zu finden sind, was vermutlich nicht nur mit der ansprechenden äußeren Form zusammenhängt.
Nun sind Messungen unter Highendern eher verpönt, und auch die Feststellung, dass Lautsprecher mit linearem Frequenzgang „nicht klingen“ und „eher langweilig“ sind, findet sich nicht selten in entsprechenden Beiträgen. Diese Behauptung kann sogar richtig sein, wenn man ganz selektiv nur den Frequenzgang anschaut und alles andere außer Acht lässt. Der tolle Frequenzgang auf Achse nutzt in der Tat wenig, wenn das Abstrahlverhalten ungleichmäßig ist oder Treiber mit einer extrem niedrigen Sensitivity zum Einsatz kommen, die kaum in der Lage sind, dynamische Signale unverfälscht wiederzugeben. Fehlabstimmungen und teilweise krude Weichenkonzepte verschärfen dann die Lage gelegentlich noch.
Nicht ohne Grund haben Rundfunkanstalten, Tonstudios und auch Kinos klare Vorgaben, was man von den Abhörlautsprechern erwartet. Dazu gehören neben einem geraden Frequenzgang auch ein kontrolliertes Abstrahlverhalten und geringe Verzerrungen, respektive eine hohe Pegelfestigkeit. Betrachtet man alle Messungen in der Gesamtheit, dann lässt sich ein klarer Zusammenhang zum Höreindruck erkennen, der sich in der jetzt fast 30-jährigen Laborerfahrung immer wieder bestätigt hat. Dazu zwei Beispiele: Ein Vintage-Coax-System begeistert die Zuhörer mit seiner großen Dynamik, und das sogar mit eher schwachen Verstärkern. Klanglich gibt es eine leichte Färbung, die man aber in Anbetracht der Dynamik gerne hinnimmt. Genau das zeigen auch die Messwerte. Der Frequenzgang ist etwas unruhig, die Maximalpegelmessung zeigt jedoch sehr hohe Spitzenpegel bei geringen Verzerrungen. Das Abstrahlverhalten ist zudem eher eng. Der Lautsprecher ist damit prädestiniert für größere Hörentfernung und hohe Pegel. Das zweite Beispiel wäre ein kleiner Zweiwege-Regallautsprecher mit einem perfekt geraden Frequenzgang, einer Sensitivity von 82 dB pro 1 W/1 m und entsprechend eher mäßigen Werten im Spitzenpegel sowie einem breiten Abstrahlverhalten. Im Vergleich zum ersten Beispiel klingt dieser Lautsprecher zwar neutral, aber undynamisch oder, wie manch einer sagen würde, langweilig. Auch hier entsprechen die Messwerte dem Höreindruck. Korrekt eingesetzt, für kurze Hörentfernungen von 1 bis 2 Meter, liefert dieser Lautsprecher vergleichbare Spitzenpegel und ist dann vermutlich sogar besser als das erste Modell, weil die klanglichen Verfärbungen entfallen und Raumeinflüsse bei der kurzen Entfernung weniger relevant sind. Das breite Abstrahlverhalten ermöglicht zudem eine gewisse Bewegungsfreiheit.
Diese beiden einfachen Beispiele zeigen, dass man nicht pauschal, sondern immer nur im Zusammenhang mit der Anwendung entscheiden kann, ob ein Lautsprecher gut oder schlecht ist. Und hier kommen jetzt die Messungen ins Spiel, anhand derer sich bestens beurteilen lässt, wofür ein Lautsprecher geeignet ist – oder eben nicht. Würde man die beiden vorab genannten Kandidaten nebeneinander in einen großen Raum stellen, dann käme schnell der Eindruck auf, dass der große Koax-Lautsprecher dynamisch und direkt klingt, der kleine mit dem linearen Frequenzgang dagegen undynamisch und diffus – und schon könnte man meinen, den Beweis angetreten zu haben, dass Lautsprecher mit geradem Frequenzgang nicht gut klingen können …
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Messungen immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden sollten, dass die Messbedingungen den erforderlichen Standards entsprechen müssen und, ganz wichtig, die Bewertung im Hinblick auf den Einsatz zu erfolgen hat. Schauen wir also, wie sich die B&W 800 D3 im Messlabor schlägt.
Elektrische Impedanz
Wir beginnen die Messungen mit der elektrischen Impedanz, die zwar keine akustische Größe darstellt, aber im Zusammenspiel mit dem Verstärker von Bedeutung sein kann. Die B&W 800 D3 ist als klassisches Dreiwege-System mit passiver Weiche aufgebaut. Wer ein mögliches Übersprechen zwischen den Filterzweigen der Weiche verhindern möchte, kann auf Bi-Wiring-Betrieb (oder gar Bi-Amping) umstellen und so den Tiefton- und den Mittelhochtonzweig mit getrennten Kabeln zu den jeweiligen Endstufen führen, die dann, einen hinreichenden Dämpfungsfaktor vorausgesetzt, vagabundierende Ströme zwischen den Filterzweigen verhindern. Für das Messlabor bietet das Doppelterminal zudem noch den Vorteil, die Wege einzeln vermessen zu können, was einen besseren messtechnischen Einblick in den Lautsprecher ermöglicht.
Abbildung 1 und 2 zeigen dazu die Verläufe der elektrischen Impedanz in Betrag und Phase. Gut ist hier zu erkennen, wie für den Tieftonweg (rot) mit Tiefpassfilter im Signalweg der Betrag der Impedanz zu den hohen Frequenzen hin ansteigt und sich die Phase schnell dem Wert von +90° nähert. Letzteres bedeutet eine rein induktive Last, die durch die Serienspule im Tiefpassfilter bei hohen Frequenzen entsteht. Komplementär dazu verhält sich der Mittelhochtonzweig (blau) mit einem Hochpassfilter, wo eine Serienkapazität die Impedanz zu den tiefen Frequenzen hin ansteigen lässt, um dann auf einen Phasenwinkel von −90° hinauszulaufen. Beides zusammen ergibt den Verlauf der Box als Ganzes (grüne Kurven), wo ein Impedanzminimum von 3,4 Ω bei ca. 350 Hz und eine Abstimmung des Bassreflexgehäuses auf 26 Hz erkennbar ist.
Der Impedanzverlauf ist mit einem Minimum von 3,4 Ω für moderne Verstärker absolut unkritisch. Unklar bleibt jedoch, warum man den Lautsprecher bei B&W als nominelles 8-Ω-System deklariert, dann aber auch in der gleichen Zeile des Datenblattes auf ein Minimum von 3 Ω hinweist. Nach Norm sollte die Nennimpedanz um nicht mehr als 20 % unterschritten werden, sodass die 800 D3 mit einem gemessenen Minimum von 3,4 Ω sowohl im Bi-Wiring- wie auch im Parallelbetrieb als 4-Ω-Box deklariert werden sollte.
Frequenz- und Phasengang
Für die Frequenzgangmessung bietet das Doppelterminal ebenfalls die Möglichkeit der separaten Messung des Tieftöners und der Mittelhochtoneinheit. Die Messung erfolgt in diesem Fall inklusive der zugehörigen Filter, die immer im Signalweg liegen. Wie sich an den Einzelkurven und der daraus resultierenden grünen Summenkurve in Abbildung 3 erkennen lässt, ist der Frequenzgang der 800 D3 zwar nicht perfekt gerade, aber in einem relativ engen Toleranzbereich verlaufend. Die ausgewertete Schwankungsbreite zwischen 100 Hz und 10 kHz beträgt ±2,6 dB (grau gestrichelte Linien). Nimmt man den Mittelwert der Sensitivity von 90,7 dB zwischen 100 Hz und 10 kHz als Bezug, dann liegen mit −6 dB dazu die untere und obere Eckfrequenz bei 29 Hz und bei 30 kHz, was für alle Anwendungen mehr als hinreichend sein dürfte. Die orange Linie im Diagramm liegt mit 84,7 dB genau 6 dB unter der mittleren Sensitivity von 90,7 dB.
Der zugehörige Phasengang aus Abbildung 4 ist wenig spektakulär und spiegelt weitgehend den minimalphasigen Anteil der Dreiwege-Kombination wider. Am unteren Ende des Übertragungsbereiches gibt es 360° Phasendrehung durch das Hochpassverhalten 4. Ordnung des Bassreflexgehäuses. Im weiteren Verlauf dreht sich die Phase um weitere 2 x 360° durch die Übergänge zwischen den Wegen. Das Tiefpassfilter für den Tieftöner ist als Filter 4. Ordnung ausgelegt. Die Hoch- und Tiefpässe für den Mittel- und Hochtöner sind weniger steil ausgelegt, ergeben aber im Zusammenspiel mit dem akustischen Verhalten der Wege ebenfalls Übergänge 4. Ordnung.
In der Sprungantwort aus Abbildung 5 spiegelt sich der Phasenverlauf aus Abbildung 4 wider. Ein Zeitversatz zwischen den Wegen ist nicht zu erkennen. Der Verlauf der Sprungantwort entspricht weitgehend dem, was durch ein Hochpassfilter 4. Ordnung entsprechend dem Bassreflexgehäuse und den beiden X-Over-Filtern entsteht.
Im Spektrogramm aus Abbildung 6 zeigt sich das Ausschwingverhalten der 800 D3. Hier können die speziellen Membranen der B&W-Treiber und die Ausführung der Gehäuse ihre Qualitäten zeigen. Das Ausschwingverhalten ist nahezu perfekt. Resonanzen gibt es quasi keine, selbst bei den höchsten Frequenzen nicht. Das längere Nachschwingen bei tiefen Frequenzen entsteht durch das Laufzeitverhalten des Bassreflexgehäuses und hat somit eine „natürliche“ Ursache. Abhilfe wäre durch ein geschlossenes Gehäuse und/oder mithilfe digitaler FIR-Filter möglich, die einem Lautsprecher in aktiver Betriebsart zu einem weitgehend linearen Phasengang verhelfen können. Neu entwickelte Entwurfsmethoden für diese Art Filter ermöglichen das sogar bei gut vertretbaren Latenzen von 10 ms oder weniger. An dieser Stelle darf man gespannt sein, ob und wann die aktive Variante der 800 D3 kommen wird. Die Rückwand des Gehäuses deutet es schon an, dass hier in Zukunft auch eine Aktivelektronik ihren Platz finden könnte.
Isobaren und die Raumakustik
Das Abstrahlverhalten eines Lautsprechers entscheidet darüber, wie sehr der umliegende Raum mit einbezogen wird. Man unterscheidet zwischen dem Direktschallanteil, der ohne Umwege von der Quelle (Lautsprecher) zum Hörer gelangt, sowie den frühen Reflexionen und dem Diffusfeld im Raum. Letzteres steht im direkten Zusammenhang mit der Nachhallzeit des Raumes. Die frühen Reflexionen entstehen primär durch schallharte und nicht streuende Flächen nahe der Quelle oder des Hörers. Wie ausgeprägt diese frühen Reflexionen auftreten und wie sehr der Nachhall eines Raumes in Relation zum Direktschall angeregt wird, hängt mit dem Richtverhalten der Quelle zusammen. Unabhängig vom Verhalten der Lautsprecher sollte der Aufbau im Raum möglichst symmetrisch und die Rückwand hinter dem Hörer entweder diffus streuend oder absorbierend sein. Seitlich sollten die Lautsprecher einen gewissen Abstand zu den Wänden haben, die optimalerweise auch streuend oder absorbierend gestaltet sind. Für den Boden in einem Hörraum gilt, dass ein dicker Teppich zumindest in einem Teilbereich zwischen Lautsprecher und Hörplatz immer zu empfehlen ist. Damit wird eine erste harte Reflexion für mittlere und hohe Frequenzen wirksam reduziert. Bei einer normalen Stereo-Abhörsituation empfiehlt sich eine mittlere Nachhallzeit von 0,5 s, die zu tiefen Frequenzen nicht zu sehr ansteigen sollte.
Für die Auswahl der Lautsprecher gilt, dass für hallige Räume stärker bündelnde Systeme zu bevorzugen sind, da so eine besseres Verhältnis von Direkt- zu Diffusschall erreicht wird. Die Quellenortung und Klarheit in der Wiedergabe verbessert sich damit. Lautsprecher in Form einer langen Strahlerzeile eignen sich daher für akustisch schwierige Räume besonders gut.
Das räumliche Abstrahlverhalten eines Lautsprechers wird durch die Strahlerflächen und deren Zusammenspiel bestimmt. Große Membranen bündeln den Schall stärker als kleine, wobei das entscheidende Maß die Ausdehnung der Strahlerfläche in Relation zur Wellenlänge ist. Weitere Faktoren sind das Gehäuse mit möglichen Kanteneffekten und der Übergang zwischen den Wegen mit der Steilheit der Trennung.
Sehen wir uns dazu zunächst die Isobaren der horizontalen Ebene der 800 D3 aus Abbildung 7 an: Hier gibt es ein weitgehend gleich breites Abstrahlverhalten bis ca. 1,2 kHz, wo sich die Isobaren dann sprunghaft auf einen Öffnungswinkel von ca. 90° einschnüren. Der Grund dafür könnte in der speziellen Gehäuseform des Mitteltöners liegen, dessen Durchmesser dort mit der Wellenlänge übereinstimmt. Mit dem Einsatz des Hochtöners weiten sich die Isobaren dann ein wenig wieder auf.
Die vertikalen Isobaren (Abbildung 8) werden stark durch die Interferenzen der Wege zueinander dominiert. In den Übergangsbereichen um 500 Hz und 3,5 kHz arbeiten entweder Tief- und Mitteltöner oder Mittel- und Hochtöner zusammen, wodurch ein ausgedehnter Strahler mit einem entsprechend engen Richtverhalten entsteht. Abhängig vom Winkel kommt es zudem zu Phasenverschiebungen zwischen den Wegen mit entsprechenden Interferenzeffekten. Zwischen den beiden Engstellen bei den Trennfrequenzen weiten sich die Isobaren dort, wo der Mitteltöner allein agiert, wieder auf. Ein solches Verhalten ist typisch für Mehrwege-Lautsprecher mit übereinander angeordneten Treibern und lässt sich so grundsätzlich erst einmal nicht vermeiden. Die Übergangsbereiche könnten insbesondere bei aktiven Systemen durch eine steilere Trennung bestenfalls verkleinert werden. Möchte man die Interferenzeffekte ganz vermeiden, dann bleibt nur die koaxiale Anordnung der Wege, was dann aber wieder neue und andere Problemstellen mit sich bringt.
Zusammenfassend könnte man zum Abstrahlverhalten der 800 D3 resümieren, dass der für einen HiFi-Lautsprecher relativ enge horizontale Öffnungswinkel oberhalb von 1 kHz durchaus von Vorteil ist, zudem die Isobaren auch sehr schön gleichmäßig verlaufen. Ähnliches gilt auch für die Vertikale, die jedoch unvermeidlich etwas unruhiger verläuft.
Maximalpegel und Verzerrungen
Für die Verzerrungsmessungen wurden die beiden üblichen Messverfahren mit Sinusbursts und einem Multisinussignal angewandt. Wir betrachten dazu zunächst eine Messreihe aus Abbildung 9, bei der Verzerrungsgrenzwerte von 1 % und 3 % vorgegeben und dann ermittelt wurde, welchen maximalen Schalldruck der Lautsprecher dabei bezogen auf 1 m Entfernung unter Freifeldbedingungen erreicht. Zusätzlich gibt es in diesem Messalgorithmus noch eine Leistungsbegrenzung, um wenig verzerrende Lautsprecher nicht irgendwann durch eine Überlastung zu zerstören. Die Messung erfolgt in drei Abschnitten: zunächst bis 500 Hz mit 185 ms langen Sinusburst-Signalen und maximal 500 W Leistung, bezogen auf 4 Ω. Von 500 Hz bis 3 kHz mit 46 ms langen Bursts, ebenfalls mit maximal 500 W. Ab 3 kHz aufwärts wurde die Leistung dann zum Schutz des Hochtöners auf 50 W limitiert. Dort, wo beide Kurven zusammenfallen, wurde die Messung durch den Leistungswert begrenzt und nicht durch die Verzerrungen.
Das Ergebnis dieser Messung für die 800 D3 fällt hervorragend aus. Über weite Bereiche wird ein Maximalpegel von knapp unterhalb der 115-dB-Linie ohne erkennbare Schwachstellen erreicht. Der Hochtöner liegt entsprechend der Leistungsbegrenzung auf 50 W 10 dB darunter. Vermutlich hätte man hier auch mit einer höheren Leistung weitermessen können, wir wollten jedoch nicht die Zerstörung des Hochtöners (mit Diamantmembran) riskieren. Der Sinn dieser Messung mit Sinusbursts liegt primär darin, mögliche Schwächen in bestimmten Frequenzbereichen aufzudecken, die sich durch Einbrüche in den Kurven bemerkbar machen würden.
Häufig wird jedoch die Frage nach dem möglichen Maximalpegel eines Lautsprechers unter praktischen Bedingungen gestellt, d. h. „wie laut geht es“ mit einem typischen Musiksignal. Zu unterscheiden sind der Spitzenpegel, der für kurze Impulse erreicht werden kann, und der sogenannte Mittlungspegel. Letzterer ist der übliche Wert für Pegelangaben, z. B. im Tonstudio, wenn gesagt wird, dass der normale Abhörpegel 85 dBA beträgt; hier kommt dann noch die A-Bewertung hinzu. Zu diesen Werten lässt sich mit einer Sinusburst-Messung jedoch keine Aussage machen, da eine breitbandige Anregung benötigt wird.
Optimal geeignet dafür ist die Multitonmessung. Die Basis des Multitonsignals besteht aus 60 Sinussignalen mit Zufallsphase, deren spektrale Gewichtung beliebig eingestellt werden kann. Für die Messung in Abbildung 10 wurde die Gewichtung eines mittleren Musiksignals (grüne Kurve) gewählt. Der Crestfaktor des so synthetisierten Messsignals, der das Verhältnis vom Spitzenwert zum Effektivwert beschreibt, liegt bei einem praxisgerechten Wert von 4, entsprechend 12 dB.
Für den aus dieser Art der Messung abgeleiteten Verzerrungswert werden alle Spektrallinien aufaddiert, die nicht im Anregungssignal vorhanden sind, d. h. die als harmonische Verzerrungen oder als Intermodulationsverzerrungen hinzugekommen sind. Wichtig ist es dabei zu beachten, die Frequenzen des Anregungssignals so zu generieren, dass sie nicht mit den harmonischen Verzerrungsanteilen zusammenfallen, da sie sonst nicht mehr ausgewertet werden könnten. Auch bei dieser Art der Messung wird der Pegel so lange erhöht, bis der Gesamtverzerrungsanteil (TD = Total Distortions) einen bestimmten Grenzwert erreicht oder die Leistungsgrenze des Lautsprechers erreicht wird. Durch den hohen Crestfaktor des Testsignals ist jedoch meist die maximale Ausgangsspannung des zugehörigen Verstärkers das limitierende Element in der Kette.
Zum Schutz des Lautsprechers wurde die maximale Spitzenspannung für die 800 D3 auf 141 Vpk limitiert. Bei einem Crestfaktor des Signals von 4 entspricht das einem Effektivwert von 35 Veff und bezogen auf 4 Ω einer Leistung von 300 W bzw. 150 W an 8 Ω.
Unter diesen Bedingungen erreicht die 800 D3 für ein typisches Musikspektrum nach EIA-426B bezogen auf 1 m Entfernung im Freifeld unter Vollraumbedingungen einen Spitzenpegel von 126 dB. Der Mittlungspegel liegt bei 113 dB unbewertet und bei 108,5 dB mit A-Bewertung. Das ist viel, sogar sehr viel, wie man mit Respekt sagen muss. Große Räume oder hohe Pegelansprüche sind für die 800 D3 daher kein Problem, vorausgesetzt die Endstufen liefern die entsprechende Spannung. Für „normales“ Hören wird man natürlich kaum die 141-V-Spitzenspannung und 126 dB benötigen. Auch mit 10 dB weniger, d. h. mit einer Endstufe, die solide 250 W an 4 Ω liefert, wird man gut auskommen. Besonders erfreulich ist dabei, dass selbst bei diesen Extremwerten des Tests die Gesamtverzerrungen noch bei lediglich 5 % lagen.
Die Grafik aus Abbildung 10 zeigt dazu das Spektrum des Anregungssignals (grüne Kurve), das gemessen Spektrum des vom Lautsprecher abgestrahlten Signals (rot) und die daraus extrahierten Verzerrungsanteile (blau). Beides wird in 1/6 Oktavbandbreite aufsummiert dargestellt.
Eine weitere und letzte Messung (Abbildung 11) betrifft die Paargleichheit, die vor allem für eine präzise Mittenortung und stabile Quellenabbildung wichtig ist. Die Abweichung sollte nach einer Vorgabe für Studiomonitore 0,5 dB zwischen 250 Hz und 2 kHz nicht überschreiten, was die beiden zum Test gestellten 800 D3 leicht erfüllen. Lediglich zwischen 4 und 5 kHz gibt es eine Abweichung, die mit 0,56 dB etwas größer ausfällt.
Fazit
Vor dem Verfassen des Fazits in einem Testbericht fragt man sich als Autor, welche Aspekte bei der Bewertung eines HiFi-Lautsprechers eine Rolle spielen sollten. Persönliche Vorlieben sollten dabei möglichst außer Acht gelassen werden. Was bleibt also? Die Messwerte, der Höreindruck und die handwerkliche Qualität des Produktes. Speziell Letzteres spielt bei einem eher hochpreisigen Produkt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und in puncto Verarbeitungsqualität erfüllt die B&W 800 D3 auch höchste Ansprüche. Alle Teile, sowohl sichtbare wie unsichtbare, sind perfekt verarbeitet. Haptisch und optisch bietet der Lautsprecher eine vorbildliche Perfektion, was man ehrlich gesagt auch nicht anders erwartet hätte.
Blickt man als Nächstes auf die Messwerte, dann stechen hier vor allem die geringen Verzerrungen respektive die hohe Pegelfestigkeit hervor. Der Frequenzgang ist zwar nicht absolut perfekt glatt, aber mit einer Schwankungsbreite von ±2,6 dB sehr gleichmäßig – speziell für einen passiven Lautsprecher – und mit Eckfrequenzen von 29 Hz und 30 kHz auch weit ausgedehnt.
Trotz des bereits in FIDELITY Nr. 37 veröffentlichten ausführlichen Hörtests der 800 D3 wurde nach den Messungen noch eine kleine Hörsession zusammen mit Ingo Schulz anberaumt. Wie üblich fand diese im großen reflexionsarmen Raum statt, der sich zwar völlig neutral verhält, aber den Lautsprecher auch schwer fordert, da es keine Unterstützung durch das Diffusfeld des Raumes gibt. Pegelschwache Lautsprecher stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Der Raum ermöglicht zudem eine perfekte Quellenlokalisation, die sofort zeigt, wie präzise ein Lautsprecher eine Quelle abzubilden vermag. Beides, sowohl hohe Pegel als auch die Abbildung der Quellen, gelang der 800 D3 bestens. Die Dynamik in der Wiedergabe dürfte sogar manch großen Hornlautsprecher vor Neid erblassen lassen. Unabhängig vom Musikmaterial kam so viel Freude auf. Möchte man die Wiedergabe mit wenigen Worten beschreiben, dann wären die Begriffe ansprechend, souverän und neutral treffend.
Bleiben zu guter Letzt noch die vielen, vielen Innovationen zu erwähnen, die in der Konstruktion der 800 D3 und vor allem in deren Treiber stecken und bei Technikliebhabern Begeisterung auslösen: Hier hebt man sich deutlich von den allermeisten anderen Herstellern ab. Berücksichtigt man all dies, dann muss man sagen, dass die B&W 800 D3 einen wirklich hohen Gegenwert fürs Geld bietet und – im Zusammenspiel mit einer vergleichbar soliden Endstufe – viele Jahre Freude verbreiten wird.
Der Preis für ein Paar 800 D3 liegt bei genau 30 000 Euro. Unabhängig davon, ob man nun bereit ist, so viel für einen Lautsprecher zu zahlen: Er ist jeden Euro wert.
Bowers & Wilkins 800 D3
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Wirkungsgrad: 90 dB/W/m
Nennimpedanz: 8 Ω (3 Ω min.)
Bestückung: 25-mm-Kalottenhochtöner mit Diamantmembran, 15-cm-Mitteltöner mit FST-Continuum-Membran, 2 x 25-cm-Tieftöner mit Aerofoil-Membran
Ausführungen: Hochglanzschwarz, Satinweiß, Rosenut-Furnier
Besonderheiten: „Turbine Head“, Antiresonanz-Plug, Bi-Wiring-Terminals, „ausfahrbare“ Spikes u. v. m.
Größe (B/H/T): 42/122/62 cm
Gewicht: 96 kg
Garantiezeit: 10 Jahre
Paarpreis: 30 000 €
Bowers & Wilkins
Kleine Heide 12
33790 Halle/Westfalen
Telefon 05201 87170