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ProJect Stream Box DS

Es geht zu oft um HiFi und zu selten um Musik? Streamer sind ein perfektes Gegenmittel, um dieser Krankheit Herr zu werden. Die Pro-Ject Stream Box DS erleichtert die Genesung.

„Ah, ah Du junger Teufel, glatter Knabe!“
Wie bitte?
„Du Beseliger!“
Und schon geht es weiter: „ Duze mich derb zu meiner Erniedrigung!“

Ich bleibe hängen. Ich gehe nicht einkaufen, wasche nicht ab, sondern bleibe sitzen – und lausche. Knappe zwei Stunden später endet meine Reise durch Thomas Manns Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Die Sendung einer der vielen Webradio- Stationen ist vorbei. Gerd Westphal entlässt mich verändert in den Alltag: Ich bin wieder – nach guten 25 Jahren Pause – ein Radio- Fan geworden.Früher forderten nächtelange Entdeckungsreisen oft genug meinen Schlaf, den ich dann in der Schule nachholen musste. Aber wie viel mir unbekannte Musik konnte ich so entdecken! Konzertübertragungen von allen möglichen Radiostationen der Welt, live dabei, wenn sich in Chicago, Berlin, Salzburg oder Bayreuth der Vorhang hob. Irgendwann war es mir dann doch zu mühsam, ich beschäftigte mich mit den vielen CDs und LPs, später noch Tonbändern, und das Radio rückte in den Hintergrund.
Jetzt hat es mich wieder erwischt, und zwar gleichsam durch die Hintertür. Denn eigentlich sollte ich mir einen Netzwerkplayer anhören und darüber schreiben. Ich dachte natürlich nur an Musik von der Festplatte und machte mir folglich über Router, NAS-Platten, Ethernet- Hubs, das richtige Tagging und ähnliche Dinge Gedanken. An die vielen Radiostationen, in deren Welt ich eintauchte, die mich fortan fast magisch anzogen, nachdem ich einmal eher zufällig den Webradio-Knopf drückte, hatte ich im Vorfeld nicht gedacht.
Also möchte ich jetzt nicht nur über ein Gerät schreiben, obwohl es die Stream Box DS angesichts ihres Preises und der gebotenen Leistung vollkommen verdient hätte, ganz alleine behandelt zu werden. Es soll auch um diese noch recht neue Gerätegattung an sich gehen und die Erlebnisse, die dank der neuen Technik möglich sind.

Es geht doch um Musik, oder?

Mich irritieren in Gesprächen mit Musikliebhabern immer wieder die Einschränkungen, die sie sich selbst auferlegen. Sie haben sich auf ein ziemlich schmales Repertoire eingeschossen, sammeln jede mögliche Aufnahme dieses kleinen Bereichs, kommen aber schon lange nicht mehr auf die Idee, nach rechts oder links respektive hinten oder vorne zu blicken. Auf der Strecke bleibt allzu oft das Verständnis für die Zusammenhänge der Musik – woher ein Stil kommt, wie er sich entwickelt, wohin er geht. Wie kann es sonst sein, dass beispielsweise viele Anhänger Wagner’scher Opern einen Holländer erst dann gut finden, wenn er so klingt, als wäre der Parsifal schon geschrieben oder zumindest angedacht? Wäre der Blick auf die Musik weiter, wären Verdi, von Weber und Meyerbeer bekannt – es gäbe keinen Zweifel an der Herkunft des Holländers und somit entstünde auch ein Verständnis für Wagners Klangsprache zur Entstehungszeit dieser Oper.
Und was, bitte, hat das mit der Stream Box DS zu tun? Ganz einfach: Der mühelose und sekundenschnelle Zugriff auf mehrere Tausend Tonträger und ebenso viele Webradio-Stationen begünstigt den Zufall. Man kann sich leichter treiben lassen, hüpft assoziativ durch die Sammlung, wird von spannenden und spezialisierten Kleinsendern aus allen Teilen der Welt überrascht. Und so lernt man immer mehr Stücke, Stile und Künstler kennen, die man mit konventioneller Technik wohl eher nicht genossen hätte. Der Blick weitet sich, das Verständnis wächst. Das Bild wird vollständig.

Neue Technik als Musikvermittler

Somit sind Streaming-Player für mich erst in zweiter Linie innovative HiFi-Geräte. Zu allererst sind Stream Box DS und Kollegen meine Eintrittskarten zu den Konzertsälen dieser Welt. Schlüssel zu musikalischen Schatzkammern, die mir sonst durch Tonträgermangel oder Trägheit verwehrt bleiben. Ich stellte zumindest bei mir fest, dass keine andere Gerätegattung vorher mein Hörverhalten, meinen Musikkonsum derart verändert hat wie diese Streamer. In manchen Hörnächten – warum passiert das eigentlich meistens nachts? – habe ich auch sehr breit gefächert gehört, surfte assoziativ durch die LP- und CD-Bestände. Im Alltag aber, ich muss es gestehen, ist das „aktive Repertoire“ doch deutlich schmaler. Knapp formuliert: In den wenigen Wochen mit Streamern von Naim und Pro- Ject habe ich mehr Musik kennengelernt als im gesamten Jahr davor. Und Hörbücher.
Mehr Sein als Schein
Die Pro-Ject Stream Box DS soll in meinen philosophischen Betrachtungen nicht untergehen, also nun zu ihr. Zunächst einmal ist sie klein, schön und praktisch. Außerdem mit einem Anschaffungspreis von guten 700 Euro durchaus noch günstig, denn neben einem schmucken und gut verarbeiteten Gehäuse gibt’s da noch ein paar Features, die ich nicht erwartet hätte. Zum Beispiel ein ziemlich großes Farbdisplay, das mich auch dann noch gut informiert, wenn ich gegenüber der Anlage auf meinem Sessel sitze – und ich bin Brillenträger. Eine herrlich logische Menüführung, die ohne Umstände in meiner Muttersprache kommuniziert und eine Bedienungsanleitung überflüssig macht. Unter der Haube finden wir die größte Überraschung: Die D/A-Wandlung übernimmt ein nicht eben günstiger und bestens beleumundeter Baustein namens Cirrus Logic CS4344 – ein Multibit- Delta-Sigma-Wandler, der seinen Dienst üblicherweise mit einer komplett ausgestatteten Netzwerkplatine kann der Project somit alle möglichen Datenformate wie Flac, WMA, WAV, AAC AIFF, ASX und so fort bis zu einer Auflösung von 24 bit/192 kHz bearbeiten. MP3? Ja, kann er auch, aber wollten Sie das wirklich wissen?
Seine Stromversorgung über ein zweipoliges Steckernetzteil geht zu diesem Preis in Ordnung. An wenigen, eher „sensiblen“ Verstärkern wie beispielsweise einem Lavardin IT vernahm ich ein leises Brummen aus den Lautsprechern, das sich auch mit verschiedenen Erdungsversuchen nicht völlig abstellen ließ. In den meisten Kombinationen allerdings lief alles glatt und vollkommen störungsfrei.

Und wie klingt die kleine Kiste?

Die Frage ist ganz schnell beantwortet: Für das geforderte Geld klingt die Stream Box DS richtig, richtig gut. Nach erstaunlich kurzer Warmlaufzeit wirft der Pro- Ject deutlich hörbar die Qualitäten seines Wandlers ins Rennen. Dann bietet er jede Menge feinst gezeichneter Details, für die man andernorts ein paar (große) Scheine mehr auf den Tisch legen muss. Penibel aufgedröselte Strukturen in groß besetzten Orchestern, die mühelose Präsentation auch kleinster Nebengeräusche, die beim Spielen eines akustischen Instruments nun einmal entstehen – all das ist für ihn kein Problem. Der eher schlank und straff abgestimmte Bass sorgt dafür, dass die klare Sicht auch im Frequenzkeller nicht verloren geht. Bei den ersten Kontrabass-Pizzicati in Anton Bruckners Fünfter Sinfonie (Berliner Philharmoniker, Günter Wand) gelingt ihm das Kunststück, sogar noch die individuelle Tonerzeugung der einzelnen Musiker darzustellen. Hier kommt nicht nur ein kompakter Klangklumpen von rechts außen, sondern es spielt eindeutig eine aus mehreren Musikern bestehende Gruppe. Bei höheren Streichinstrumenten kann man derlei Durchhörbarkeit durchaus öfters erleben, in den tiefen Lagen jedoch nur selten. Und in dieser Preisklasse eigentlich gar nicht!
Die Stream Box DS mag im Grundton auf den allerletzten Druck verzichten und der Lederund- Nieten-Fraktion ein wenig zu leicht, luftig, ätherisch daherkommen – geschenkt! Zu diesem Preis kann man nicht alles haben. Aber dass dennoch derart viel geht, das konnte ich zuvor nicht ahnen.

 

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Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.