Eigentlich bedeuten die drei Initialen des britischen Herstellers AMR ja „Abbingdon Music Research“. Ebenso gut könnte es aber auch heißen: „Aber bitte mit Röhren!“
Das Line-up von AMR bietet tatsächlich keine einzige Komponente, die im Signalweg nicht in irgendeiner Weise auf glimmende Glaskolben zurückgreift. Das gilt auch für das jüngste Mitglied der AMR-Familie, den 3900 Euro teuren DP-777. Das „D“ im Namen steht dabei natürlich für „Digital“, während das „P“ für eine High-End-Komponente eher ungewöhnlich „Processor“ bedeutet. Angesichts der nicht alltäglichen Fähigkeiten des DP-777 ist dieser Ausdruck jedoch durchaus angemessen, schon allein deshalb, weil er eine integrierte, abschaltbare Lautstärkeregelung besitzt und damit als universeller D/A-Wandler ohne zusätzlichen Vorverstärker Aktivmonitore oder Endstufen direkt ansteuern kann. Da der DP-777 darüber hinaus zwei (asymmetrische) Analogeingänge mitbringt, lässt er sich sogar als vollwertiger Preamp verwenden.Charisma dank Glas?
Im aktuellen Marktangebot bei D/A-Wandlern lassen sich einige Exemplare finden, die Röhren im Signalpfad verwenden. Offenbar gehört es derzeit zum guten Ton, dass man dem viel zitierten „harschen“ Digitalklang mittels röhrentypischer Oberwellen nachträglich etwas mehr Charisma einhauchen möchte. Mit derartigen zuschaltbaren Klangverschönerern hat der DP-777 jedoch nichts am Hut. Dort, wo er Röhren einsetzt – zum Beispiel in der analogen Ausgangsstufe – verwendet er sie ausschließlich und mit der absoluten Überzeugung, dass sie sowohl in klanglicher wie auch in technischer Hinsicht an diesem Platz einfach die bessere Wahl sind.
Vintage digital
Wenn Sie im Internet die in puncto D/A-Konverter schon seit einigen Jahren recht umtriebige DIY-Szene aufmerksam verfolgt haben, ist Ihnen bestimmt nicht entgangen, dass nicht wenige Audiophile – speziell bei 44,1-kHz-Wiedergabe – die klassischen Multibit-Wandler den heutigen Chips klar bevorzugen. So werden denn auch beispielsweise für den alten 16-bit-4fach-Oversampler Philips TDA 1541 nebst seinen Derivaten geradezu astronomische Preise bezahlt (der fand sich übrigens schon in meinem ersten Philips-CD-Spieler anno 1986). Auch AMR-Chefentwickler Thorsten Lösch, in gut informierten DIY-Kreisen ebenfalls kein Unbekannter, attestiert solchen Vintage-Wandlerchips bei niedrigen Sampling-Frequenzen klangliche Vorteile. Aus diesem Grund wandelt der DP-777 denn auch sozusagen hybrid: bis 88,2 Kilohertz mit einem klassischen Multibitler, alternativ und darüber hinaus mit einem modernen 32-bit-Chip bis hin zum vollen 24/192-Hi-Resolution–Format.
Die große Jitterpartie
Aber da der eigentliche D/A-Wandler- Baustein ja nur die halbe Miete ist, musste natürlich auch ein hochkarätiges digitales Drumherum her. Allein darüber ließe sich beim DP-777 ein kleines Büchlein füllen. Das erste Kapitel handelt dabei vom derzeit zentralen Thema, wann immer die Rede von D/A-Wandlern ist: dem Jitter. Es gehört nun mal zu den Wesenszügen eines solchen Wandlers, dass er sich in irgendeiner Weise auf den Ausgabetakt der Programmquelle synchronisieren muss. Doch dieses Steuersignal kann, wenn es nicht schon quellseitig instabil ist, auch auf dem Übertragungswege eine Menge möglicher Beeinflussungen erleiden, beispielsweise verrundete Schaltflanken durch unpassende Signalkabel oder -wege (siehe auch „Das große Zittern“ in dieser Ausgabe). Üblicherweise erfolgt die Taktnachführung bei D/A-Wandlern durch eine sogenannte phasenstarre Regelschleife („Phase Locked Loop“, PLL). Dabei handelt es sich um eine analoge Schaltung, die die Taktfrequenz des D/A-Wandlerchips abhängig von den Vorgaben der Quelle „nachzieht“. PLLs sorgen damit zwar für die notwendige Synchronizität von Sender und Empfänger, andererseits verursachen sie aufgrund ihrer Regeleingriffe zusätzlichen Jitter und – fast noch wichtiger – lassen hochfrequente, aus ungenauen Schaltflanken resultierende Jitteranteile quasi ungehindert bis zum D/A-Wandlerchip durchmarschieren.
Intelligenz ist Trumpf
Aus diesem Grund überlegte sich Thorsten Lösch für den DP-777 eine völlig andere Lösung namens „Intelligent Memory System“ (IMS). Bei diesem wird der eingehende Datenstrom zunächst in einen großen Pufferspeicher geleitet, wobei eine ausgeklügelte Überwachungsschaltung das Auswerten der eingegangenen Datenmenge pro Zeiteinheit übernimmt und in Echtzeit für die stets optimale Speicherorganisation sorgt. Die per IMS ermittelte, exakte durchschnittliche Datenrate gelangt dann als Steuersignal zum eigentlichen Taktgeber des DP-777, „Global Master Timing“ (GMT) genannt. Hierbei handelt es sich um eine temperaturkompensierte, mit 0,005 ppm extrem genaue Quarzzeitbasis, die, je nach IMS-Vorgabe programmiert, auf 28 Millionen feinst gerasterten Festfreqenzen und damit ultra jitterarm schwingen kann. Die unmittelbare Nähe der Zeitbasis zu den Wandlerchips sorgt dafür, dass diese auch davon profitieren können. GMT taktet jedoch nicht nur die D/A-Wandlerchips, sondern auch das IMS – was letztendlich eine Art digitale PLL darstellt. Einmal die durchschnittliche Eingangs-Taktrate gefunden, rastet dieses „Zero Jitter“ genannte System dermaßen exakt ein, dass nur alle paar Minuten ein winziges Korrekturschrittchen von 0,001 Hz zur Nachführung anfällt – zu sehen als kurz aufblinkendes „J“ auf dem Display. Zum direkten Klangvergleich mit einer ebenfalls vorhandenen klassischen PLL lässt sich die auf alle Digitaleingänge wirkende „Zero Jitter“-Funktion auch deaktivieren; beinahe müßig zu erwähnen, dass man dies genau einmal macht. Am allerbesten ist es natürlich, wenn das digitale Eingangssignal bereits „von Haus aus“ so gut in Form ist, dass es möglichst wenig zu entjittern gibt. Das gilt besonders für den komplexen SPDIF-Signalstrom, da er gleich drei verschiedene Signalarten (Daten, Bit- und Word-Clock) beinhaltet. Und wenn sich da erst mal Übertragungsfehler einschleichen, sind diese kaum mehr voneinander trennbar. Ein Vergleich von SPDIF- und Composite-Video-Signal ist dabei nicht nur erlaubt, sondern trifft vielmehr voll ins Schwarze: Denn letztendlich handelt es sich bei SPDIF um nichts anderes als ein analoges Videosignal mit digitalem Informationsgehalt, das man konsequenterweise auch als solches behandeln sollte. Übliche SPDIF-Portale jedoch verwenden zum Auswerten der Digitalsignale als Eingangsstufe einen sogenannten Schwellwert- Komparator (Schmitt-Trigger), der durch seine positive Rückkopplungsschleife im Moment des Umschaltens kurze Impulse (Glitches) in Richtung Quelle zurückwirft. Die aber hinterlassen Verzerrungen in der Wellenform des SPDIF-Signals, was wiederum eine wesentliche Ursache für Jitter ist.
Filter und Flanken
Der DP-777 begegnet diesem Problem auf überraschend unkonventionelle Weise. Er verwendet im HD-Digitaleingang – sozusagen als Video-Eingangsstufe – eine russische 6N11J-Hochfrequenz-Doppeltriode in extrem breitbandiger Schaltung, die auf Über-Alles-Gegenkopplung vollständig verzichtet. Das bewirkt eine perfekte, weil rückwirkungsfreie Entkopplung von digitaler Quelle und signalauswertender Elektronik im DP-777; entsprechend sauber und steilflankig präsentieren sich die SPDIF-Impulsketten. Spätestens seit Wadia-Zeiten weiß man um die klanglich fundamentale Bedeutung von Digitalfiltern, weshalb die meisten hochwertigen DACs denn auch hauseigene klangoptimierte Filter mitbringen. Beim DP-777 sind es gleich sechs: vier für den Betrieb mit dem 32-bit-Hi- Res-Wandler, zwei für den 16-bit- Classic-DAC. Natürlich bieten die umschaltbaren Filter viel Raum für Klangexperimente. Sie sind jedoch vornehmlich für spezielle Aufgabenstellungen vorgesehen oder ermöglichen den Direktvergleich unterschiedlicher Filter-Philosophien. Für die bei Digitalfiltern notwendige, nicht unerhebliche Rechenarbeit verwendet AMR ein Field Programmable Gate Array (FPGA), das unzählige nahezu beliebig verknüpfbare Logikbausteine enthält, beispielsweise als digitaler Signalprozessor (DSP) wie im DP-777. Um die volle Signalqualität des Digitalteils auch im Preamp-Betrieb zu erhalten, setzt AMR beim Lautstärkesteller des DP-777 ebenfalls auf eine eigenständige Lösung. Kleine Bauteilpakete mit Präzisionswiderständen, an Ort und Stelle geschaltet über besonders niederohmige Feldeffekttransistoren, erlauben nicht nur die Fernbedienung und perfekte Kanalgleichheit, sondern auch den verzerrungsfreien Signaltransfer bei geringen Lautstärken. Nach dem Pegelsteller beginnt dann die halbleiterfeie Zone: Hier geraten die Bauelemente so üppig, dass man den Signalweg ebenso genüsslich wie problemlos auf den Fotos verfolgen kann. Im Abschirmbecher verpackt, thront hier pro Kanal jeweils eine russische Doppeltriode vom Typ 6N1 PEV, wobei das eine System verstärkt, das andere als niederohmiger Kathodenfolger-Ausgangstreiber arbeitet. Angesichts dieser Konfiguration stellt sich die berechtigte Frage, wie wohl der symmetrische XLRAusgang angesteuert wird. Hier setzt AMR-Mastermind Thorsten Lösch auf einen bei vielen Profi-Mischpulten angewendeten Trick: Der invertierende Anschluss (Pin 3) ist über einen Festwiderstand mit dem der Ausgangsimpedanz identischen Wert nach Masse geschaltet. Obwohl es sich hierbei nicht um ein echtes, symmetrisches Ausgangssignal handelt, bleibt bei symmetrischen Eingängen die Gleichtakt- und damit die Störunterdrückung im Wesentlichen erhalten.
Edelmut und Größe
Sein Design und das edel verarbeitete, große Gehäuse lassen den AMR DP-777 betont repräsentativ daherkommen – was zugegebenermaßen ein wenig mit meinem persönlichem Stilempfinden kollidiert. Dennoch hätte ich keinerlei Skrupel, ihn mir zu Hause hinzustellen. Der DP-777 klingt einfach so fantastisch, dass ich über die Optik im wahrsten Sinne „drüberweghöre“. So hinterließ er bei mir nicht nur die Gewissheit, dass das analog wiederbelebte Signal auch tatsächlich so und nicht anders auf dem Tonträger gespeichert war, vielmehr brachte er dieses mit Ausdruckskraft und Leichtigkeit sowie einem sehr natürlich wirkenden Gespür für räumliche Tiefe und Ausdehnung rüber.
Zero Jitter rules!
Während bei Hi-Res-Betrieb via USB-Eingang das von AMR entwickelte Organic-Filter die besten Klangergebnisse brachte, war bei CD-Kost der 16-bit-Classic-Wandler in Kombination mit dem „Bit- Perfect“-Filteralgorithmus tatsächlich klar die bessere Wahl – deutlich feststellbar an der beeindruckenden „Kohärenz“ aller Signalanteile im Klangbild. Restlos überzeugt hat mich auch die Zero-Jitter-Funktion, die das per DVB-S-Receiver empfangene, per SPDIF eingespeiste Radioprogramm in bisher noch nie da gewesener Qualität erklingen ließ. Nur eines würde ich mir nun beim DP-777 noch wünschen: dass der Lautstärkesteller seine Arbeit ein wenig flinker erledigt.