Messe, oder die Ratlosigkeit in Euro und Dollar.
Es gibt superteures Equipment, das sogar richtig gut ist – was mich dann doch überrascht hat, schließlich eilt der Preis dem Ergebnis manchmal um Lichtjahre voraus. Und die Parallelen zu anderen Luxusgüter-Marktnischen sind mittlerweile so unübersehbar, dass ich mich wundere, nicht noch mehr mit Swarovski und Wohlfühl- Steinen behängte Gerätschaften der Bugatti-Klasse gesehen zu haben. Wo sind die nur alle? Ach ja, nächstes Jahr auf der Millionärsmesse, einer gerne im Randfichten- TV verwursteten Tupperparty für B-Promis, Uhrenhändler, Öligarchen und deren stöckelndes Gefolge.
Was 300-Kilo-Plattendreher mit vierfach übereinander geschichteter afghanischer Auslegware anrichten werden, ist absehbar. Aber wer mit einer Wasserwaage im Gepäck einmal im Monat nach Wodka jettet, der weiß, dass die Marge sogar eine Lebertransplantation hergibt.
Jene haltlos dimensionierte, im Mittelmeer- Stil verzierte Wäschetruhe, auf deren Oberseite sich ein paar Röhren förmlich verloren, wird mir als Beispiel für neue Design-Horizonte immer im Gedächtnis bleiben. Töne kamen auch heraus: Als hätte man eine Katze unter einem Berg verschwitzter Krokodil-T-Shirts begraben. Immerhin hatten die Kabel keine Chance, das Gebirge vom Gestell zu kippen.
Dass es auch anders, nämlich sehr viel klüger geht, bewies eine in Schönheit vermarktete Endstufe, deren Technologie jener der mittelprächtigen Selbstbaugemeinde entspricht, freilich für eine satte fünfstellige Summe. Kompliment für solche Effizienz. Apropos Effizienz: Wie sich kleine Triodenverstärker sogar mit angesagten Großkonstrukten der Aluminium- Hüttenwerke noch knapp über dem Aufwach-Stadium halten können, eröffnet neue Wege in der Schlafforschung. Oder sind hier irgendwelche „Chips“ für das Wunder verantwortlich? Auf Esoterik-Messen tritt sich ja womöglich noch viel mehr gestandenes Publikum aus der Bildungsbürger-Schicht gegenseitig auf die Clogs …
Regelrecht verstörend für viele Geschmäcker ist auch die unüberhörbare Renaissance der Hörner, unter der sich die Standard-Säulen der nun auch schon wieder antiken Standard- Lautsprechertechnik wegducken, als hätten sie Tempeldächer zu stützen. Übergespannte Corporate-Identity- Hemdchen halten zumindest die irrlichternden Product Manager noch in Form. So manches Trichter-Gequake beamte mich um Jahrzehnte zurück in die Zeit, als das Studentenbudget nach dem Käfer oder R4 noch Platz ließ für drei Quadratmeter Spanplatte im Eck.
Heute würde man fröhlich eines jener D-Kästchen anklemmen und wieder Party machen, laut genug, um das Klirren billiger Bierkästen im Restrauschen zu ertränken. Aber Kabel müssten schon dran, solche für den Bass, was sonst. Den Knall hört man dann nicht, ebenso wenig wie jene, die mit bewundernswerter Unverdrossenheit Schuhschachteln präsentieren, so wie anno 1990. Was für ein Zufall, dass gleichzeitig die passenden Vollverstärkerchen wie Zombies aus den Gräbern kriechen, die seelenlosen Innereien, einst Class- A-glühend, nun kalt, als digitale Eisbrocken unter Strangpressprofil eingesargt. Irgendwer muss sich aber erbarmt haben, wieder kleine Brote – vorzugsweise aus Fernost – in die Arena zu werfen.
Hin und wieder ist sogar ein Musik-Erlebnis dabei, eines, das erzählt, wie es damals war, als man den High-End-Aufdruck dazu träumte und sich vornahm, später was Großes anzuschaffen, nicht ahnend, dass die Hyperinflation kommen würde. Jetzt klebt die Nase schon wieder platt am Schaufenster, ausgesperrt von Champagnerglas- Manufakturen, denen es langt, zwei Kreationen pro Jahr an Designer- Jackets zu verscherbeln. Da fällt auf, dass sich der teure Duft von Käufern und Verkäufern mittlerweile ähnelt.
Früher erkannte man den zerknitterten Erfinder im winzigen Hotelzimmer nicht nur an Lötzinn-Ausdünstungen, und die Musik entschädigte weniger aufdringlich als heute, wo Kino-Subwoofer den Staub aus dem Trockenbau rütteln. The show must go on, mit Bruce Willis, nicht mit Bach. Dessen abgehobene Mathematik ziert jetzt die Rechnungen.
Der Veranstaltung kaum mehr angemessen will mir das Catering erscheinen, wenngleich einer der sichtlich um Ausgleich bemühten Abfüll-Helfer mit unnachahmlicher Geste staubtrockene Petersilie auf das mikrowellengeheizte Steingut rieseln ließ. So zumindest ernährt, aber nicht befriedigt, fiel bei Klima- Luft wieder die Designer- und Lackier- Fraktion ins gerötete Auge. Sinn und Zweck vergessen – wie kabellos praktisch, dass man die Skulpturen gar nicht anschließen muss, wenn sie erst im Ambiente stehen. Warum da noch Kupfer für die Schwingspulen verschwendet wird, ist mir ein Rätsel. Die wenigen mutigen Verteidiger des Vernunft- HiFi wirken im grellen Halogenlicht fast durchscheinend, krawattenlos auf eher unscheinbare Gehäuse deutend, denen sogar die allerorts frisch exhumierten Zeigerinstrumente fehlen.
Kann so was denn überhaupt klingen? Eine Frage, die man sich angesichts einer anderen Form der Audio-Archäologie gleich wieder stellen muss: Vintage, wohin das Auge blickt. Ich persönlich habe nichts dagegen, von Wertverlust keine Spur, man sollte H-Kennzeichen vergeben, ein Mekka für den, der besitzt.
Vermisst habe ich Seidenschals, Einstecktücher und riesige Hüte bei den wenigen Damen, die Herren meist zu jung für solche Attribute, so jung sogar, dass sie lauthals kundtun, sie hätten alles erfunden, sogar jahrelang an diesen unglaublichen Technologien geforscht. Wie schön, dass sich manche Dinge niemals ändern, bisweilen auch der Klang nicht, wenn man die noch nicht dementen HiFi-Fans der 30er Jahre fragt.
Dennoch sind Überraschungen dabei, so, als wäre man Howard Hughes hinter dem Steuerhorn seiner „Spruce Goose“, zu schwer zum Fliegen, aber, oh Mann – was für ein Abenteuer aus amerikanischer Kiefer, gebogenem Blech und glühenden Heizdrähten. Der Weg ist das Ziel. Als Trend so stark, dass bald Museen geplündert werden könnten, den Nachschub liefern bereits Replikatoren, die akribisch darum kämpfen, der Vergangenheit zu huldigen, als gäbe es kein Morgen.
Müdes Abwinken bei denen, die mit Laptops auf den Knien Musik in Atome zerlegen, feinverstofflicht durch Firewire jagen, auf CPU-Power verweisen und den Klang dieser oder jener Festplatte als betörend schildern. Ich habe nicht gleich begriffen, als mir ein sichtlich analoges Cinchkabel hingehalten wurde, dessen Stecker den „Content“ als Nullen und Einsen durch Glasfaser schießen. Man muss sich halt erst dran gewöhnen und entscheiden, ob man so hören mag, mit all den schönen Möglichkeiten, die aus jeder Chassis- Restmülltonne eine gerade Linie auf dem Bildschirm zaubern. Wunderbare Technik. Wenn sie doch nur nicht so verdammt ungeil wäre.
Pech für Dirty Old Men, die einfach nur ein bisschen fummeln wollten …