Test Plattenspieler Dual CS 550 – Aus dem Schwarzwald kommen nicht nur Kuckucksuhren
Kann man heute noch guten Gewissens einen Dual kaufen? Oder ist der einst klangvolle Name nur noch das Echo einer verwirkten, besseren Zeit? Wir haben es einfach mal ausprobiert.
Man könnte es schon fast eine Odyssee nennen: Wenn man die vollständige Geschichte von Dual wiedergeben wollte, ließe sich locker ein Sonderheft draus machen. Ich schreibe ganz bewusst „von Dual“ und nicht „des Herstellers Dual“, denn ursprünglich war „Dual“ der Name einer Federlaufwerk/Elektromotor-Baugruppe, die 1927 vom Unternehmen „Gebrüder Steininger – Fabrik für Feinmechanik“ hergestellt und kurz darauf Namensgeber eines – heute würde man sagen – Spinoffs dieses Unternehmens wurde. Einer der beiden Brüder gründete nämlich 1911 seine eigene Firma „Perpetuum“ bzw. „Perpetuum Ebner“ – um 1971 nach diversen Wirren wiederum von Dual, also dem Unternehmen seines Bruders übernommen zu werden. Elf Jahre später schob das wiedervereinte „Dual“ jedoch einen Konkurs nach, die Marke wurde zunächst von Thompson, später von Schneider übernommen. Nach weiteren Umwegen über Karstadt und Quelle – Details erspare ich Ihnen – ist die Fertigung eines Großteils der CS-Serie nun wieder in St. Georgen im Schwarzwald angekommen, es zeichnet verantwortlich Alfred Fehrenbacher aus der dortigen Feldbergstraße. Wer den CS 550 kauft, darf sich also tatsächlich über ein „Made in Germany“-Produkt freuen. Uff!
In Sachen Fertigungsqualität ist am CS 550 nichts zu rütteln. Gut, er kommt in Leichtbauweise daher und strahlt daher nicht unbedingt die Amtlichkeit großer Masselaufwerke aus. Ansonsten gibt’s für einen Straßenpreis von knapp 1200 Euro eine akkurat und dezent beschichtete massive Holzzarge, einen Aluminium-Sandwich-Plattenteller mit Dämpfungselementen aus Kupfer und Gummi sowie Tellerlager aus Messing – und einen seriös anmutenden Tonarm mit vierfach kugelgelagertem Kardangelenk. Der CS 550 ist ein klassischer Riementriebler mit Präzisionsflachriemen. Wer Singles abspielen will, muss nicht Hand anlegen, sondern nur Daumen und Zeigefinger: Der Gleichstrommotor mit elektronischer Drehzahlregelung kann per Drehschalter von 33 auf 45 Umdrehungen umgeschaltet werden. Hübsches Detail am Rande: Das Gegengewicht des Tonarms liegt nicht mit dem Tonarm auf einer Achse, sondern etwas tiefer – dies sorgt vor allem bei alten, nicht vollständig planen Schallplatten für etwas gutmütigere Ausgleichskräfte beim „Wandern“ der Nadel.
Nun kriegt man ja in dieser Preisklasse häufig schon komplett – mit System – vormontierte Plattenspieler. Wer jedoch weiß, mit welcher Grobschlächtigkeit Paketdienste heute die ihnen anvertraute Ware durch die Gegend klötern, der mag bei Plattenspielern per se nicht recht dem Plug-and-Play-Prinzip vertrauen. Und wer 1200 Euro für einen Plattenspieler hinblättert, der gibt sich vermutlich eh nicht mit einem System von der Stange zufrieden. Bevor also der erste Ton im Hörraum erklingt, muss aufgebaut und justiert werden. Das geht dank des beiliegenden Zubehörs (Unterlegscheiben und Winkelsechskant zur Höhenkorrektur des Tonarms, Montagelehre, Mini-Wasserwaage) jedoch schnell und einfach: Ein unexotisches, aber durchaus klanglich respektables System wie das Ortofon 2M Blue ließ sich trotz der Wurstfinger des Verfassers in weniger als 15 Minuten anbauen und justieren.
Nun aber senken wir den herrlich sämig-langsam laufenden Tonarmlift herab und hören Nikki Suddens todtraurige Ballade „When I Cross The Line“. Der 2006 verstorbene Musiker spielt eine dürre akustische Gitarre und wehklagt dazu ganz erheblich. Mehr wird nicht geboten, umso besser kann man mit diesem Song einem Schallplattenspieler hinsichtlich Gleichlaufschwankungen und der Tendenz zu Nebengeräuschen auf den Zahn fühlen. Alles blitzsauber beim Dual! Die einsam verklingenden Gitarrentöne erscheinen klar, sauber, authentisch. Schön ist auch, wie der CS 550 im Verbund mit dem Ortofon-Tonabnehmer die Stimme im Raum manifestiert. Hier stört nichts, keine ungewollten Nebengeräusche trüben die intime Atmosphäre dieses Songs.
Nehmen wir mal ein paar Instrumente hinzu: Die Doors mit „Riders On The Storm“ zeigen sich über den Dual CS 550 angenehm sinister. Erfreulich satt und substanziell baut sich die stets in Bewegung befindliche Basslinie auf. Das Fender Rhodes wird in seiner ganzen schillernden klanglichen Bandbreite dargeboten – von den sanft-katzenpfötigen Arpeggien bis hin zum fetten Quäken im Soloteil. Gut und der Preisklasse angemessen auch der Detailreichtum bei den Vocals – wir hören das parallel zur Gesangsspur aufgenommene Flüstern von Jim Morrison deutlich und erschaudern zart. Nicht zuletzt hat das periodisch einsetzende dumpfe Donnergrollen recht viel Substanz. Übrigens: Merklich mehr Substanz als beim typischen Brettspieler der Einsteigerklasse, der ein etwas dünneres, von den Mitten ausgehendes Klangbild liefert.
Ganz generell scheint mir der CS 550 mehr vom Grundton her zu agieren. So lässt sich mit ihm auch Material verköstigen, das über eher mittenorientierte Komponenten zuweilen ins Unerträgliche lappt. Man denke nur an das Album New Day Rising von Hüsker Dü. Ich glaube ja bis heute, dass beim Mastering Alkohol im Spiel war und irgendwer versehentlich alle Frequenzen unterhalb von 700 Hertz steilflankig weggedreht hat. Über den Dual CS 550 ist tatsächlich so etwas wie Bass zu erahnen, die Platte macht hier sogar Spaß, wenn man nicht der Play-Loud-Philosophie folgt, sondern in Zimmerlautstärke mosht.
Andererseits ist der CS 550 dynamisch vielleicht nicht ganz so spritzig wie ausgewiesene PRAT-Spezialisten. Wenn’s drum geht, schnelle Lastwechsel abzubilden, scheint mir der Rega einen Tick antrittsschneller zu spielen. „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana geht über den Rega mit mehr Verve in den Refrain als über den Dual – dafür allerdings kommt der Bass untenrum nicht ganz so mächtig und definiert.
Wer bis hier aufmerksam mitgelesen hat, der wird zu einem ähnlichen Schluss kommen wie auch ich in langen, genussvollen Hörsessions: Die ideale Musik für den Dual-Dreher ist – nach meinem Empfinden – klassischer, nicht allzu experimenteller Jazz. Gerade bei hochwertigen Verve- und Blue-Note-Aufnahmen erfreuen die vom CS 550 ausgehende Ruhe und Entspanntheit „über alles“. Balladeske Stücke haben viel dunklen Hintergrund und Strahlkraft, der insgesamt naturalistische Antritt des Dual-Plattenspielers bekommt akustischen Instrumenten vom Kontrabass bis zur Gretsch-Gitarre und vom Baritonsaxofon bis zur Querflöte sehr gut. Gleiches gilt bis zu gewissen Grenzen auch für Klassik; allein, wer auf ganz großes Orchesterwerk steht, der könnte sich plötzlich einsetzende Tutti noch ein Stück weit markanter wünschen. Kammermusik hingegen ist auch wieder ein Heimspiel für den Dual.
Was bleibt? Das gute Gefühl, unter dem Namen Dual endlich mal wieder solide einheimische Handwerkskunst erwerben zu können – mit Spielfreude und einem gleichermaßen sonoren wie relaxten Auftritt. Der CS 550 ist ein vollständig allürenfreier No-Nonsense-Spieler, der statt technischer Sperenzchen ganz klar auf Langlebigkeit setzt. In Berlin würde man sagen: Schönet Ding!
Klassischer Plattenspieler made in Germany: Eine Legende, die zur Freude des klammen Audiophilen wieder auf eigenen Beinen steht.
Plattenspieler Dual CS 550
Funktionsprinzip: Riemenantrieb mit elektronisch geregeltem Gleichstrommotor
Geschwindigkeiten: 33 und 45 U/min
Gleichlaufschwankungen: 0,05
Störspannungsabstand: 48 db (Rumpel) bzw. 72 dB (Rumpel/Geräuschspannung)
Effektive Tonarmlänge: 218 mm
Maße (B/H/T): 44/13,5/17 cm
Gewicht: 8,3 kg
Preis: 1200 €
Garantiezeit: 2 Jahre