MoFi UltraDeck – Der schwarze Block
Völker, hört die analogen Signale: Mobile Fidelity, eine Legende des Vinyl-Masterings, macht jetzt auch Plattenspieler. Mit dem MoFi UltraDeck gibt es High End zum Kampfpreis.
Aus heutiger Sicht ist es nicht mehr so recht vorstellbar, aber: Auch früher wurde alles immer schlechter. In den siebziger Jahren zum Beispiel. Mit Wehmut dachte so manch einer zurück an die Zeit, als das Schellackzeitalter justament beendet war. Ja, damals, in den Fünfzigern und Sechzigern! Das war noch Vinylqualität, von der konnte man hernach nur noch träumen! Wie grauslich dagegen das Jahrzehnt der Ölkrise: Schallplatten wurden zu einem typischen Massenprodukt, bei dem zu Lasten der Qualität immer mehr gespart wurde. Immer leichtgewichtiger das Material, und immer unreiner. Es knisterte, es sprang, mehr Störgeräusche und Artefakte aus dem Presswerk als Höhen und Bässe. Ausgerechnet da schlug die Stunde der Firma Mobile Fidelity Sound Lab: Hatte man, als Welt und Vinyl noch in Ordnung waren, Schallplatten eher abseitigen Inhalts – Dampflokomotivengeräusche, Windrauschen und Donnergrollen – veröffentlicht, so stellte man nun auf ein anderes Geschäftsmodell um: Man nahm Lizenzen großer Plattenfirmen und veröffentlichte deren „Greatest Hits“ erneut – aber auf ausgezeichnetem Vinylmaterial und in aufwendigem Remastering: 1979 erschien Pink Floyds The Dark Side Of The Moon in einer audiophilen Neuveröffentlichung. Mobile Fidelity wurde zu einer festen Größe des gehobenen Vinylgenusses.
Seitdem ist viel passiert. Erst kam die CD, dann die SACD, dann Compact Discs aus 24-karätigem Gold. Im Zuge dessen verschwand Mobile Fidelity eines Tages wegen Insolvenz von der Bildfläche. Durch einen Aufkauf neu belebt, tauchte die Firma im neuen Jahrtausend wieder auf, passend zum Retro-Trend, der dem Vinyl neue Käufer beschert. Seither gibt es wieder die in einem „Halfspeed Mastering“ genannten Verfahren produzierten Platten, bei dem die Rillen mit der Hälfte der Geschwindigkeit ins Vinyl eingebracht werden. Ferner wird das Master noch einmal direkt von den Magnetbandaufnahmen gezogen, weswegen – so will es die Legende – die originalen Beatles-Bänder zum ersten und einzigen Mal die Abbey Road Studios verließen.
Aber das ist eine andere Geschichte. Der neueste Streich aus dem Hause Mobile Fidelity: eigene Abspielgeräte für die Vinylpreziosen. Von der neuen Unternehmenssparte Mobile Fidelity Electronics gibt es nun neben einer Phonovorstufe und drei MM-Tonabnehmern mit dem StudioDeck und dem UltraDeck zwei Schallplattenspieler, wobei letzterer das Topmodell darstellt.
Nun kann die Welt des High Ends mitunter grausam sein. Schönheit ist kein Wert an sich und gilt ohnehin nur für den Klang als solchen. Schon der Hinweis auf eine gelungene Geräteoptik scheint oft verdächtig, wo es doch nicht auf gutes Aussehen, sondern auf die inneren Werte (Präzision, Neutralität) ankommt. Doch beim UltraDeck kommt auch der Purist nicht vorbei an der Erkenntnis, dass es sich um ein Schmuckstück handelt: So schwarz wie der Plattenspieler ist sonst nur das Vinyl, das auf seinem Teller liegt. Der orange Riemen setzt einen schönen Farbakzent, der mit dem beleuchteten Start-Taster korrespondiert. Dieser ist übrigens den Bedienelementen von Studer-Bandmaschinen nachempfunden, eine Referenz an das Mastering-Erbe von Mobile Fidelity. Das orangefarbene Licht scheint auch durch die schwarze Abdeckhaube, die heruntergeklappt aus dem UltraDeck einen schwarzen Block macht, der das Ensemble in etwa so wirken lässt wie einen Schneewittchensarg des Bösen.
Doch genug damit. Bei aller Schönheit ist das UltraDeck auch um innere Werte nicht verlegen. Das zeigt sich bereits beim Aufbau des Plattenspielers: Das MDF-Chassis besteht aus drei Lagen und macht einen enorm steifen Eindruck. Es ruht auf vier Gerätefüßen des Herstellers HRS. Damit ist nicht nur eine robuste Entkoppelung gewährleistet, durch ihre Höhenverstellung erlauben sie auch ein einfaches Austarieren des Laufwerks. Lange Arbeiten an der horizontalen Stellung waren beim Testaufbau jedenfalls nicht erforderlich.
Der Plattenteller fällt recht hoch aus und bringt rund drei Kilogramm auf die Waage; das Gewicht findet in einer Wulst auf der Unterseite seinen Schwerpunkt. Die Lagerhülse mit Saphirspiegel kreist auf einem invertierten Lager. Gefertigt ist der Teller aus Polyacetal, ein Kunststoff, der so steif und fest wie Metall ist und üblicherweise verwendet wird, wenn es um besonders intensive mechanische Belastungen geht – Zahnräder beispielsweise. Angetrieben wird der Teller durch bereits erwähnten Riemen, der Wechselstrommotor schaut aus einer Zarge im Chassis hervor. Die Geschwindigkeitswahl – 33 oder 45 U/min – erfolgt durch Umlegen des Riemens am Pulley.
Das MoFi UltraDeck kommt mit einem hauseigenen kardanisch gelagerten Tonarm von zehn Zoll Länge und mit VTA-Einstellmöglichkeit. In der Spur gehalten wird er durch ein Antiskating-Gewicht am Faden. Bei der Justage zeigt sich die Liebe zum Detail: Die Schlaufe ist nicht als bloßer transparenter Nylonfaden ausgeführt, stattdessen erleichtert ein schwarzer und daher gut sichtbarer Ring den Weg auf den mit vier Rillen ausgestatteten Pin. Auch älteren Mitmenschen wie dem Chronisten ist es dadurch möglich, den Plattenspieler in Betrieb zu nehmen, ohne die ganze Wohnung nach dem Verbleib von Monokel und Leselupe zu durchkämmen. Das Aufsteckgewicht kann man ohnehin nicht übersehen, es ist recht wuchtig, eingliedrig und wird nach dem Aufstecken in Position gedreht.
Das Testgerät kam als Bundle mit dem zugehörigen Tonabnehmer UltraTracker, der auch separat zu haben ist und mit rund 550 Euro zu Buche schlüge. Es handelt sich um ein MM-System mit elliptisch geschliffenem Diamanten, das mit 9,7 Gramm einigermaßen schwer ausfällt, was in Sachen Resonanzarmut als vorteilhaft gilt.
Wie das UltraDeck da so steht und darauf wartet, dass die Nadel sich ganz langsam senkt, kommt es schon einer Kampfansage gleich: In dieser Konfiguration sind nur wenig mehr als 2000 Euro zu entrichten; den kleineren Bruder, das StudioDeck mit leichterem Teller und in einfacherer Bauweise, gibt es bereits ab knapp 1200 Euro. Gefertigt werden die MoFi-Plattenspieler in den Vereinigten Staaten, konzipiert hat sie Allen Perkins, einer der wesentlichen Köpfe des zeitgenössischen Analogdesigns. Aufgrund dessen und mit dieser Firmengeschichte im Hintergrund darf man also einiges vom UltraDeck erwarten: eine Wiedergabe, die die Vorzüge des Vinyls auf audiophilem Level zur Geltung bringt. Druckvoll und klar, räumlich, tonal und rhythmisch präzise. Spannend: Kann der das?
Überprüfen ließe sich dies am sinnfälligsten natürlich mit einer Pressung des Mobile Fidelity Sound Labs. Sträflicherweise ist eine solche im Testhaushalt nicht vorhanden. Aber machen wir uns doch mal den Spaß, den Irrungen und Wirrungen der Remastering-Anstrengungen nachzugehen. Die UK-Version von Out Of Our Heads der Rolling Stones bietet sich da als Versuchsobjekt an. Kurz nach der Jahrtausendwende erschienen die alten Schätzchen der Stones noch einmal auf 180-Gramm-Vinyl, nachdem man die Aufnahmen einem DSD-Remastering unterzogen hatte – wohlgemerkt ein digitales Mastering, das eigentlich der Aufbereitung des Materials für SACD diente. Der MoFi-Plattenspieler läuft komplett geräuschlos an, einige gespannte Momente der Ruhe, während der Saphir es sich in der Rille gemütlich macht, und dann: „She Said Yeah“! Das sollen die Rolling Stones sein? Im Jahr 1965? Die sonische Qualität lässt eher vermuten, dass es sich um eine Coverversion der Foo Fighters handelt. Der Basseinsatz mit den langen Haltenoten steht im Raum wie ein Monolith, drumherum musizieren die Stones wie eine wildgewordene Punkband. Man mag über den Sinn und Unsinn solcher Klangbearbeitungen zeitgeschichtlicher Tondokumente trefflich streiten. Aber das UltraDeck zeigt die Kosmetik in jedem Pinselstrich, was der Meinungsbildung eine solide Basis verschafft. Auch die Klangdifferenzen der einzelnen Tracks, die in verschiedenen Studios mit völlig unterschiedlichem Setup und Ergebnis aufgenommen wurden, lassen sich herrlich nachverfolgen. Und der enorme Druck, das voll ausgebaute Bassfundament, kommt nicht nur vom Remastering, so viel steht nach ein paar Takten fest.
Nun ist der Vinyl-Boom der letzten Jahre sicher nicht durch Altrocker ausgelöst worden, die auf der Suche nach den neuesten Remastering-Experimenten sind. Befreien wir also das Doppelalbum Peace Is Tough der Berliner Elektronik-Combo Terranova aus dem Innencover: Hier bestehen die Bässe mitunter aus elektronisch erzeugten Störgeräuschen, in den Mitten ereignet sich außer Pad-Sounds nahezu gar nichts, wohingegen sich im oberen Spektrum ein dichtes Allerlei zeigt: Becken aus weißem Rauschen, überlagert von modulierten Hiss-Noises, elektronisches Gesirre, Geflirre und Geklirre mit zum Teil absurd kurzen Einschwingzeiten: Dieses Sound-Puzzle entwirrt das UltraDeck mühelos und sortiert die eng beieinanderliegenden Klangereignisse akkurat auseinander. Auch gegenteilige Anforderungen bewältigt der MoFi-Plattenspieler, etwa wenn Paul Damjakob an der Würzburger Domorgel improvisiert: Hier sind die Klangereignisse eher flächig, dafür aber räumlich extrem gespreizt. Das UltraDeck löst herrlich auf, gibt Aufschluss über den Raum und offenbart dem Kenner feinste Details der Orgeldisposition.
In nahezu jeder musikalischen Lage erweist sich das UltraDeck als hochkompetent. Die Wiedergabe ist stets wahrhaftig, transparent und präzise. Was den Schallplattenspieler aber wirklich auszeichnet, ist seine enorme Musikalität: Nie wirkt die Wiedergabe spröde und blutleer, sondern stets frisch und voller Leben. Und bei einem so ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis darf man nun wirklich gespannt sein, was in Zukunft im Hause Mobile Fidelity entwickelt wird. Mit dem MasterTracker gibt es immerhin schon ein Spitzenmodell unter den Tonabnehmern. Sollte ihm vielleicht eines Tages ein „MasterDeck“ als Top-of-the-Line-Plattenspieler folgen? Nach den Erfahrungen mit dem UltraDeck wäre das keine schlechte Idee.
Funktionsprinzip: riemengetriebener Schallplattenspieler
Geschwindigkeiten: 33 und 45 U/min
Tonarm: 10″, kardanisch
Besonderheiten: Abdeckhaube
Tonabnehmer: Moving Magnet, Nude-Elliptical-Schliff, Ausgangsspannung 3.5 mV, Aluminiumgehäuse
Stellfläche (B/H/T): 500/360/150 mm
Gewicht: 12 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 2000 € (im Bundle mit Tonabnehmer MoFi UltraTracker 2200 €, Einzelpreis: 550 €)