Classidelity: Frans Brüggen, Orchestra of the Eighteenth Century: Beethoven – 9 Sinfonien
Sicher, diese Aufnahme ist nicht mehr ganz taufrisch, aber doch so aktuell, um an den im August verstorbenen Frans Brüggen zu erinnern. Brüggen, der Blockflötenvirtuose, ist in den letzten Jahren ausschließlich als Dirigent in Erscheinung getreten. Die vorliegende Aufnahme aller Sinfonien Beethovens ist bereits seine zweite Gesamteinspielung. Reihte sich die erste Einspielung aus den frühen 90er Jahren noch ganz in den revolutionären Ausrufezeichengestus eines Norrington ein, so hinterlässt diese Aufnahme ein ganz großes Fragezeichen.
Exemplarisch steht hier der Kopfsatz der „Eroica“, der zunächst sehr langsam und beinahe zäh in Brüggens Spielweise erscheint. Je länger man hineinhört, desto verwirrter ist man. Hier fehlt jeder revolutionäre Gestus, dennoch ist die Revolution als Erinnerung da. Mehr noch, es ist ein postapokalyptisches Fanal, das hier zu hören ist. Ins Düstere abgedunkelt, qualvoll ineinanderschiebend lässt Brüggen die Klangblöcke der Durchführung musizieren, die berühmten Hemiolenschläge evozieren keinen Aufbruch, sondern nur den totalen Zusammenbruch. Ähnliches findet sich auch im Gewittersatz der „Pastorale“. Brüggen lässt die Pauken beim abziehenden Gewitter nicht im Off verschwinden, sondern betont diese mit lauten, harten Schlägen, als ob der Gang aufs Schafott unmittelbar bevorstünde. Das ist zweifellos ein Beethoven für Fortgeschrittene, ein Zyklus, der alle Gewissheiten über Bord wirft und den Hörer mit einem großen schwarzen Loch zurücklässt. Ein wirkliches Vermächtnis.