Classidelity: Hilary Hahn: In 27 Pieces – The Hilary Hahn Encores
Eine Zugabe kann eine lyrische Melodie sein oder ein virtuoses Capriccio. Sie kann ein Stück aus einem Präludienzyklus sein oder der Schlusssatz einer Sonate. Zugaben sind kein eigenes Genre. Zugaben werden Zugaben erst durch ihren Gebrauch als Konzert-Nachschlag, als musikalisches Dessert, als Liebeserklärung des Künstlers ans Publikum. Hilary Hahn, die 34-jährige Amerikanerin mit deutschen Wurzeln, sieht das anders: Sie hat brandneue Zugabenstücke in Auftrag gegeben, gleich 26 Stück auf einen Streich, und ein 27. Stück kam als Ergebnis eines kleinen Kompositionswettbewerbs noch hinzu.
Welches der 27 das Wettbewerbs-Stück ist, verrät die kluge Geigerin allerdings nicht. Die Galerie der auf ihrer Doppel-CD vertretenen Zugaben-Komponisten reicht von Einojuhani Rautavaara und Somei Satoh bis Mark-Anthony Turnage und Jennifer Higdon und schließt noch viele andere interessante Namen ein. Entsprechend bunt und unberechenbar fiel die Mischung der Stücke aus – zwischen neutönerisch und neoklassisch, zwischen asiatisch-meditativ und mitreißend-motorisch, aber in jedem Fall fordernd virtuos: spannende Facetten einer modernen Welt voller Musik. Die Geigerin mit dem vielfältigen Ton und dem vieldeutigen Lächeln hat sich da wieder einmal etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Eine wunderbare Idee! Faszinierende Kompositionen! Eine umwerfende geigerische Umsetzung! 27 musikalische Liebeserklärungen in spe: Man darf gespannt sein, ob einige von ihnen tatsächlich den Weg ins Zugaben-Repertoire anderer Violinisten finden.