Avantgarde Acoustic Uno XD – Perfekte Möblierung
Eigentlich war zwischen Testlabor und Wohnzimmer nur eine kurze Verschnaufpause für die kleine Avantgarde Acoustic eingeplant. Doch von wegen „kurz“ und „klein“: Beim Zwischenstopp fasziniert uns die Uno XD derart, dass wir das Weiterschicken glatt „vergessen“!
Manche Überraschungsgäste dürfen gerne länger bleiben. Die Uno XD von Avantgarde Acoustic zum Beispiel. Kaum hat sie ihre technische Prüfung mit Bravour abgelegt (siehe Messungen in FIDELITY Nr. 32) und das Blitzlichtgewitter im Fotostudio graziös gemeistert, weiß sie plötzlich nicht mehr so recht, wohin. Ihr designierter Besitzer ist überraschend verhindert, die „Kleine“ hat unerwartet ein paar Tage frei. Kurzerhand bietet ihr das Wellness-Team von FIDELITY ein erstklassig möbliertes Zimmer (aka Hörraum) als Interimslösung an und – zack – schon ist’s passiert: Die Uno XD, kaum verbandelt mit dem Rest der High-End-WG, wickelt nicht nur mich glatt um den Finger.
Diese klitzekleine, mitunter aber zwischen Wohl und Wehe entscheidende Lücke ist mittlerweile geschlossen, wurde geschickt „weggerechnet“ und „weggepowert“. Zudem verkündet die Uno XD ihre akustische Geschlossenheit gegenüber der G2 und früheren Varianten auch gestalterisch: „One-box-Design“ statt offen modularem Aufbau ist angesagt. Ihr nunmehr völlig breitbandiger, auch in tiefen und tiefsten Lagen unmittelbar anspringender Klang entgeht mir selbst beim harmlosen Vorbeischlendern im Flur nicht, selbst bei geschlossener Tür. Ach, was soll’s, der Schreibtisch kann warten. Ich will einfach mal wieder in meinen mitgebrachten Scheiben stöbern, ein wenig Musik genießen – und biege kurzerhand in den Hörraum ab …
So euphorisch kenne ich ihn eigentlich eher nicht. Selbst Superduperboxen entlocken ihm oft ein nur mühsam unterdrücktes Gähnen. Also streiche ich den Plan, über die Uno XD selbst zu schreiben, und überlasse dem vermeintlichen Spontanhörer (tatsächlich ist Herr von D. bereits das dritte Mal heimlich bei Fräulein Uno zu Besuch!) auch weiterhin Hörraum und Sofa. Und meinen Laptop. Noch während ich das MacBook Pro zwei Räume weiter von meinem Schreibtisch klaube, erschüttern schon die nächsten Experimentalklänge den FIDELITY-Seitentrakt.
Was er nur hat, der Cai Brockmann. „Experimentell“ ist aus meiner Sicht nichts von dem, womit ich die wunderbare Kombination aus Audio Note (CD-Laufwerk), TechDAS (Plattenspieler), Tidal (Preamp), Air Tight (Röhrenmonos) und eben diese Traumhörner füttere. Ich erweise eigentlich nur dem Umstand die Reverenz, dass die Avantgarde Acoustic Uno XD förmlich nach etwas ruft, das ich „Abgehmusik“ nenne. Software mit immanentem Wumms sozusagen, die diesem Ausnahmelautsprecher erlaubt, sein ganzes Können zu zeigen, seine streckenweise äußerst überraschenden Talente in die Waagschale zu werfen und meinen persönlichen Geschmack damit besser zu treffen, als dies mancher (zum Teil erheblich teureren) Box im Laufe der Jahre gelungen ist.
Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass mein Hörner-Horizont (zu) lange in einer Ära verharrte, in denen Hornkonstruktionen zwar Wirkungsgradmonster waren und Pegel fast ohne Ende aus vergleichsweise geringen Verstärkerleistungen generierten, aber tonal mehr oder weniger ungeniert verfärbten und verzerrten. Das war freilich vorvorgestern und hat mit der Horn-Realität des Jahres 2017 überhaupt nichts mehr zu tun. Würde ich diese schön anzuschauenden Hornschallwandler zwecks Blindtest hinter einem Vorhang verbergen, die Wahrscheinlichkeit wäre groß, dass die Testhörer ganz weit danebenlägen und rein vom Höreindruck her auf ein konventionelles Lautsprecherprinzip tippen würden.
Als die Toningenieure der Decca das von Riccardo Chailly mit kundiger Hand durch Mahlers Klangmassen gesteuerte Royal Concertgebouw Orchestra für die Ewigkeit festhielten, gelang ihnen in gewisser Hinsicht die Quadratur des Kreises: Ohne die „Sinfonie der Tausend“ ihrer majestätischen Wucht zu entkleiden, wurde der Große Saal des Amsterdamer Concertgebouw im Januar 2000 so differenziert in Nullen und Einsen gebannt, dass der Raum auch ohne Bildzugabe und ohne Surround-Gedöns eine fast dreidimensionale Kontur bekommt. Ein akustisches Hologramm, das über die Avantgarde Acoustic Uno XD scharf umrissen, größenrichtig und farbstark nachgezeichnet wird, ohne die vom Dirigenten angestrebte Balance zu gefährden.
Balance, Stimmigkeit, tonale Richtigkeit im Verein mit größenrichtiger Tiefen- und Breitenstaffelung auch großer Aufnahmeräume sind sozusagen die Signatur der Uno XD. Das geht den Hörnern bei Paul Simons Kultscheibe Graceland so locker vom Schalltrichter wie bei Yellos feiner und basskompetenter Scheibe Touch oder AC/DCs knochentrocken produziertem Album Ballbreaker. Beim Buena Vista Social Club, den einst Ry Cooder für Wim Wenders aus dem Altersheim zurück auf die Bühne brachte, laufen die phänomenalen Hörner sowieso zu maximaler Form auf: prägnante Stimmen, superknackige Percussion, ein Riesenspaß.
Was daran experimentell ist? Nichts. Classic-Rocker und Latin-Adepten schauen erst dann höchst irritiert, wenn ich das Livealbum Neon der Mittelalter-Schwermetaller Subway to Sally auf den Plattenteller des TechDAS-Laufwerks saugen lasse. Eric Fish und seine Mannen nennen ihre neu ge- beziehungsweise erfundene Mischung aus Akustikinstrumenten wie Drehleier und Schalmei mit modernen Synthesizern „Ekustik“. Postmoderne Gratwanderungen mit wohlig-düsteren Texten, auf der Tour so präsent und energiegeladen mitgeschnitten, dass konventionelle, also kurzatmigere Lautsprecher schnell an ihre Grenzen kommen. Die verzerrungsarmen, blitzschnell und formidabel homogen aufspielenden Wunderhörner Uno XD hingegen machen aus diesem ungewöhnlichen Stoff das, als das er gedacht ist – eine Erinnerung an die Zukunft.
Hans von Draminski
Mitspieler:
Plattenspieler: Audio Note TT-2, Clearaudio Innovation, TechDAS AirForce 3
Tonarme: Audio Note Arm 2, Clearaudio TT-II und Universal, Einstein The Tonearm
Tonabnehmer: Audio Note IQ3, Clearaudio DaVinci und Concept MC, Einstein The Pick-up
MC-Übertrager: Audio Note S2
Phonoverstärker: Clearaudio Absolute Phono, Einstein The Turntable’s Choice
Digitalplayer: Audio Note CDT-3/DAC 3, Ayon CD3sx, Gato CDD-1, Marantz HD-CD1, T+A PDP 3000 HV
Musikserver: Audirvana Plus, Roon Music Player
Vorverstärker: Air Tight ATE-2001, Audia Flight FLS-1, Tidal Audio Preos
Endverstärker: Air Tight ATM-3211, Audia Flight FLS-4, Audio Note P2SE, Musical Fidelity M8 500s
Vollverstärker: Cayin CS-100A
Kabel: AudioQuest, Audio Note, HMS, Vovox
Stromversorgung: AudioQuest Niagara 7000, IsoTek Aquarius EVO3
Zubehör: Fastaudio, Harmonix, Sieveking Sound QNR, Subbase Audio
Hornlautsprecher
Avantgarde Acoustic Uno XD
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher mit aktivem Subwoofer
Nomineller Wirkungsgrad (2,83 V/1 m): 107 dB
Nennimpedanz: 18 Ω
Bestückung: sphärisches Hochtonhorn, sphärisches Mitteltonhorn aus lackiertem ABS-Spritzguss, 2 x 25-cm-Tieftöner im geschlossenen Gehäuse, Subwoofer-Endstufe XD-1000
Eingänge Musiksignal: Lautsprecherkabel (Schraubklemmen), Hochpegel symmetrisch (XLR)
Ausgang: Subwoofer out (XLR)
Anschlüsse: USB und LAN für Service/Einmessung, 12-V-Trigger für Ein-/Ausschalt-Automatik
Leistung Subwoofer-Verstärker: 1000 W
Besonderheiten: Mitteltöner ohne Frequenzweiche, Soundprozessor (DSP-Modul) zur Feinanpassung des Subwoofers an Raumakustik und persönlichen Klanggeschmack; abnehmbare Frontbespannung; Helligkeit der LED-Betriebsanzeige des Subwoofers regelbar
Ausführungen: Korpus in Schwarz, Weiß, Zebrano oder Tiger Rosewood, Hörner in elf Standardfarben, optionale Sonderwünsche gegen Mehrpreis
Größe (B/H/T): 50/138/53 cm
Gewicht: 74 kg
Garantiezeit: Elektronik 2 Jahre, Treiber 5 Jahre, Material (Metall, Holz, Hörner) 10 Jahre
Paarpreis: 22600 €