Inklang Advanced Line 17.5
Farbenspiele
Früher haben wir uns breite, furnierte Kisten von Klipsch oder JBL in die Wohnung gestellt, die den Raum dominierten. Das hat uns aber nicht gestört, im Gegenteil, man konnte sogar stolz darauf sein: je breiter desto besser. Dass Lautsprecher den Raum prägen, war damals nicht verpönt, sondern erwünscht. Diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei. Lautsprecher müssen heutzutage nicht nur gut klingen, sondern auch gut aussehen – wenn sie schon nicht unsichtbar sein können.
Die Hamburger Manufaktur Inklang trägt diesem Wunsch nach Design, das sich möglichst perfekt ins Wohnumfeld integrieren lässt, konsequent Rechnung. Natürlich nicht ohne die eigentliche Bestimmung eines Lautsprechers, die möglichst originalgetreue Wiedergabe von Musik, zu vernachlässigen. Bei unserem Testmodell 17.5 aus der Advanced Line handelt es sich um das Flaggschiff der Hanseaten, das wir inklusive des aufpreispflichtigen Referenzupgrades, das eine bessere Frequenzweiche mit Mundorf-Bestückung umfasst, geordert haben. Erfahrungen früherer Tests lehrten uns, dass diese 250 Extraeuro eine äußerst lohnenswerte Investition darstellen. Mit Sicherheit ist die 17.5 auch mit ihrer Standardweiche schon ein sehr guter Lautsprecher, aber das Upgrade, das durch ein kleines Stofffähnchen am Bi-Wiring-Terminal gekennzeichnet ist, öffnet ihr die Tür zur High-End-Liga. Sie klingt damit freier, offener und lebendiger. Unabhängig davon, befindet sich die Beschaltung bei Inklang geschützt in einer eigenen kleinen Kammer innerhalb des Gehäuses.
Von außen wirkt die 17.5 sehr elegant, ihre umlaufende Fase lässt sie noch schlanker wirken, als sie ohnehin ist. Die maus-, Entschuldigung: muschelgraue Lackierung unseres Testexemplares gefällt mir außerordentlich gut, gerade weil sie so unauffällig, aber doch makellos ausgeführt ist und äußerst vornehm wirkt. Aber für extrovertiertere Charaktere hält Inklang eine gewaltige Farbpalette bereit, die auch ausgefallene Wünsche verwirklichen kann. Wählen Sie im praktischen Online-Konfigurator einfach aus rund 2000 NCS-Farben, dem Farbfächer von Farrow & Ball oder bestimmen Sie ihre Wunschfarbe ganz individuell auf Basis eigener Farbmuster. Für nur rund 120 Euro Aufpreis sind die Möglichkeiten praktisch grenzenlos. Sie können die 17.5 dezent im Raum verschwinden lassen oder ein mutiges optisches Statement in Regenbogenfarben setzen. Das Beste daran: Die Farbe beeinflusst den Klang in keiner Weise.
Aufbau und Innenleben der 17.5 sind für Lautsprecher dieser Preisklasse – das Topmodell kostet bei Inklang in etwa so viel wie Einsteigerboxen renommierter High-End-Hersteller – sehr elaboriert. Das MDF-Gehäuse ist an der Schallwand beachtliche vier Zentimeter stark und im Inneren durch Verstrebungen beruhigt. Schwerfolie an den Innenwänden dämpft Resonanzen sehr effektiv und erhöht das Gewicht auf satte 37 Kilo pro Box. Um den zentralen Hochtöner mit 29-mm-Kalotte aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung gruppieren sich je Box zwei 12-cm-Mittel- sowie zwei 18-cm-Tieftöner mit Aluminiummembran und Phaseplug zur Ableitung der entstehenden Reibungshitze. Fachleute sprechen bei dieser Treiberverteilung von einer d’Appolito-Anordnung, die sich positiv auf den räumlichen Eindruck auswirkt, da sie die erste Reflexion von Boden oder Decke weniger prägnant wirken lässt. Den beiden Tieftönern steht fast das gesamte Volumen des Gehäuses zur Verfügung, zwei Bassreflexrohre im Heck helfen ihnen, frei durchzuatmen. Mittel- und Hochtöner teilen sich eine eigene geschlossene Kammer, wodurch sie von Druckschwankungen unbehelligt bleiben. Alle Chassis stammen vom norwegischen Spezialisten SEAS. Zwei Paar griffige vergoldete Polklemmen erlauben Bi-Wiring oder auch Bi-Amping – verzichtet man auf beides, sollte man zumindest die ebenfalls vergoldeten Blechbrücken durch kurze Kabelstücke ersetzen. Mein Tipp: Bleiben Sie bei einem Verstärker und einem Lautsprecherkabel, greifen Sie dafür aber etwas höher ins Regal – die 17.5 wird es Ihnen mit höherer Auflösung und Feindynamik danken.
Das trotz der schmalen Linie eindrucksvoll massiv wirkende Topmodell von Inklang ist für größere Räume bis zu 70 Quadratmeter konzipiert und verlangt nach entsprechender Leistung. Für Fans von Class-A-Röhren oder Bewohner winziger Kemenaten ist sie nicht die richtige Wahl, wobei zumindest letztere bei Inklang trotzdem fündig werden können. Bleiben Sie vernünftig, wenn Sie einen kleinen Raum beschallen wollen, und orientieren Sie sich in der Produktpalette einen bis zwei Schritte nach unten: Sie werden auf nichts verzichten müssen, sondern im Gegenteil sogar dazugewinnen. Ich erinnere mich noch gut an den Test der kompakten Inklang 13.2, ebenfalls der Advanced Line zugehörig, die in meinem sehr kleinen Büro nicht schlechter spielte als die große 17.5, die aber das Büro dafür luftiger wirken ließ. Ihr volles Potential konnte die stattlichere 17.5 erst im gut 33 qm großen FIDELITY-Hörraum voll ausspielen. Dort konnten sich ihre staubtrockenen und fulminanten Bässe artgerecht entfalten, ohne wie im zu kleinen Raum ungebührlich dominant zu werden. Die Präzision des erstaunlich tief noch Druck liefernden Basses kann durch ankoppelnde Spikes sogar noch verbessert werden. Zusätzlich zu den Standardfüßen liefert Inklang auch noch clever konstruierte Aluminium-Spikes, deren breiter Kragen über den die Spitze aufnehmenden Teller ragt. Auf diese Weise lässt sich der Lautsprecher sogar auf Spikes noch vorsichtig verschieben, ohne um das wertvolle Parkett bangen zu müssen.
Im redaktionellen Hörraum trat ein ungewohntes Luxusproblem auf: Die Inklang 17.5 ist im Vergleich zur verfügbaren Elektronik einfach zu günstig. Eine realistische Paarung ergab sich am ehesten noch mit dem neuen E-270, dem kleinsten Integrierten von Accuphase, oder dem Geheimtipp Hegel H360, der übrigens wie die Treiber der 17.5 aus Oslo stammt. Zwar klang die Röhrenkombi aus The Preamp und zwei Silver Bullets von Einstein grandios an den Inklang, die währenddessen auch keine Schüchternheit oder mangelndes Selbstbewusstsein zeigten, aber rund 60000 Euro muss einem dieses Erlebnis an 5000-Euro-Schallwandlern erst einmal wert sein. Auch das Transistorgespann von Gato aus PRD-3S und PWR-222-Monos muss mit rund 17000 Euro als etwas überdimensioniert bezeichnet werden, auch wenn diese Kombination klanglich und optisch einfach grandios stimmig rüberkam. Die Gato-Endstufen hatten die 17.5 fest im Griff und ließen ihr doch den nötigen Spielraum, sich auszutoben und durch sowohl präzise wie luftig-transparente Raumdarstellung zu begeistern. Um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen, habe ich mich aber dann doch auf die beiden Integrierten von Accuphase und Hegel beschränkt, die wie die Lautsprecher um die 5000 Euro kosten. Das Signal in Form des neuen Albums If All I Was Was Black von Soul-Legende Mavis Staples in Koproduktion mit Wilco-Mastermind Jeff Tweedy kam durchgehend vom Gato-CD-Player CDD-1. Schnell schälten sich das Titelstück und „Little Bit“ dieses großartigen Albums als Lieblingsstücke und bevorzugte Testmusik heraus. Beim schweren Southern-Soul-Groove von „Little Bit“ machte der Hegel dank brachialer Leistung und hohem Dämpfungsfaktor keine Gefangenen: der einfache Basslauf stand wie gestanzt im Raum, während einem die dunkle, leicht rauchige Stimme der wohl talentiertesten Sängerin aus dem Staples-Clan wohlige Schauer über den Rücken jagte – ziemlich beachtlich für einen Lautsprecher dieser Preisklasse, der allürenlos und ohne High-End-Nimbus antritt. Der Hegel H360 betonte die Modernität der zeitgenössischen Produktion mit klarem Fokus und definierten Kanten, die 17.5 folgte ihm jederzeit antrittsschnell und im Hochton sehr fein auflösend. Ein wenig anders, aber beileibe keinen Deut weniger überzeugend, ging der als Klassenbester gesetzte Accuphase E-270 zu Werke. Insgesamt spielte er ein wenig wärmer, im Sinne des Sixties-Soul vielleicht sogar authentischer, und insbesondere im Mittenbereich ausgeschmückter, aber dafür nicht ganz so zackig flink wie der eher nüchterne Skandinavier von Hegel, der aber gerade deshalb so gut mit den unaufgeregt abgestimmten Inklang-Lautsprechern harmonierte. Zumindest mir fiele es sehr schwer, mich für einen der beiden Vollverstärker entscheiden zu müssen. Schon wieder eines dieser Luxusprobleme, die Sie sich unbedingt auch einmal gönnen sollten. In den Genuss eines solchen Dilemmas zu kommen, kostet bei Inklang gerade mal 5000 Euro, für die man ein Paar Lautsprecher erhält, die Unterschiede der Elektronik glasklar herausarbeiten und die dank ihres hohen Individualisierungsgrades sicherlich besser in Ihre Wohnung passen, als Sie sich das momentan vorstellen können. Akustisch verschwindet die Inklang Advanced Line 17.5 mit etwas Geschick bei der Aufstellung ohnehin völlig.
Lautsprecher Inklang Advanced Line 17.5
Funktionsprinzip: 3-Wege-Bassreflex in D’Appolito-Konfiguration
Frequenzgang: 35–25000 Hz (-3 dB)
Impedanz: 4 Ohm
Übergangsfrequenzen: 270 Hz, 3800 Hz
Ausführungen: Fünf-Schicht-Lackierung in 10 Farben, weitere Lackierungen gegen Aufpreis. Referenzupgrade gegen Aufpreis
Maße (H/B/T): 117/20/39 cm
Gewicht: 37 kg
Paarpreis: ab 5000 Euro