Absprung vom Luftschiff – der neue alte Robert Plant
Er hält sich nicht mit den Lorbeeren von gestern auf. Stattdessen erkundet er neue Klangwelten zwischen Sahara und Mississippi. Die Stimme des 2009 geadelten Briten wächst mit seinem musikalischen Horizont.
Ach, die alten, peinlichen Rockhelden! Die könnt ihr doch alle in der Pfeife rauchen! Immer wieder kommen sie uns mit den ollen Schoten! Lassen ihre Saurier-Bands zehnmal wieder aufleben! Covern sich ständig selbst! Hopsen als Siebzigjährige noch mit den Songs herum, die sie als Zwanzigjährige geschrieben haben! Wollen dabei noch ernst genommen werden! Vergesst sie einfach!
Nur einen nicht: Robert Plant. Ja, das ist der, der wie ein „Black Dog“ heulen konnte, der „Whole Lotta Love“ zu verschenken hatte und alles über den „Stairway To Heaven“ wusste. Die Stimme von Led Zeppelin. 1980 ging es zu Ende mit der Band: Ohne John Bonham, ihren Drummer, wollten sie nicht weitermachen. Und damit begann für Plant, Page und Jones – wie für alle Überlebenden der großen Rockära – das Umherirren im Labyrinth der selbst geschaffenen Geschichte. Wenige fanden den Ausweg, auch Robert Plant lange Zeit nicht. Am Ende zeigte ihm die Vergangenheit den Weg in die Zukunft: Schon LedZep hatten ja ein innovatives Händchen mit Folk-Sounds, hantierten fantasievoll mit Blues-Traditionen, setzten orientalische Streicherklänge ein. Plant ging diesen Weg weiter, reiste ins Atlas-Gebirge und in die Sahara, versenkte sich in kalifornische Psychedelik und archaischen Südstaaten-Blues, erforschte die Appalachen und die Levante und den Rock der Wüstennomaden. Arbeitete auch mit Afro Celt Sound System und marokkanischen Streichern. Fand neue, multikulturelle Klangvisionen für seine Stimme, die nun tiefer und intimer tönt. Schaffte den Absprung vom Luftschiff.
Deshalb beginnt Dreamland nicht mit rockiger E-Gitarre, sondern mit (synthetischem) Cajun-Akkordeon. Modifizierte Blues-Formen mischen sich mit der Darbuka, der nordafrikanischen Bechertrommel, orientalische Kürzel galoppieren auf einem Second-Line-Rhythmus, die Klangkulisse kennt Brüche, Elektronik klingt global und Weltmusik elektronisch verzerrt. Das „Dreamland“ des neuen alten Robert Plant erstreckt sich quer über Louisiana und Mali. Und hier findet er wieder, was er schon auch an Bord des Zeppelins suchte: das Drama des Songs, die optimale Interpretation. Er singt mit zeitloser, altersloser Stimme, anrührend in „Morning Dew“ oder „Skip’s Song“, engagiert in „Red Dress“ und im guten, bewährten „Hey Joe“. Freilich gräbt Plant dabei manches Alte um – von John Lee Hooker bis Bob Dylan, von Tim Buckley bis Arthur „Big Boy“ Crudup – und lässt manches Eigene wie alt klingen, schafft sich Wurzeln in Afrika und Bordune im Blues. Ein visionäres Arbeitsfeld zwischen Rock und World und Folk und Pop und Blues und Song.
Auf Mighty ReArranger – drei Jahre später – trägt seine britische Band nun auch einen Namen: Strange Sensation. Justin Adams (Gitarre), John Baggott (Keyboards) und Clive Deamer (Schlagzeug) sind nach wie vor die Aktivposten. Kürzer geworden sind die Stücke, kaum eines erreicht die fünf Minuten: Die Texte sind wichtig, der Blick auf die Konflikte zwischen jenen Welten, die in der Musik gerade erst verschmelzen. Alle Nummern stammen von Plant und der Band, jede ist ein eigenes, eigenwilliges Klangbild-Statement. Darin sind die Zutaten von überall schon ganz ins Eigene verwandelt und sind doch noch zu erahnen – in Bendir und Blues Harp, im Takamba-Rhythmus und galoppierenden Shuffle. „Brother Ray“ schließlich, das Zugabenstück und kaum über eine Minute lang, bietet die wohl bescheidenste und zärtlichste Verbeugung vor dem 2004 verstorbenen Ray Charles. Erdige Klavierklänge, Trommeln, ein wortloser Rufgesang: Da klingt das Frenetische an, das Unbedingte, das Ray Charles besaß. Auch er: ein Widerhall Afrikas in der Welt.
Nach dem zwischenzeitlichen Erfolgsalbum mit Alison Krauss, das fünf Grammys kassierte, orientiert sich Robert Plant neu. Seine Entdeckerlaune, seine Neugierde verliert er nicht. Für Band Of Joy tut er sich mit dem Gitarristen Buddy Miller zusammen, der auch auf dem Grammy-Album spielte: Plant nennt ihn einen Rock’n’Roll-Kurator, einen Juju-Zauberer. Statt in London produziert man nun also in Nashville. Daher spielen Indie-Folk und Gospel, Steelguitar und Banjo stärker herein, doch Timbuktu, die Tuareg, der Blues und der Orient sind weiterhin dabei. Der Albumtitel verweist auf Plants erste Formation, einen Zeppelin-Vorläufer: „Damals, als ich 17 war, spielte ich aller Leute Sachen und veränderte sie.“ Das tut er auch jetzt wieder, nimmt Stücke der Los Lobos, Kelly Brothers oder von Townes Van Zandt und baut sie um, baut sie auf, bringt sich ein. Dabei geraten „Monkey“ oder „Even This Shall Pass Away“ zu vitalen Psycho-Trips. Wie ein archaischer Blues wirkt dagegen das Eigengewächs „Central Two-O-Nine“. Dazu Plant, der Alles-Verwerter: „Es ist ein Abfallkorb aller großartigen Blues-Zeilen, die mir einfielen.“